Arcade Fire

Arcade Fire © Eric Kayne

Düsseldorf nach Mannheim, Rückfahrt auf schneebelebten Autobahnen. Das Radio läuft, der Verkehrsfunk verdrängt die aktuellen Charthits. Plötzlich vermeldet der Moderator, welche Band ganz unbestritten "die Band des Jahres" sei. Dem Fahrer ringt das ein ungläubiges Kopfschütteln ab. Es handelt sich um eine dieser gehypten 80er-Revival-Gruppen. Doch jeder, der heute Arcade Fire bei ihrem Konzert in Düsseldorf erlebt hat, muss zu dem Schluss kommen, dort die "Band des Jahres" gesehen zu haben.

{image}Oder muss man nicht doch noch tiefer in die leicht wackelige Schublade mit den Superlativen greifen? Nun, belassen wir es vorerst dabei: Arcade Fire haben mit ihrem sensationellen Album Nr. 3 (→ Rezension) bewiesen, dass Funeral (2004) kein Zufall, und dass Neon Bible (2007) kein Glückstreffer war. Nun könnte The Suburbs ja auch ganz einfach der Lohn einer intensiven Studiofrickelei gewesen sein, und das fragile, leichte, bis ins Detail clever arrangierte Soundgerüst live schlicht in sich zusammenfallen. Nope! Auf ihrer aktuellen Tour präsentieren sich Arcade Fire wiederholt (→ Review der 2007er Tour) als sensationeller Live-Act.

{image}Nach der winterlichen Anreise wurden die Fans am vergangenen Montag in Düsseldorfs Philipshalle von der Supportband Fucked Up begrüßt, deren Sound dem Bandnamen an diesem Abend auch glatt alle Ehre machte. Grunz, gröhl, dröhn, viel mehr bleibt von der Hardcore-Gruppe aus Toronto leider nicht hängen. Nur bei einzelnen Passagen ließe sich mit gutem Willen unterstellen, dass sie mit einem guten Live-Sound wohl richtig brettern und Spaß machen. Alle Befürchtungen, dass es Arcade Fire ähnlich ergehen könnte, waren jedoch unbegründet. Noch während dem Opener Ready to start erinnerte sich der Soundmann offenbar daran, wofür er eigentlich bezahlt wird und vor Ort ist. Arcade Fires Sound passt, und das Programm der Band aus Montreal passt ebenfalls.

{image}Songs von Funeral und The Suburbs dominieren die abwechslungsreiche Setliste. Letzteres muss so sein bei einer Tour zum Album, ersteres überrascht insofern, dass mit No Cars Go (vor der Neuaufnahme für Neon Bible bereits auf Arcade Fires Debüt-EP enthalten) und Cold Wind noch zwei andere ältere Klassiker gespielt werden. Keiner dieser nicht ganz so neuen Songs enttäuscht, im Gegenteil unterstreichen sie eindringlich, welche Indierock-Revolution, welch ein wichtiges Album den Kanadiern mit Funeral gelungen war. Während die Neighborhooods und Co. das Fundament dieses Auftritts legen, bilden die Tracks von The Suburbs den Rahmen: Ready to Start zu Beginn, Sprawl II und Rococo als Brücke zur Mitte der Show, vom ruhigeren The Suburbs über den Rocker Month of May – live um Längen kraftvoller als in der Studioversion – hin zu dem Highlight We Used to Wait. Intervention als erste Zugabe bringt die Orgel diesmal auf die Leinwand anstatt direkt auf die Bühne und erweist Neon Bible nochmal die Ehre, und die Hymne Wake Up beschließt standesgemäß den Abend...

{image}...beschließt einen großartigen Abend! Was Worte und die Auflistung von Songtiteln kaum vermitteln können ist die Brillanz des Auftritts in seinen Details: Die Show ist nicht übertrieben, nervös und hektisch. Authentisch, sympathisch kommen Arcade Fire rüber. Der Backgroundgesang (alle Acht haben ein Mikro vor sich stehen) sitzt, reißt mit, und ist zu einem großen Teil mitverantwortlich für die emotionale Achterbahnfahrt, die das Publikum bei diesen Auftritt erlebt. Jedes Instrument setzt seine eigenen Akzente und Arcade Fire sind mutig genug, diese Akzente ganz winzig zu halten. Sie stechen dennoch hervor: Kleiner Gitarrenlauf hier, gefühlvolles Geigen-Pizzicato da, Wirkung: groß. Die Energie der Band haut um. Die ganz deutlich sicht- und spürbare Spielfreude und jene über die positive Resonanz, die ihnen entgegenschlägt, schwappt über auf das Publikum, das beinahe jeden hymnischen Chorus und zahlreiche Strophen text- und melodiesicher mitsingt. Pathos. Feedbackschleife. Rock'n'Roll Hall of Fame.

Zurück zu der Schublade mit den Superlativen und dem irrenden Radiomoderator: Von "beste Band des Jahres" über "the greatest band in modern rock" bis hin zu dem fürs Boulevard mundgerecht aufbereiteten Trivialstatement "Win Butler and Régine Chassagne, the most sexiest couple in todays music scene, re-invented modern independent rock – once again" wäre diesem Autor (und Fan) jede Beschreibung recht.

Arcade Fire live in Düsseldorf, Setliste:

Ready to start | Keep The Car Running | Neighborhoood #2 (Laika) | No Cars Go | Haiti | Sprawl II | Rococo | Cold Wind | Deep Blue | The Suburbs | The Suburbs (continued) | Month of May | Neighborhood #1 (Tunnels) | We Used to Wait | Neighborhoood #3 (Power out) | Rebellion (Lies)

Intervention | Wake up

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