Wye Oak

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Wye Oak ist ein Duo aus dem amerikanischen Bundesstaat Maryland, das mit seinem dritten Album "Civilian" und dem darauf erklingenden, instrumental sehr minimalistisch gehaltenen Indie derzeit für Furore bei zahlreichen Musikkritikern sorgt. Unser Redakteur Daniel Voigt traf die Band in Berlin und sprach mit den Musikern Jenn Wasner und Andy Stack über das neue Songmaterial, den Aufnahmeprozess und die Herkunft ihres Bandnamens.

{image}regioactive.de: Wie habt ihr euch kennengelernt?
Jenn Wasner: Wir kennen uns schon seit einer sehr langen Zeit. Ich sollte bei Andys Band als Keyboarderin rekrutiert werden und war aufgrund dessen bei einer Bandprobe dabei. Seitdem machen wir jeden Tag zusammen Musik und sind Freunde geworden. Dass wir uns als Wye Oak zusammentaten lag vor allem daran, dass wir spürten, dass wir als Duo sehr gut harmonieren.
Wie kam es zu eurem Bandnamen?
Andy Stack: Wir stammen aus dem US-Bundesstaat Maryland und der "Wye Oak" ist dort ein Wahrzeichen. Er war ein besonderer und zur damaligen Zeit der älteste und größte Baum in diesem Staat, stand so fast 500 Jahre lang im Osten Marylands, bis er 2002 durch einen heftigen Sturm umfiel. In unserer Kindheit besuchten wir diesen Baum sehr oft. Er hat große Bedeutung für uns und ist eine Hommage an unsere Heimat, weil wir uns diesem Ort sehr verbunden fühlen. Der Begriff bedeutet für uns Natur und er repräsentiert mit seinen 500 Jahren etwas sehr Stoisches.

{image}Euer neues Album heißt Civilian. Warum habt ihr dem Album diesen Namen gegeben?

Jenn: Ich liebe dieses Wort, weil ich mit diesem Begriff einen sehr rauen, kalten und distanzierten Sound verbinde, den ich sehr mag. Das Album war für mich eine sehr emotionale Angelegenheit: Es gibt in allen Songs direkte Verbindungen zu meinem emotionalen Zustand. Civilian repräsentiert meine Distanz zu einigen meiner Ideen und Gefühle, so als würde man von seinen intensiven Emotionen einen Schritt zurücktreten und sie fortan mit einem kritischen Auge betrachten. Bei Civilian geht es um die kalte Distanz, die man zwischen sich und jenen Dingen aufbaut, die man nicht mit in seine Welt nehmen kann.

Andy, du spielst mit der einen Hand Keyboard und mit der anderen gleichzeitig Schlagzeug. Wie um alles in der Welt funktioniert das?

Andy: Auf Dauer ist das manchmal etwas anstrengend, aber es funktioniert dennoch. Es war vor allem am Anfang ein ziemlicher Kampf, aber die Grenzen unserer Besetzung haben uns dazu gezwungen, neue Ideen zu entwickeln. Die Art, wie wir live unsere Songs spielen, wenn Jenn singt und ich gleichzeitig Keyboard und Schlagzeug spiele, das ist einmalig für eine Live-Show. Als wir die Platte aufnahmen wechselten wir allerdings die Instrumente auch mal, ob es nun die Bassgitarre oder das Schlagzeug war.

Jenn: Bei unseren Konzerten ist sehr strikt geregelt, wer welches Instrument spielt und welche Rolle einnimmt. Da sind wir sehr streng, weil wir meinen, dass man gut eingespielt sein muss und man daran besser durch eine feste Besetzung arbeitet. Im Studio ist genau das Gegenteil der Fall. Dort können wir soviel ausprobieren wie wir wollen und uns dafür auch so viel Zeit nehmen wie wir wollen.

{image}Wie verliefen die Aufnahmen zu eurem Album? Habt ihr viel experimentiert oder nach einem konkreten Plan gearbeitet?

Andy: Nein, da gab es keinen Plan. Wenn wir ins Studio gehen, dann haben wir zwar schon die generelle Struktur und den Aufbau der Songs im Kopf und ahnen, was gut klingen könnte oder was wir besser wieder verwerfen sollten. Aber weil wir nur zu zweit sind und uns damit Grenzen gesetzt sind in Bezug darauf, was wir live umsetzen können, ist es oft so, dass wir nicht die vollen Arrangements ausarbeiten. Wenn wir im Studio sind müssen wir also genau überlegen, wie wir einen Song von Grund auf aufbauen. So dauert der Aufnahmeprozess vielleicht etwas länger als bei Bands, die ihre Songs erst fertig schreiben und dann ins Studio gehen.

Jenn: Es ist die schwierigste Sache der Welt zu wissen, wann eine Idee als fertiger Song präsentiert werden kann. Oder Sachen auszuprobieren, die eigentlich gar nicht funktionieren können. Man sagt sich zwar, dass man dies oder das gerne in seinem Song eingebaut haben möchte, kann dies dann jedoch oft nicht richtig umsetzen. Du hast zwar eine Klangvorstellung im Kopf, aber wenn man sich das dann richtig anhört, dann klingt es oft nach etwas ganz anderem. Wir haben da sehr viel dazugelernt. Denn Civilian ist ganz anders als unsere anderen Platten. Wir haben  z.B. gelernt zu entscheiden, welche Songs wir besser rauslassen und welche wir  reinnehmen. Man vergisst beim kreativen Schreiben oft, wieviel Arbeit da eigentlich drinsteckt, bevor daraus ein fertiges Produkt entsteht. Schreiben ist für mich ein Handwerk, das man nur mit viel Übung verbessern kann.

{image}Eure ersten Alben hattet ihr noch selbst produziert, diesmal stand euch der Produzent John Congleton zur Seite. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Andy: Wir respektieren die Arbeit von John sehr und wir nahmen ihn auf, weil wir den Sound mochten, den er auf anderen Platten schon geschaffen hat. Insgesamt war es für uns eine gute Möglichkeit einige technische Verpflichtungen beim Mixen zu überspringen und uns selbst von den technischen Details verschonen zu können.

Jenn: Ich finde es sehr schwierig, die eigene Musik mit den Ohren eines distanzierteren Zuhörers und nicht als Musikschaffender zu hören. Das sagte auch John und er hat damit absolut Recht. Man sollte einen Song nicht nach Fehlern durchhören, sondern sich ihn ganz einfach als ein Song anhören. Wenn du das kannst, dann wirst du mit Sicherheit gute Alben produzieren. Aber das ist schwer und ich kann das nicht. Alles was ich hören kann, ist das, was ich hasse. Ich kann mir meine eigene Musik nicht anhören. Dafür hatten wir ihn.

Andy: Wenn du nur mit der ganzen Technik zu tun hast, dann kannst du die Musik nicht mehr auf dich wirken lassen. Du hörst dir das Ganze tausende Male an und reflektierst darüber hundert Mal, bis es nichts mehr für dich bedeutet.

{image}Welche Bands haben euch beeinflusst?

Jenn: Als ich anfing Gitarre zu spielen und erste Songs zu schreiben, hörte ich vor allem sehr viel Indiemusik. Bands wie Pavement, Sonic Youth und so. In Laufe meines Lebens hat sich mein Musikgeschmack aber immer wieder verändert und erweitert. Ich glaube dennoch, dass alles, was du in deiner Kindheit hörst, für immer einen Teil deiner Persönlichkeit repräsentiert. Als ich sehr jung war, gehörte Neil Young zu den Songwritern, die ich wirklich sehr mochte.

Ein Song auf eurem neuen Album heißt Doubt (Zweifel). Was bedeutet er euch?

Jenn: Dieser Song bildet den Abschluss der Platte und dafür passte der Titel für meinen Geschmack sehr gut. Denn dieses Wort drückt für mich eine offene, unentschlossene Emotion aus. Es geht nicht darum, dass man dies oder jenes weiß. Sondern Zweifel bedeuten, dass man unsicher ist. Die Platte so zu beenden bedeutet, die Platte sehr offen enden zu lassen. Der Song handelt von dem Jahr, in dem wir die Songs und die Platte schrieben. So sind viele der damaligen Experimente und Ideen bis heute Dinge, die offen und noch nicht gelöst sind. Es war der letzte Song, den ich für dieses Album schrieb, aber ich wusste auch schon davor, dass ich die Platte eher offen enden lasen wollte. Denn für andere kann so etwas auch der Beginn von etwas Neuem sein. Zusammenfassend kann man sagen, dass der Song von der Unsicherheit handelt, die man gegenüber der Zukunft verspürt.

Vielen Dank für dieses Interview!

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