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Simon Lynge (live in der Jahrhunderthalle in Frankfurt, 2011) © Daniel Nagel

Die amerikanische Sängerin Emmylou Harris begeisterte bei ihrem Auftritt in der Frankfurter Jahrhunderthalle ihr Publikum mit alten Klassikern und neuen Kompositionen.

{image}Den Auftakt des Abends bildet aber der Auftritt des in Grönland aufgewachsenen Simon Lynge, der äußerlich dem jungen Paul McCartney ähnelt. Seine Musik ist weniger exotisch, als man vielleicht erwarten könnte, sondern steht eindeutig in der Tradition von (anglo-amerikanischem) Folk und klassischen Singer-Songwritern. The Future, der überzeugendste Song, klingt wie ein Lied, das Paul Simon hätte schreiben können, wenn er ein fröhliches und optimistisches Naturell hätte. Mit seinen humorvollen Erzählungen über Grönland und seinen entwaffnend offenherzigen Liedern (und einem Cover von Otis Reddings Dock Of The Bay) gewinnt Lynge die Herzen (und den Applaus) der Zuschauer für sich.

Vielleicht hat Emmylou Harris Lynge deshalb ausgewählt, weil er noch etwas von dem kindlich-naiven Erstaunen in sich trägt, das ihr nach mehr als 40 Jahren im Showgeschäft verständlicherweise verloren gegangen ist. Stattdessen nimmt sie sich in ihren Lieder die Zeit, auf ihr Leben zurückzublicken und gedenkt den Menschen, die sie geprägt haben, so der 2010 verstorbene Kate McGarrigle (Darlin' Kate), Gram Parsons (The Road) und ihren Eltern (A Ship On His Arm). Diese Lieder von ihrem neuen Album Hard Bargain, für deren Aufführung sie sich beim Publikum fast entschuldigt, überzeugen, ohne qualitativ an die Klassiker früherer Tage heranzureichen. Stimmlich ist Emmylou Harris nach wie vor in guter Form, auch wenn die Geschmeidigkeit früherer Zeiten einer gewissen, aber durchaus passenden Rauheit Platz gemacht hat.

{image}Das vornehmlich ältere Publikum in der gut besuchten Jahrhunderthalle zeigt sich dankbar und applaudiert den neuen Kompositionen genauso wie den Liedern von Emmylous Harris' klassischen Werken der 1970er (Boulder To Birmingham, Wheels, Luxury Liner, If I Neeeded You, Hello Stranger). Manche älteren Lieder (wie auch Together Again und Born To Run) sorgen durch ihr höheres Tempo für eine durchaus notwendige Abwechslung, nachdem sich zu Beginn eine gewisse musikalische Gleichförmigkeit breit machte. Die sehr professionelle Band spielt die Songs mit der Präzision jahrzehntelanger Erfahrung, allerdings auch ohne besondere Leidenschaft. Variationen wie das a cappella vorgetragene Calling My Children Home oder die Soloperformance von Darlin' Kate setzen daher willkommene Akzente.

Dennoch wünscht man sich für Emmylou Harris eine Band aus jungen Musikern, die unkonventioneller zu Werke ginge, so wie es Daniel Lanois mit der Produktion ihres 1995er Album Wrecking Ball gemacht hat. Die Wichtigkeit dieser Zäsur unterstreicht Harris, indem sie drei Lieder von diesem Album spielt (Gillian Welchs Orphan Girl, Bob Dylans Every Grain Of Sand und Anna McGarrigles Goin' Back To Harlan). Zum Schluss brechen dann doch die Dämme als das Publikum bei der Zugabe zur Bühne strömt, um u.a. eine exzellente Version von One Of Those Days zu bejubeln. "Wenn ihr weiterhin kommt, dann komme auch ich wieder", ruft Emmylou ihren Fans zu. Kaum denkbar, dass ihre Worte angesichts der Begeisterung der Zuschauer ungehört verhallten.

Setlist:

Six White Cadillacs | Orphan Girl | Red Dirt Girl | Beneath Still Waters | If I Needed You | Hello Stranger | O Evangeline | Green Pastures | My Name Is Emmett Till | Home Sweet Home | The Road | Boulder To Birmingham | Wheels | Luxury Liner | Darlin' Kate | Every Grain Of Sand | Goin' Back To Harlan | Calling My Children Home | A Ship On His Arm | Shores Of White Sand | The Pearl | Together Again | Born To Run

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Zugaben: One Of Those Days | Old Five And Dimers Like Me

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