Neil Diamond Fotostrecke starten

Neil Diamond © BB Promotion

Über viele Jahrzehnte erstreckt sich die musikalische Karriere von Neil Diamond. 37 Top-10-Singles und 16 Top-10-Alben verdeutlichen seinen einzigartigen Erfolg. Am 17. Juni trat er zum ersten Mal in seiner 45-jährigen Karriere in Mannheim auf und nahm 7.000 begeisterte Zuschauer in seinen Bann. Zwei Stunden lang lieferte er Hit an Hit, geschmackvoll interpretiert von seiner bewährten Band, und beeindruckt mit seiner Stimme, seiner Präsenz und mit der Tatsache, dass man ihm die 70 Jahre so gar nicht anmerken will.

Das Percussiongewitter von "Soolaimon" eröffnet das Konzert und mit einem Donnerschlag steht Neil Diamond auf der Bühne, wie von David Copperfield herbeigezaubert. Und was nicht weniger magisch erscheint ist die äußere Erscheinung und vor allem die Stimme, die so kraftvoll und prägnant wie eh und je klingt. In dieser Form kann man sich ihn auch noch in 10 Jahren auf der Bühne vorstellen.

Sitzen oder stehen?

Während der vierten Nummer Forever In Blue Jeans fordert er bereits das Publikum zum Tanzen auf und hat damit Erfolg – nur zu gern erheben sich die Zuschauer und in den Minen der Saalordner macht sich Unlockerheit bemerkbar – sollte man jetzt schon die Sitzordnung aufheben? Erleichterung macht sich breit als sich danach alle wieder brav hinsetzen. Als nach einer guten halben Stunde dann zuerst eine sehr gediegene Version von Solitary Man die Ohren verwöhnt hatte und danach der Drive von Cherry Cherry die SAP-Arena erfasst, bewegen sich immer mehr Zuschauer von ihren Sitzplätzen im Innenraum hin in Richtung Bühne.

Als Einstieg zu dem folgenden "Glory Road" überrascht Diamond mit einer Ansage, die aus US-amerikanischer Sicht inhaltlich so liberal ist, dass man sie kaum in Deckung zu den in der Regel eher konservativen Statements von Diamond in Interviews bringen kann. Er kritisiert nicht nur den Vietnamkrieg, sondern bedauert den Verlust "of our leaders" – dass die Kennedys und auch Dr. King in dieser Reihe genannt werden, überrascht nicht, dass jedoch auch Malcom X von ihm in diesem Zusammenhang aufgeführt werden, allerdings schon.

Kein unnötiges Risiko

Fast ist man versucht ihn mit dem anderen, auch 1941 geborenen, auch mit "D" beginnenden großen amerikanischen Songwriter zu vergleichen, zumal beide ihre Wiege als Songwriter in New York haben. Bei näherer Betrachtung stellt sich dieser Vergleich jedoch als Irrweg heraus. Diamond lernte die Regeln von Tin Pin Alley und wurde Teil dieses Systems, Dylan dagegen stellte die Regeln auf den Kopf und setzte die eigenen Maßstäbe. Und Diamond befolgt die Regeln des Showbusiness noch heute und bietet so die bewährte, etablierte "große" Unterhaltung in US-amerikanischer Tradition. Risiko ist da fehl am Platz.

Es bleibt einem die Gewissheit, dass man nicht etwa in Gefahr läuft von einer auf einer Note genuschelten und auf der letzten Silbe hochgezogene Melodievariation von "Girl You’ll Be A Woman Soon" enttäuscht zu werden. Überhaupt fällt das Fehlen dieses von Urge Overkill in "Pulp Fiction" neuen Generationen nahe gebrachten frühen Meisterwerks von Diamond auf.

Welthits für andere Stars

Dass Coverversionen seiner Songs bei weiten Teilen des Publikums größere Bekanntheit erlangten als seine eigenen Aufnahmen, ist bereits von Anfang an seiner Karriere die Regel. "I’m A Believer" und einige andere Songs wurden Hits für die Monkees, Elvis machte aus "Sweet Caroline" eine mitreißende Rock’n’Roll-Nummer, "Red Red Wine" kennt jeder in der Reggae-Version von UB40 und "Solitary Man" wird heute meist in der Version von Johnny Cash als Referenz gesehen.

Im letzten Jahr drehte Neil Diamond dann den Spieß um und nahm unter dem Titel "Dreams" ein Album mit Coverversionen auf. Ob seine Version von Ain’t No Sunshine allerdings das Original von Bill Withers in der öffentlichen Wahrnehmung verdrängen kann, bleibt eher unwahrscheinlich. "I'm A Believer" wird zunächst in der Balladenversion des aktuellen Albums gespielt, bevor Diamond seinen (und zuvor Elvis Presleys) Drummer Ronnie Tutt auffordert Gas zu geben und den Song in seinem gewohnten Gewand zum Besten zu geben.

Ein lohnenswertes Erlebnis

Später wird auch noch "Sweet Caroline" folgen und Tutt, der letztes Jahr noch mit der alten Band von Elvis in der Frankfurter Festhalle die alten Arrangements spielte während Elvis per Video und Gesangsspur dazu geschaltet war, trommelt jetzt die bravere Originalversion. Für einen Moment kommt der Gedanke auf, dass Presley, hätte er gesünder gelebt, vielleicht auch noch in ähnlich beeindruckender Form unterwegs sein könnte – ein irrealer Gedanke einerseits, anderseits steht hier ein 70-jähriger erstmals in Mannheim auf der Bühne – und so wäre es nicht unmöglich gewesen, dass auch der King noch die SAP-Arena gerockt hätte, vielleicht auch mit einem geschmackvoll von Rick Rubin produziertem Album am Start.

Von seinem feinen Album "12 Songs", das Diamond 2005 mit Rubin aufgenommen hat, hat es leider nur ein Song (Hell Yeah) in das Set geschafft, Perlen wie "Delirious Love" oder "Oh Mary" bleiben außen vor. Die Präsenz und die Professionalität, mit der Neil Diamond live auftritt, gepaart mit einer über Jahrzehnte eingespielten Band, und dem beachtlichen Songmaterial, das ihm erlaubt auch so sicher erwartete Hits wie "Song Song Blue" oder "Girl, You’ll Be A Woman Soon" außen vor zu lassen, sind eine Mischung, die angesichts der just erlebten Form von Diamond, das Versprechen nach Mannheim zurück zu kommen als durchaus realistisch erscheinen lässt. Das sollte man sich nicht entgehen lassen!

Setlist:

Soolaimon | Beautiful Noise | Hello Again | Forever in Blue Jeans | Shilo | Red Red Wine | Solitary Man | Cherry Cherry | Glory Road | Ain't No Sunshine | I'm A Believer | You Don't Bring Me Flowers | Crunchy Granola Suite | Sweet Caroline | Morningside Play | Holly Holy | Hell Yeah | I Am … I Said

Cracklin' Rosie | America | Brother Love's Traveling Salvation Show | I've Been This Way Before

Alles zum Thema:

neil diamond