PHRASENMÄHER (live am Unifest, Karlsruhe 2011)

PHRASENMÄHER (live am Unifest, Karlsruhe 2011) © Ann Buster

Zum Auftakt ihrer großen "Sympathie ist der Teufel"-Tour haben wir Jannis, Lenne und Martin von Phrasenmäher vor ihrem Auftritt in der Heidelberger Halle02 zu einem Interview getroffen. Im Gespräch mit unserem Redakteur Daniel Nagel bekennen sich Phrasenmäher zur Popmusik, erklären den Nutzen der Kulturwissenschaft für Musiker und verraten, wie man mit Humor Traurigkeit bewältigt.

{image}regioactive.de: Ihr studiert ja alle Kulturwissenschaft. Was wird man denn damit?
Jannis: Phrasenmäher! (Gelächter) Ich denke, man ist ganz gut gewappnet dafür, eine Band zu haben. Wir sind von Anfang an nicht so blauäugig an die Sache herangegangen. Wir haben gewusst, dass man damit nichts werden kann, sind von diesem Standpunkt ausgegangen und haben gesagt: "Ok, wir wissen, es ist schwer, wie können wir es uns ein bisschen einfacher machen?" Dadurch, dass Martin und ich sehr interdisziplinär arbeiten, merkt man bei Phrasenmäher auch den Einfluss des Theaters auf die Texte und dadurch, dass Lenne angewandter Kulturwissenschaftler ist, haben wir auch einen Spezialisten für Vermarktungsstrategien und Musikbusiness – das ergänzt sich einfach gut.

{image}Ist es nicht auch lustig, die im Studium gelernten kulturwissenschaftlichen Kategorien auf die eigene Musik anzuwenden?

Lenne: Aber dann weiß man, dass letztendlich alles Popmusik ist! (lacht)

Martin: Man kann eher akzeptieren, dass man Pop macht.

Keine Angst vor Pop!

Martin: Vor dem Begriff Pop zumindest, weil man sich damit beschäftigt. Wenn man sich anhört, was alles als Rockmusik im Radio läuft, dann findet sich als Rock kaum mehr als eine E-Gitarre, ansonsten sind es ganz normale Popsongs. Deshalb haben wir kein schlechtes Gewissen, uns als Popband zu bezeichnen.

Jannis: Durch die Kulturwissenschaft kommt sicherlich auch die Lust an den Genre, die Phrasenmäher auszeichnen. Wir machen Pop, das gibt uns aber auch die Freiheit, aus allem möglichem Pop machen zu können: Polka, Dancehall, a cappella.

Ihr habt zweimal Förderung der Initiative Musik mit Projektmitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien erhalten. Wie habt Ihr denn das geschafft?

Jannis: Ich glaube, entscheidend dafür war unsere Selbstständigkeit und die Strukturen, die wir auch außerhalb der Musik geschaffen haben. Ich glaube man kann vergessen zu sagen: "Wir sind eine Band und wir machen Musik". Das ist ein Teil, aber es gibt ein Tagesgeschäft und das Musikerdasein ist letztendlich zur Hälfte ein Bürojob für uns alle – und dazu gehören auch solche Anträge zu stellen. Das macht uns für die Initiative Musik auch spannend, denn sie fördern damit ein Konzept.

Martin: Musikmachen ist immer noch der zentrale Teil: Lieder schreiben, Konzerte spielen, Alben veröffentlichen, aber im Gesamtkonzept einer Band ist es wirklich nur ein Teil.

Lenne: Viele denken, ich spiele in meinem Proberaum, mache Musik und bekomme einen Plattenvertrag…

Martin: …einen Plattenvertrag bekommt man relativ schnell, nur der bringt einem nicht viel…

Jannis: …man bekommt nicht Tausende Euro und hat mehrere Jahre Zeit, etwas zustande zu bringen. Das Geld ist in der Industrie nicht mehr vorhanden, also muss man kreative Konzepte entwickeln. Man muss sich als Band auf das konzentrieren, was man gut kann.

{image}Eigentlich besteht ja ein Gegensatz zwischen eher intuitiv arbeitenden Musikern und dieser Art des geplanten Vorgehens.

Jannis: Auf jeden Fall. Viele Musiker haben eine sehr romantische Vorstellung vom eigenen Tun – aber es gehört auch zu einer professionellen Arbeitsweise, dass man die Realitäten des Musikbusiness akzeptiert und in diesen Grenzen die Möglichkeiten auslotet, seine Kreativität zu entfalten. Dazu zählen auch die technischen Möglichkeiten: Was früher ein enormer Aufwand war, ist heute viel leichter und günstiger. Wenn jeder von uns sein Handy nimmt und filmt, dann kann man daraus ein Musikvideo aus drei Perspektiven machen, das 200 Euro kostet und nicht 10.000.

Wie schafft man es eigentlich lustige Texte zu schreiben?

Jannis: Ich glaube, dass die Traurigkeit allen kreativen Impulsen zugrundeliegt. Wenn man glücklich ist, einen super Job und eine super Freundin hat, dann schreibt kein Musiker Songs. Man kann mit traurigen Umständen unterschiedlich umgehen: Entweder man nutzt den direkten Weg und schreibt einen traurigen, melancholischen Text – das wäre die Hamburger Schule – oder man bevorzugt einen weniger direkten Weg durch Schaffung einer zusätzlichen Ebene, wodurch häufig Humor entsteht. Dadurch entstehen diese humoristischen Texte, aber Phrasenmäher-Texten liegt häufig viel Traurigkeit zugrunde.

Lenne: Die Tragik wird auch durch die Anti-Helden vermittelt.

Ein krasser Anti-Held ist der Vater in Vater. Obwohl das Lied sehr lustig ist, ist der Vater eine tragische Figur. Er will mit seinem Sohn etwas gemeinsam auf die Beine stellen, aber die Idee ist lächerlich oder weltfremd.

Jannis: Sie ist für alle Beteiligten tragisch. (lacht)

{image}Wie kann man damit als Sohn umgehen, wenn der Vater scheitert? Man kann darüber lachen, aber das hilft ja letztlich nichts.

Jannis: Doch, ich glaube schon. Menschen sind sehr unterschiedlich und wir sind Menschen, die viel mit Humor verarbeiten. Das funktioniert schon und hat auch wenig mit Verdrängung zu tun. Es gibt ja nicht umsonst diesen Spruch, dass im Rückblick alles zur Komödie wird.

Eure Musik ist aber häufig so gestaltet, dass sie den Witz betont…

Jannis: Findest Du?

Ja, schon – gerade bei Vater mit den unterschiedlichen musikalischen Stilen. Ihr seht das anscheinend nicht so?

Jannis: Es gibt eine bewusste Albernheit, die würde ich uns auch nicht absprechen, aber eben nicht ausschließlich.

In Eurem Profil bei regioactive.de steht als Beschreibung "Tomte in lustig". Das ist natürlich ein Witz.

Jannis: Klar.

Ich fand das aber interessant, weil Tomte ja eine Band sind, die immer grandios und gigantisch daherkommen, sowohl musikalisch wie auch inhaltlich, während ihr immer oft die kleinen Situationen sucht oder sogar die versteckten Details, die man sonst vielleicht gar nicht bemerken würde.

Lenne: Aber das Kleine erzählt die gleichen Geschichten wie das Große.

{image}Im Kleinen kann man sich auch wiederfinden?

Jannis: Genau. Wir benutzen konkrete Situationen und schaffen damit aber auch einen Raum, in dem sich jeder wiederfinden kann – daher ist es gar nicht so unähnlich.

Wohin geht es mit Phrasenmäher?

Jannis: Wir waren nie die Band mit einem Riesenhit. Die Entwicklung verlief eher stetig. Wir sind keine Band, die ein Problem damit hätte, wenn der Charterfolg kommt. Das würde uns freuen, aber man merkt auch schon, dass wir dauernd neue Fans dazugewinnen. Viele lieben unsere Geschichtenwelt, weshalb wir auch sehr viele treue Fans haben. Und die Tour hat ja erst angefangen.

Vielen Dank für dieses Interview.

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