In-Flight Safety - We Are An Empire, My Dear

In-Flight Safety - We Are An Empire, My Dear © Waggle Daggle

Nicht immer ist es von Vorteil, mit seinem Bruder in einer Band zu spielen: Beady Eye ist das neue Projekt des Gallagher-Bruders Liam. Ohne vorherige Zerwürfnisse haben In-Flight Safety aus Kanada ihr erstes Album in Deutschland veröffentlicht, die Looptroop Rockers melden sich zurück und Demon's Eye hören auf zu Covern. Und auch der Nachwuchs kommt in dieser Ausgabe nicht zu kurz: Mit eleVate und Depresside werden zwei Platten von aufstrebenden Newcomern vorgestellt.

In-Flight Safety * eleVate * Looptroop Rockers *Beady Eye * Demon's Eye * Depresside

In-Flight Safety – We are an empire, my dear | Waggle Daggle Records

{image}Kanada ist nicht nur im wörtlichen Sinne eine Goldgrube. Wer Indie mag, wird Kanada lieben. Auch der neuste Export In-Flight Safety bietet Abwechslung vom immergleichen Gedudel, das uns aus Radios und Disco-Boxen entgegen nervt. Von den zwölf Songs auf We are an empire, my dear haben mindestens zehn Lieblingslied-Qualitäten. Auf den ersten Blick bietet das Album nichts, was so noch nie dagewesen wäre: Hingebungsvoller Gesang, durchaus tanzbare Beats und eingängige Melodien. In-Flight Safety machen nichts Neues, sie haben keinen ausgefallenen, neuen Musikstil erfunden. Was sie aber von all den geklont scheinenden Bands unserer Zeit unterscheidet ist die Qualität ihrer Lieder: Es gibt kein sich wiederholendes Schema, immer wieder wird der Zuhörer überrascht.

We are an empire, my dear eignet sich hervorragend als Begleitmusik bei endlos scheinenden Autobahnfahrten, schenkt ein Gefühl von Freiheit und Glück. Zwischendurch ist man versucht, die Musik als abgedroschen zu empfinden. Dann passiert aber irgendetwas Besonderes, die Melodie ändert sich plötzlich oder Sänger John Mullane lässt mit seiner herrlich wandelbaren Stimme die Zeit still stehen und es wird klar, dass Vergleiche mit Coldplay-Sänger Chris Martin nicht von ungefähr kommen. Wer beim Zuhören die Augen schließt kann sich mit etwas Phantasie an einen einsamen See irgendwo in Kanada träumen. Es ist ein nebliger Frühsommermorgen, mit einer weichen Decke um die Schultern und einer Tasse heißen Tee in der Hand starrt man aufs Wasser und freut sich des Lebens.

Wertung: +++++ (Esther Vomfelde)

 

eleVate – No Shadow Without Light | Artists & Acts

{image}Viel Zeit und harte Arbeit haben sie investiert: eleVate haben ihr drittes Studioalbum No Shadow Without Light veröffentlicht. Mit Time Will Fly startet das musikalische Gut des Albums, was die Platte energiegeladen anheizt. Gleich darauf folgt der ebenfalls powervolle und neue Song In The Mist Of The Crowd, bei dem sich der Rhythmus von Gitarre und Schlagzeug stark hervorhebt. Mit Seize The Day haben Andy, Marcus und Steve die Redewendung "Carpe Diem" vertont. Als kleinen Vorgeschmack auf das Album gab es den Song bereits vorher digital und auf Konzerten zu hören. The Place Where I Belong ist eine ruhigere Ballade zum Träumen und nachdenken. "Still I haven't found the place where I belong. The search goes on!", heißt es in dem Lied. Und wer hat das schon, den Platz gefunden, wo er wirklich hingehört? Weiter geht es mit The Day Of Days, dem ultimativen Gewinnersong des Albums, der der Titelsong für die Kegel-WM 2009 in Dettenheim war. Rockig und schnell geht es mit This Is My Time weiter, bevor mit der Rock-Ballade Bring The Dream Back wieder ruhigere Töne angeschlagen werden, bei denen Gitarre und Gesang im Vordergrund stehen, im Refrain aber wieder an Tempo zugelegt wird. Melancholy Feeling dagegen ist eine durchgehend ruhige Ballade. Klavier und Gesang haben zuerst die Oberhand, danach setzen die Drums ein. Das direkte Gegenstück dazu ist Dare The Ride. Mit starken Rockgitarren und schnellem Rhythmus lädt der Titel zum Rocken und Austoben ein, bevor es wieder etwas ruhiger auf dem Album wird. Bei All My Expectations stehen diesmal Drums und Bass im Vordergrund, immer von der markanten Stimme von Sänger Andy getragen. Die ruhigere Rock-Ballade Daydreaming lädt zu kleinen Tagträumereien ein, ist aber alles andere als langweilig. Das Album wird von zwei weiteren Balladen abgeschlossen. Time Of Our Lives, bei dem die Keys wieder zum Einsatz kommen, und Endless Sea.

No Shadow Without Light bietet rockige Songs zum Austoben und Energie loswerden, aber auch sanfte Balladen zum Träumen und Abschalten. Andy, Marcus und Steve haben mit ihrem Album die richtige Mischung getroffen und sind ihrem Stil treu geblieben, der sich wie ein roter Faden durch ihre Musik zieht. Der unverwechselbare Sound, die Stimme von Sänger Andy und die Nähe zur Musik, die für die Hörer entsteht, machen den eleVate-Stil komplett.

Wertung: ++++ (Melanie Prunzel)

 

Looptroop Rockers – Professional Dreamers | Bad Taste Records

{image}In Schweden ist die Welt noch in Ordnung. Dieses Gefühl beschleicht einen zumindest beim Hören und Betrachten der neuen Single der Looptroop Rockers, die mit reichlich bunten Farben und sommerleichten Synthesizern jede Menge Good Vibes versprüht. Für positive Energie gibt es auch allen Grund: mit Professional Dreamers erscheint bereits das fünfte Album der skandinavischen Rapper – zudem meldet sich auch der seit 2007 abstinente MC Cosmic erstmals in den Reihen der Schwedentruppe zurück. Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht mit der heilen Welt. Looptroop wären nicht Looptroop, wenn sie inhaltlich ganz auf Sozialkritik verzichten würden. Dafür sind die buschigen Bärte von Promoe und Supreme einfach viel zu verfilzt. Dennoch wirken nicht nur die melodisch-melancholischen Produktionen von Embee – getreu dem Albummotto – verträumter als sonst, auch die drei MCs sind weniger aufrührerisch und deutlich harmoniebedürftiger als auf den Vorgängeralben, wie die Stücke Magic, Blow Me Away oder The Music Sounds Better At Night belegen. Experimentell präsentieren sich die Looptroop Rockers vor allem in ihrer Gästeauswahl. So wird das Tempo auf dem Stück Do mit der aus Kroatien stammenden Sängerin Gnucci Banana turbulent angezogen, während die schwedische Jazzsängerin Lisa Ekdahl mit ihrer geruhsamen Stimme einen entspannten Schlusspunkt auf Professional Dreamers setzt und in einen sanften Traum entlässt. Abwechslungsreich und überzeugend, was die Schweden hier aufbieten.

Wertung: ++++½ (Andreas Margara)

 

Beady Eye – Different Gear, Still Speeding | Beady Eye Records

{image}Man kann nicht über Beady Eye schreiben, ohne auf Oasis Bezug zu nehmen. Beady Eye bestehen mehrheitlich aus Oasis – ohne den hauptsächlichen Songwriter Noel Gallagher. Die Schnelligkeit, mit der Liam Gallagher nach dem Zerwürfnis mit seinem Bruder eine Band aus dem Boden stampfte, verrät, dass sich hier eine Trennung vollzog, die sich im Hintergrund lange vorbereitet hatte. Schon das letzte Oasis-Album Dig Out Your Soul litt an der Unvereinbarkeit gegensätzlicher musikalischer Strömungen, an Noels Interesse an Musik jenseits der 1960er, namentlich an Krautrock, und dem Desinteresse der übrigen Band an irgendetwas anderem als 60er-Jahre Hymnen.

Auf Different Gear, Still Speeding können Liam und Band nun ihre 60er-Obsession hemmungslos ausleben. Beady Eye versuchen durchaus erfolgreich, den Sound der 1960er in zeitgemäßem Gewand wiederauferstehen zu lassen. Sie sind aber nicht in der Lage dazu Lieder zu schreiben wie Noel Gallagher es konnte – damals in den 90ern. Gelegentlich verirrt sich mal eine brauchbare Melodie auf das Album (The Roller, Four Letter Word, The Beat Goes On), aber die Mehrheit der Lieder ist uninspiriert und inhaltlich erschreckend leer. Beady Eye bedienen sich großzügig im Musikbaukasten der 1960er, um ihre bestenfalls mittelmäßigen Songs mit maximaler Attitüde vorzutragen: "I'm gonna stand the test of time – like Beatles and Stones" nölt Liam und klingt dabei so engagiert wie seit Jahren nicht mehr. Beady Eye kramen alle Tricks hervor, Beatles-Vocals, Stones-Riffs, Rhythmus-Piano, die obligatorische Sitar, geben sich abwechselnd psychedelisch, poppig, rockig und bluesig. Nach der Hälfte von Different Gear, Still Speeding hat man jedoch den Eindruck, dass eigentlich alles gesagt ist, aber das Album dröhnt weiter und ermüdet den Zuhörer mit Unausgegorenem wie Kill For A Dream, Standing On The Edge Of The Noise, Wigwam und Three Ring Circus. Es wäre besser gewesen, wenn Beady Eye sich auch die Spieldauer von 1960er-Alben zum Vorbild genommen hätten.

Wertung: ++1/2 (Daniel Nagel)

 

Demon's Eye – The Stranger Within | Winnerland Records

{image}Die Deep Purple Tribute-Band Demon's Eye geht ihren eigenen Weg: Nach mittlerweile 13 Jahren erfolgreicher Deep Purple Tribute-Ära wurde es Zeit, eine eigene Scheibe zu produzieren. Demon's Eye waren nie eine reine Deep Purple Kopie, sie improvisieren seit jeher während der Soli-Parts, bringen ihre eigene Note in die Konzerte und gelten nicht umsonst als beste Deep Purple Tribute-Band, die auch vom Original unterstützt wird. So standen sie bereits in der Vergangenheit mit Ian Paice und Jon Lord zusammen auf der Bühne. Auf ihrem neusten Album The Stranger Within sind nur Eigenkompositionen vertreten, Text und Gesang steuerte Rainbows Ex-Sänger Doogie White bei. White erhielt die komplett fertigen Instrumentalstücke und hatte jede Freiheit, sich textlich und gesanglich auszuleben. Einflüsse von Deep Purple und Rainbow sind immer noch zu hören, jedoch wollen Demon's Eye niemanden mehr kopieren. Darum klingen zwar auch die Gitarrenparts von Mark Zyk stark nach Blackmore, jedoch auf besondere Art und Weise gar weiterentwickelt. Das Album ist emotional so vollgepackt, dass es jeden klassischen Hardrocker umhauen wird. Auch Doogie White klang lange nicht mehr so überzeugend, so mit Herz bei der Sache wie auf The Stranger Within. Ehemals schon gelegentlich als Gastsänger mitgemischt, hat die Zusammenarbeit mit ihm zweifelsohne einen neuen Höhepunkt erreicht. Wer sich anfangs nicht so leicht von der Musik mitreißen lässt, wird spätestens bei den stark atmosphärischen Tracks wie z.B. The Best Of Times eine Gänsehaut bekommen. Daran sind unter anderem die Keyboard Passagen nicht ganz unschuldig, die teils so stark nach Jon Lord klingen, dass man unumgänglich den Gedanken bekomm,t er hätte seine Finger im Spiel gehabt. Dieses Gänsehaut erregende Werk ist endlich ein schon lang erwartetes echtes Classic Hard Rock-Album, das es verdient, mit den Platten von Rainbow und Deep Purple verglichen zu werden. Eine Empfehlung für jeden, der noch etwas mit wahrem, handgemachtem Rock anzufangen weiß.

Wertung: ++++ (Jan Philipp Brand)

 

Depresside – Nichts kann uns passieren | Eigenvertrieb

{image}Ein Countdown wird heruntergezählt, danach starten die Gitarren und leiten mit ordentlich Tempo den Song Am Ende ein. Depresside, vier junge Musiker aus dem schönen Stralsund in Norddeutschland, überzeugen von Anfang an mit ehrlichen Texten und einem rockigem Sound. Weiter geht es mit dem Titelsong Nichts kann uns passieren. Während die Strophen etwas ruhiger gehalten wurden, nimmt er im Refrain wieder an Schnelligkeit zu. Der Text lässt eine gewisse Unbeschwertheit und Sicherheit durchklingen. "Nimm meine Hand und flieg mit mir, denn heut' kann uns nichts passieren", so die Textzeile. Das Tempo hält mit 1000 Gründe weiter an, das von einem ausgiebigen Intro eingeleitet wird. Die letzten beiden Songs der EP sind als Akustikversionen eingespielt, wo ganz klar der Gesang im Vordergrund steht. Warum ist eine Rock-Ballade über die Freundschaft und das Gefühl, sich von einem Freund/einer Freundin vernachlässigt oder ausgenutzt zu fühlen. Mit 180° schließen Matthias, Philipp, Tom und Paul die EP ruhig ab, der wiederum von einem langen Gitarren-Intro eingeleitet wurde. Es sind die Dinge des Alltags, die Depresside in ihren Songs verarbeiten. Gerade das macht ihre Musik so besonders. Jeder kann sich mit den Texten identifizieren, die mit einprägsamen Melodien untermalt sind. Depresside steht für junge, deutsche Musik mit viel Potenzial nach oben.

Wertung: +++ (Melanie Prunzel)

 

So werten wir:

+

schnell auf ebay damit, bevor es jemand merkt

++

hier mangelt es an so einigen Ecken und Enden

+++

das kann sich wirklich hören lassen

++++

ein TOP-Album

+++++

definitiv ein "must have"