Carlos Santana

Carlos Santana © Alan Silfen

Mit übernatürlichen Kräften oder schwarzer Magie hat der Erfolg von Carlos Santana wahrlich nichts zu tun, trotz Megahits wie "Black Magic Woman" oder "Supernatural". Über vier turbulente Jahrzehnte erstreckt sich die Karriere des aus Mexiko stammenden Ausnahmekünstlers. Santana ist zur Zeit mit seinem Album "Guitar Heaven - The greatest guitar classics of all time" auf Welttournee. Das lässt einen an Ricky King denken. Zum Glück brach dann doch der Woodstock-Santana durch und brachte 7.700 Fans auf die Beine.

{image}Am vergangenen Mittwoch ging in der Mannheimer SAP Arena um kurz nach 8 geht das Licht aus und ohne jegliches Brimborium kommt Santana auf die Bühne, spielt ein paar Licks auf der Gitarre und lässt das Ganze dann in ein wuchtiges Gerocke mit einem Drummer, zwei Percussionisten, zwei Bläsern und zwei Rappern ausarten, was man nach ca. 2 Minuten dann als Back in Black von AC/DC identifiziert. Das Arrangement wummert zwar laut, aber nimmt dem Song jegliche Power. Es ist ungewohnt laut an diesem Abend in der SAP-Arena und die Lautstärke macht den Sound in dieser Halle, die eigentlich sehr gut klingt, nicht besser. Irgendein Mikrophon bekommt zu Beginn auch ständig direkte Schläge ab, was bei dieser Lautstärke für unerfreuliche Momente sorgt. Als vierter Song kommt bereits Black magic woman, gleich danach Oye como va und dann Maria, Maria von dem Erfolgsalbum Supernatural. Vor diesem Song fordert Santana das bis dahin brav sitzende Publikum auf, die Stühle als eine Hilfe für ältere Leute zu begreifen und dem Bewegungsdrang freien Lauf zu lassen. Und der Großteil der 7.700 Zuschauer lässt sich das nicht zweimal sagen, steht auf, feiert und hebt vor allem die strenge Blockordnung auf, die die Ordner bis dahin erfolgreich behauptet hatten.

{image}Unterstützt von Räucherstäbchenduft weht ein Hauch von Woodstock durch den Raum – Oberstudienrätinnen und Zahnärzte wiegen die Hüften in Latin-Groove und bekiffte Mittdreißiger flippen bei dem Drumsolo, das sich anschloss, aus als hätten sie so etwas noch nicht erlebt. Andere heben ihr Mobiltelefon in die Luft und lassen den Partner, der daheim auf die Kinder (oder Enkel) aufpasst, an den nicht enden wollenden Trommelgewitter teilhaben. So muss es gewesen sein in den wilden Siebzigern, als John Bonham sein Schlagzeugsolo so lange ausdehnen musste wie es dauerte, dass Robert Plant seine Groupie-Zwischenmahlzeit beendet hatte.

Vintage-69er Feeling erzeugt auch das Zusammenspiel von Santana und der Hammondorgel bei Jingo. Nach soviel Aufregung muss sich auch Santana mal hinsetzen – auch er ist inzwischen ja auch schon 63, was man ihm aber sonst nicht ansieht. Eine lange, ruhige Instrumentalpassage, bei der sich dann auch das Publikum wieder seines Alters erinnert und hinsetzt, leitet über in ein wildgewordenes Funkrocksolo. Analog zum Opener wartet man darauf, dass sich daraus einer der "greatest guitar classics of all time" entwickelt. Aber am Ende ist es nur die Melodie von Oh du lieber Augustin, in die die Improvisation mündet.

{image}Die Ordner haben wieder Oberhand, das Publikum sitzt und Woodstock ist mehr als 40 Jahre her. Um die Zeitreise wieder anzutreten spielt die Band danach Led Zeppelins Whole lotta love in einer Version, die erkennen lässt, dass Santana sowohl die 79er-Liveversion als auch das Acidjazz-Cover von Goldbug als Inspiration gedient hat. Evil ways danach zieht noch einmal alle Register, sowohl Santana als auch die Percussionisten und auch die Bläser haben ihre Spots. Zu guter letzt hält Santana selbst noch eine Ansprache ("We focusss on love"), in der Lennon, Dylan, Jesus, MLK, Buddah und außerdem jedes Wort, das die Hippies jemals positiv besetzt haben, vorkommt. Die Oberstudienrätinnen skandieren das Mantra "Light And Love", die Zahnärtze filmen das alles mit ihrem Smartphone und der bekiffte Mittdreißiger hat leider nicht so lange durchgehalten. Schade für ihn, hätte ihm bestimmt zugesagt. Vor allem hätte er wohl seine Freunde an der stimmigsten Coverversion von dem aktuellen Album – Sunshine of your love – gehabt. Um das Woodstock-Feeling weiter zu beschwören flimmern gar zu Beginn der ersten Zugabe Ausschnitte aus dem Woodstock-Film über die Leinwand, die die Band bei ihrem legendären Auftritt zeigen, wie sie das gleiche Lied (Soul sacrifice) spielt.

{image}Dann geschieht etwas Unerwartetes: Santana bittet einen jungen Mann aus dem Publikum auf die Bühne und übergibt diesem seine Gitarre. Und der Jüngling legt los und klingt genauso wie Santana. Sein Sohn? Zufall? Letzteres, wie sich nach dem Konzert herausstellt. In der ersten Reihe stand ein junger Mann, der extra aus Bad Hersfeld zu dem Auftritt gereist war und durch sein Aussehen oder die Art wie er Santana verfolgte, diesem auffiel. Dass Santana ihn auf die Bühne holte und ihm seine Gitarre in die Hand drückte war für ihn völlig überraschend – umso verwunderlicher, dass er sich davon nicht beeindrucken ließ und in der richtigen Tonart sofort ein Solo hinlegte, das die These "It’s the player, not the equipment, that makes the sound" glatt widerlegte.

Alles in allem legten Santana und Band in einer zweieinhalbstündigen Show die musikalische Grundlage für eine Woodstock-Party im Ü-40-Stil, die die echten Grausamkeiten aus dem aktuellen Album (While my guitar gently wheeps!) aussparte. Sonst wäre es tatsächlich eine Woodstock-Version von Ricky King geworden. Nur lauter!

Setlist:

Don Quixote/Back in black | Mandos contera | Aye Aye Aye/Para Los Rumberos | Black magic woman | Oye como va | Maria Maria | Foo foo | Corazon Espinado | Drumsolo | Jingo | Instrumental/Oh Du lieber Augustin | No one to depend on | Whole lotta love | Evil ways/A love supreme | Sunshine of your love |
Smooth/Dame tu amor
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Woodstock chant | Soul sacrifice | Bridgeroom/Into the night | Love, Peace & Happiness/Freedom

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