The Strange Death Of Liberal England

The Strange Death Of Liberal England © DevilDuck

Der Name klingt nach einer politischen Band, aber die Songs, die The Strange Death Of Liberal England auf ihr Debütalbum "Drown Your Heart Again" gepackt haben, sind vor allem vom Meer inspiriert. Unser Redakteur Daniel Voigt traf die Band in Berlin und sprach mit ihnen über ihren ersten Longplayer und dessen Aufnahmeprozess sowie über ihre Faszination für das Meer und den Herbst. Ob sich hinter diesen Musikern wohl wahre Philosophen verstecken?

{image}regioactive.de: Wie habt ihr euch kennengelernt?
Adam Woolway: Wir leben alle in der selben kleinen Stadt an der Südküste Englands. Dort gingen wir alle zur gleichen Schule und haben uns vor allem deswegen kennengelernt, weil wir alle Musik hörten, die abseits der Mainstream-Musik lag. Dann kam uns der Gedanke eine Band zu gründen, obwohl wir eigentlich bis zu diesem Zeitpunkt keine Instrumente spielen konnten. Das Ergebnis war, dass unsere ersten Versuche Musik zu machen genauso schrecklich klangen, wie wohl auch unsere ersten Konzerte waren.
Andrew Wright: Wir haben aber schnell gelernt, dass man schon Instrumente spielen können muss, um keinen Müll zu produzieren.

Ihr nennt euch "The Strange Death Of Liberal England". Wie kamt ihr auf diesen Bandnamen?

Andrew: Es ist der Titel eines Buches und da er mir sehr gefiel, haben wir ihn als Bandnamen gewählt. Heute ist dieser Titel sehr relevant geworden – nicht, weil wir ihn benutzen, sondern auf die britische Politik und den Regierungswechsel bezogen.

Adam: Als wir den Titel wählten, spiegelte der Titel noch nicht das wider, was sich in Großbritannien abgespielt hat. Aber jetzt, wo wir das Album veröffentlichen, fasst der Name The Strange Death Of Liberal England fast exakt das zusammen, was in Großbritannien passiert. Es ist schrecklich, dass in der Regierung ein großer Umbruch passiert ist und es scheint sich leider nicht mehr rückgängig machen zu lassen.

Wie würdet ihr eure Musik in eigenen Worten beschreiben?

Adam: Einige Leute versuchen die Musik von Bands immer zu definieren oder etwas daraus zu machen, was es nicht ist. Manche Leute sagen einem, dass man eine Rockband wäre. Andere wiederum sagen, dass man eine Folkband wäre. Und wenn du im Radio gespielt wirst, dann bist du eine Popband. Ich denke, dass je weniger du dich darum sorgst, wie deine Musik beschrieben werden kann, desto besser ist das und umso mehr Zeit hast du, deine Musik zu erschaffen und live vor einem Publikum zu spielen. Aber generell würde ich unsere Musik als Popmusik ansehen.

Welche Bands haben euch beeinflusst?

Andrew: Es gibt nicht viele Bands, die uns direkt beeinflusst haben. Jeder hat verschiedene Dinge, von denen er beeinflusst wurde und die wir jeweils subjektiv mögen. Das verhält sich genauso mit der Tatsache, dass jeder von uns andere Instrumente spielen kann. Als Band wollen wir vor allem wir selbst sein.

Adam: Viele Einflüsse unserer Musik und meiner Lyrics stammen von Leuten und Dingen, die mich umgeben. Im Moment leben wir, wie gesagt, in einer sehr kleinen Stadt am Meer in England. Das Meer sehe ich jeden Tag und aus diesem Grund schreibe ich die Songs dann auch hauptsächlich über das Meer. Ich schreibe nur über das, was ich sehe und fühle.

{image}Der Produzent eures Albums war Dave Allen (ex-Gang of Four). Wie war der Aufnahmeprozess und in welcher Weise half er euch, eure eigene Musik zu erschaffen?

Adam: Ich denke, wenn du heute unsere Konzerte anschaust, dann siehst du dort die Band, die Dave Allen geschaffen hat. Wir waren schon zuvor eine Band und spielten auch schon vorher Konzerte. Er kam und sah, dass wir zwar gut waren, half uns aber noch zehnmal besser zu werden.

Andrew: Er half uns zu sehen, was man mit unserer Musik machen kann und was nicht.

Adam: Er machte uns erst zu einer Band. Ich denke, vor ihm waren wir einfach nur fünf Musiker, die Musik machten.

Andrew: Wir arbeiten schon einige Jahre zusammen und es ist für uns ein wachsender, stetiger Lernprozess.

Adam: Was den Aufnahmeprozess angeht: der war sehr gut und sehr intensiv. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt nicht viel Geld, um die Aufnahmen durchzuführen. Deshalb mussten wir unsere Songs in einer sehr kurzen Zeit aufnehmen und uns an einen sehr strikten Zeitplan halten. Wenn du dir das Album anhörst, dann ist dort ein sehr großer und üppiger Sound zu hören. Aber ohne Geld und Zeit mussten wir das eben alles in einem Monat aufnehmen und zwar mit einem sehr geringen Budget. Insgesamt war das zwar ein sehr stressiger, aber auch sehr schöner Monat, den ich nie vergessen werde. Außerdem nahm uns Dave Allen kostenlos auf, weil er unsere Musik einfach mochte. In der Zeit lebte er in einem Wohnwagen außerhalb des Studios. Das war sehr seltsam.

Dass viele Musiker nur noch schwer von ihrer eigenen Musik leben können, ist ja ein sehr aktuelles Thema und Problem. Wie kann man junge Künstler und Musiker heutzutage eurer Meinung nach besser unterstützen?

Adam: Heutzutage brauchst du nicht unbedingt ein Plattenlabel. Du kannst deine Musik auch zuhause aufnehmen und musst nicht in ein teures Studio gehen. Vor allem, wenn du mit der Musik gerade erst anfängst, musst du einfach das tun, was du tun willst. Höre nicht auf andere Leute, sondern denke selbstständig. Viele Bands versuchen über das Internet Aufmerksamkeit zu erzeugen und bekannt zu werden. Heute gibt es aber durch genau in diesem Medium auch so viele Kritiker, da durch das Internet und speziell in Internetblogs praktisch jeder ein Kritiker sein kann. Deswegen ist mein Rat an alle jungen Bands, dass man auf niemand anderen als sich selbst hören sollte. Sobald du etwas tust, gibt es einige Leute, die nicht mögen, was du tust. Du musst denen dann einfach erzählen, dass dich das nicht interessiert und du trotzdem mit deiner Sache weitermachen wirst.

Ein Hauptthema auf eurem Album ist in der Tat das Meer. Was mögt ihr am Meer und wie würdet ihr eure Beziehung zum Meer beschreiben?

Adam: Erstens habe ich natürlich eine geographische Verbindung zum Meer, weil wir alle geschätzte 200 Meter von der englischen Küste entfernt wohnen. Auf der anderen Seite hat das Meer für uns auch etwas Metaphorisches für alles andere, was sonst noch im Leben passiert. Der Grund, warum ich über das Meer schreibe, ist, wenn du einen stressigen Tag hattest oder dir das Stadtleben oder der Job zu viel wird, kannst du der Stadt den Rücken kehren und am Meer in aller Ruhe entlangschlendern und dich auf dich selbst besinnen. Deine Stimmung und deine Gefühle ändern sich in solchen Momenten komplett. Die Sache, die ich am Meer mag, ist, dass das Meer eine Metapher für alles sein kann, woran man gerade denkt. Du kannst eine Art Freiheit spüren, wenn du weit und breit nur noch das Meer siehst. Wenn du kein Boot oder nicht genügend Geld hast, kann das Meer aber auch eine Begrenzung bedeuten, da du ohne ein Boot das Meer nicht überqueren kannst. Natürlich kann das Meer auch für die Liebe und den Tod stehen.

Welche Naturphänomene beschreiben eure Gefühle am besten?

Adam: Überschwemmungen und das Ertrinken, weil du in allem ertrinken kannst und dich alles überschwemmen kann. Die Lyrics können dich so packen, dass du glaubst, von ihnen überschwemmt zu werden. Und wenn man eine schlechte Show spielt, dann kann man auch eine Flasche Whiskey leeren und im Alkohol ertrinken.

{image}Ein Song von euch heißt Autumn. Was bedeutet der Herbst für euch und was mögt ihr am Herbst?

Adam: Ich habe den Song geschrieben, weil ich nur Songs schreibe, wenn ich glaube, dass sich Dinge in meinem Leben ändern. Wenn mein Leben stabil und ohne Einschnitte verlaufen würde, dann würde ich keine kreativen Momente haben, um Songs zu schreiben. Wann immer die Jahreszeit wechselt, dann hat das auf mich einen Einfluss. Ob nun der Herbst in den Winter, der Winter in den Frühling oder der Frühling in den Sommer übergeht, es fühlt sich für mich wie eine Veränderung an. Ich weiß nicht warum, aber ich fühle mich dann immer sehr unruhig. Genau so etwas fand auch letzten Herbst bei mir statt. Ich machte einen Spaziergang am Strand zu einer Jahreszeit, wo alles schon auf den Herbst hindeutete, und konnte einen Sonnenuntergang beobachten, der in mir ein unglaublich, überschäumendes Gefühl auslöste – als wenn ich betrunken wäre.

Ein anderer Song von euch heißt Come On You Young Philosophers!. Fühlt ihr euch selbst als Philosophen?

Adam: Wir sind an Philosophie definitiv interessiert, aber ich denke, eigentlich ist irgendwie jeder daran interessiert. Denn nicht nur ich, sondern jeder wacht nun einmal morgens auf und fragt sich, was er tun soll und warum er gerade das tun soll. Man wird jedoch wohl nie wirklich verstehen, warum man bestimmte Dinge ausgerechnet zu einem bestimmten Zeitpunkt tut oder nicht tut.

Vielen Dank für dieses Interview!