Boysetsfire (live in Berlin, 2010)
Reunion-Show bei den Telekom Extreme Playgrounds.

Boysetsfire (live in Berlin, 2010) Reunion-Show bei den Telekom Extreme Playgrounds. © Telekom Extreme Playgrounds

Als das Wort Emo noch nicht verpönt war, als Hardcore noch eine Ausdrucksweise für politischen Unmut war und als eine Show noch darauf ausgerichtet war, sich hauptsächlich auf die Musik zu konzentrieren: das waren die Zeiten, in denen sich boysetsfire gründeten: 1994. 2010 nach drei Jahren Pause wiedervereinigt, waren sie auf ihrer Tour durch Europa auch in Frankfurt - das erste von zwei ausverkauften Konzerten in der Batschkapp. Reunion: voller Erfolg. Neues Material: Fehlanzeige.

{image}Die Gründe, die zur Auflösung von boysetsfire 2007 führten, waren vergleichsweise simpel: Man habe alles gesagt, alles thematisiert, jetzt sei es an der Zeit, neue Sachen auszuprobieren. Sänger Nathan Gray und Gitarrist Josh Latshaw versuchten sich als The Casting Out, aber dieses Projekt war wenig erfolgreich, gemessen an boysetsfire. Und so plötzlich sie sich aufgelöst hatten, so kam aus dem Nichts die Reunion: Man habe sich in den vergangenen Jahren nicht so entfalten können, wie man es durch die Musik von boysetsfire konnte, so das Statement der Band. Wieder eine schlichte Aussage, wie sie normalerweise nicht dem Stil der Band entspricht. Auf ihren drei erfolgreichsten Alben After The Eulogy, Tomorrow Come Today oder dem letzten Album The Misery Index: Notes From The Plague Years wird alles angesprochen, was einen als freiheitsliebender, links ausgerichteter Bürger an einem Land stören könnte.

{image}Diese Manier haben sich boysetsfire beibehalten: auf dem Banner, das an der Bühnenrückwand aufgehängt war, prangte unter dem Bandnamen "while a nation sleeps..." – das Motto der Europatour. Was sie den Zuschauern damit genau vermitteln wollen, wird an diesem Abend nur durch bekanntes Material verdeutlicht: boysetsfire haben ihre Reunion ohne neues Album oder aufwändige Promo vollzogen, ihre Rückkehr feierten sie erstmals bei den Telekom Extreme Playgrounds 2010 in Berlin (—> wir berichteten). Dem Frankfurter Publikum musste man nicht zweimal sagen, dass die Band aus Delaware zurück ist: Sogar ein Zusatzkonzert wurde anberaumt, das ebenfalls ausverkauft war, im Gegensatz zu den restlichen Deutschlandterminen.

Mit Release The Dogs startete der Abend, der über neunzig Minuten gehen sollte. Von der ersten Sekunde an wurde die Band gefeiert, drei Jahre Pause wollen schließlich nachgeholt werden. Ein unglaublich symphatischer Nathan Gray beschäftigte sich in den wenigen Ansagen mit dem Publikum. Auch eine sehr betrunkene Zuschauerin, die sich einfach auf die Bühne stellte und danach nichts tat außer den Sänger anzustarren, wurde mit Humor aufgenommen. Songs wie Empire und White Wedding Dress folgten und wie schon auf ihrer Farewell-Show 2007 spielten sie drei Titel akustisch, darunter With Every Intention. Das Publikum war auch in diesen ruhigeren Minuten ganz auf die Musik eingestellt und klatschte andächtig mit – zur Verwunderung von Nathan Gray, der diese Mitklatsch-Mentalität irritierend fand.

{image}Einer der Höhepunkte war sicherlich Walk Astray, als die versammelte Menge den Einspieler vom Band unisono mitsang – da war sogar die Band verblüfft und applaudierte ihrerseits. Auch weiterhin zeigte sich das Publikum textsicher, spätestens gegen Ende wieder bemerkbar, als kaum noch ein T-Shirt trocken war und der absolute Höhepunkt folgte: Zuerst My Life In The Knife Trade und einheitliches Mitgesinge, danach After The Eulogy mit der obligatorischen Faust in der Luft und schließlich Rookie. Für zwei Zugaben ließen sich boysetsfire noch einmal auf die Bühne holen, mit Handful of Redemption verabschiedeten sie sich endgültig vom Frankfurter Publikum.

Es war ein wahres Vergnügen einer Band zuzuschauen, die mit einer so offensichtlichen Leidenschaft auf der Bühne steht. boysetsfire haben eine Show abgeliefert, die musikalisch routiniert war, aber dennoch besondere Momente hatte – und das vor einem Publikum, das in einer guten Stimmung war. Bleibt nur zu hoffen, dass boysetsfire bald neue Songs nachliefern, die an ihre vorherigen Platten heranreichen können.

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