Inhuman - This Is Not A Warning

Inhuman - This Is Not A Warning © Monogenuss Records

Für die wahrscheinlich letzte aufgelegt-Ausgabe, bevor das regioactive.de-Team mit dem Streit darüber beginnt, welche Alben es in die Jahrescharts schaffen werden, haben wir nochmal tief in den hauseigenen Artist-Pool geblickt. Allen voran machten Inhuman jüngst ordentlich Wind: Neben dem neuen Werk stach vor allem auch das Video zur Single hervor. Ob das Album die Erwartungen erfüllt, und was Nungo, Hellespont Fairfax und die anderen Bands anzubieten haben, das lest ihr hier.

Inhuman * nungo * The Strange Death Of Liberal England * Wortmord * Hellespont Fairfax *

Inhuman – This Is Not A Warning | Monogenuss Records

{image}Man kann an eine neue Veröffentlichung aus der Schublade "Modern Rock" nicht mehr vollkommen unvoreingenommen herangehen. In den letzten Jahren ist hier schlicht und einfach zuviel Musik erschienen, die zum einen vollkommen gleich klang, zum anderen dazu noch sehr einfallslos. Modern Talking als ganzes Genre sozusagen: Kannte man eine Band und ihren Sound, hatte man eigentlich auch schon alles andere gehört. Dankenswerterweise hat das Leben immer wieder Überraschungen parat, in diesem Fall Inhumans Debütalbum This Is Not A Warning. Wobei man auch gleich einwenden muss: Wer den bisherigen Weg der Band verfolgt hat, sah das bereits kommen. Die vier Hessen haben in der Vergangenheit vieles richtig gemacht, das Endorsement von beyerdynamic und der Vertrag mit dem Label Monogenuss sprechen da für sich. Jetzt also die Veröffentlichung des Debütalbums, auf dem sich elf Tracks versammelt haben.

Der Einstieg erfolgt mit dem titelgebenden Not A Warning, das direkt ohne viel Spielerei losgeht und den Kurs des Albums vorgibt: Technisch solide und einfallsreiche Grundarbeit an den Instrumenten gepaart mit Refrains, die man irgendwann mitsingen muss. Und so geht es auch weiter, beispielsweise mit Silence Is Over, bei dem die Band verschiedene Ideen in einen Song großartig einbaut. Der Track stammt zwar wie einige andere auf dem Album von der gleichnamigen EP aus dem Jahr 2008 und hatte damit etwas Reifezeit, wirkt aber beileibe nicht altbacken (wie die EP wurde übrigens auch das Album in den Spacelab Studios aufgenommen). Another Gun, ein neues Stück, geht danach in die etwas härtere Ecke. Ganz anders die beiden Songs Golden und Photograph. Ruhig wird es hier, wobei Photograph leider in zu seichtes Fahrwasser gerät und nicht wirklich überzeugen kann. Schade, aber jeder kann mal ausrutschen. Deswegen verzweifle nicht, lieber Hörer, denn What You Get zieht dich sofort wieder hoch und glänzt mit seinem Refrain. Bad Bad Baby hat am Anfang eine schöne dreckige Gitarre, baut sich auf und wird schneller und schneller: "Why are you so scared?". Genau, muss man nicht sein. Auch hier ist es wieder besonders der Refrain, der das Lied ins Ohr frisst. Die Band sollte ihre Songs nur daraus bauen. Goodbye und Roll The Dice/This Is The End schmeißen den Hörer am Ende raus. Letzteres geht nach lautem Hauptteil in einen ruhigen Schluss über: "Someday We'll Die/ Let's Celebrate Our Heartbeat/ While We're Still Alive". Klingt beim Lesen leicht schnulzig, wird beim Hören aber ein krönender Abschluss eines guten Albums. Davon könnte die Schublade "Modern Rock" mehr vertragen, musste sie in den letzten Jahren wirklich viel verkraften. Verdient hat sie das, was Inhumans Debütalbum, das seit dem 22. Oktober auch als CD erhältlich ist, toll zeigt.

Wertung: ++++ (Stefan Berndt)

 

Nungo - ernten was wir sehen | Eigenvertrieb

{image}Nungo? Da war doch mal was. Genau, denn Gitarrist Johannes Kohrs hatte sich im März den Titel Leadgitarrist 2010 sichern können, verliehen von regioactive.de und guitar. Dass er im Juli auch noch bester E-Gitarrist Deutschlands wurde, zeigt, dass die Leser zuvor richtig abgestimmt hatten. Überzeugen von den Qualitäten seines Gitarrenspiels kann man sich nun auf der neuen EP von nungo, die den Titel ernten was wir sehen trägt. Vier Studiotracks, ein Stück mit dem Titel Reprise (der nicht zuviel verspricht) und zwei Demoaufnahmen versammeln sich auf der Platte, die man im Shop der Band für 7 Euro kaufen kann. Dass sich die Investition lohnt, sei schon einmal vorausgesagt. Los geht es mit Feier den Moment. Der Song steigt mit Schlagzeug ein, Sänger David Schlindwein setzt hinzu: "Das ist mein Leben/ Das ist mein Tag/ Und es geht weiter, immer weiter/ Ich feier den Moment". So klingt es auch, denn das Stück ist eine eingängige Nummer, die auf den Punkt gebracht wurde. Bleiben Wie's War drängt dem Hörer darauf ein "uhnanananana" direkt ins Ohr. "Auch wenn nichts mehr so bleibt wie es war" – dass der Song so beeindruckt, wäre zwar übertrieben, nungo sind aber näher dran als viele andere Bands. Ruhig wird es dann mit Frei sein, Ernten was wir sehen, der titelgebende Track treibt schließlich nach vorn und zeigt nochmal deutlich, dasss neben der teilweise prämierten Arbeit an den Instrumenten (über Bass und Schlagzeug kann man auch nicht meckern, ganz im Gengenteil!) nungos Stärke die Texte sind. Auch nicht mehr selbstverständlich in der heutigen Zeit, in der das Wort "fremdschämen" in den Duden gekommen ist. Bei der Band aus Frankfurt gibt es dazu aber keinen Anlass. Reprise nimmt Bleiben wie's war noch einmal kurz auf und trennt das Studiomaterial von den folgenden zwei Demos. Erstere ist Dein Licht, das nur vom Klavier beziehungsweise Keyboard getragen wird. Man hört dem Track den Democharakter deutlich an, ansonsten bildet er aber ein wunderbares Gerüst für eine "vollwertige" Aufnahme. Dass Sänger David sein stimmliches Können eindrucksvoll zeigt, sei dabei nur am Rande erwähnt. Zurück zu dir, die zweite Demonummer, ist ein reines Instrumentalstück und markiert das Ende mit schöner Gitarrenarbeit. Bleibt eigentlich nur eine Frage: Wann kommt das Album?

Wertung: ++++ (Stefan Berndt)

 

The Strange Death of Liberal England – Drown Your Heart Again | DevilDuck

{image}Der Name der Band ist schon einmal gut. Jetzt kommt es nur noch darauf an, dass die Musik die geweckten Ansprüche nicht enttäuscht. Doch das erste Album des Quintetts aus Großbritannien hält diesen stand. Powerpop mit allem drum und dran, Orchester, Chor, und, und, und.... Hier werden gleich auf der ersten Platte mal möglichst alle Register gezogen, und das klappt dann auch noch. Drown Your Heart Again fängt mit dem dringlichen Flickerung Light an und gibt so die Richtung vor: Euphoriepop mit eingängigen Melodien und einer Prise Melancholie. Dabei ist die sonore Stimme von Sänger Adam Woolway immer ein wenig der Gegenpart für die zuweilen etwas zu überschwängliche Musik. Mit Rising Sea geht es eingängig weiter, doch wie schmal der Grat ist, auf dem sich The Strange Death of Liberal England bewegen, zeigt sich etwa in Lighthouse, das etwas zu poppig und vorhersehbar geraten ist. Doch dieser Schwachpunkt wird mit Shadows und Come On Your Young Philosophers! wieder ausgeglichen. Am Ende des Albums stehen dann mit Yellow Flowers und Dog Barking At The Moon zwei langsamere Lieder. Auch bei The Strange Death of Liberal England scheint die Euphorie einmal etwas nachzulassen. Die Musik der Band ist sehr aufwendig produziert und bewegt sich dabei etwa zwischen Arcade Fire und Mumford and Sons. Keine schlechte Referenz für das erste Album. Live ist die Band in Deutschland im November zu erleben. Es könnte sich lohnen.

Wertung: ++++ (Thomas Laux)

 

Hellespont Fairfax – StickUp | Eigenvertrieb

{image}Bis dato war die hauptsächliche Möglichkeit, sich ein Bild von Hellespont Fairfax zu machen, der Besuch eines ihrer Konzerte. Bisher nur mit einem Demo ausgestattet, gab es davon respektabler Weise ordentlich viele, und einige davon mit großen Erfolgen: Erst jüngst schaffte es die in Mannheim gegründete Band, die sich teils aus Musikern einiger anderer regional sehr bekannter Bands zusammensetzt, in das Finale des rheinland-pfälzischen Landeswettbewerbs "Rockbuster" und konnte dort den dritten Platz belegen. "Atmosphärisch dichte Momente" würde sie kreieren, so das Urteil der Jury. Festzuhalten ist: Endlich gibt es mit der EP StickUp auch einen ins Silber gepressten Happen Fairfax für den heimischen Gebrauch. Kurz gesagt halten Hellespont Fairfax hierauf genau das, was sie sowohl live als auch in ihrer Bandinfo versprechen, nämlich einen Sound irgendwo zwischen bekannten Rockbands der Neunziger und einem Blick ins 21. Jahrhundert. Zu den unverkennbaren Vorbildern ihrer Musik darf man ohne Zögern Acts wie Faith No More, H-Blockx, plus je einen Hauch Alice in Chains und RATM, sowie alles, was sich in ähnlicher Schiene bewegt, zählen. Besonders dem Gesang merkt man an, dass vor deutlich erkennbaren Referenzen nicht zurückgeschreckt wird. Sind diese Referenzen aber so gut wie im Falle von StickUp und noch dazu in guten Songs untergebracht, dann kann man damit viel gewinnen, denn dass diese Musik nach wie vor eine große Zahl an Anhängern hat, ist kaum von der Hand zu weisen. Hellespont Fairfax präsentieren sich auf StickUp zudem als exzellente Musiker und Songwriter. Anspieltipp ist das atmosphärisch dichte und zugleich drückend kräftige Have you Ever, das in seinem Chorus wirkt, als sei dies das definitive Fazit zu allen Hooklines, die sich auf Faith No Mores Alben Real Thing bis King for a Day finden. Wenn's als nächstes Richtung Album geht, dann möchte man sich für dieses dennoch einen weiteren Schuss "21. Jahrhundert" in der Musik wünschen. Gelingt das, dann werden Hellespont Fairfax zu Anwärtern auf die 5-Sterne Topwertung. Für die EP bleibt es bei guten 4 – wir empfehlen, bei Konzerten oder im direkten Kontakt mit der Band zuzuschlagen, und sich StickUp zu besorgen.

Wertung: ++++ (Markus Biedermann)

 

Wortmord – Wortgeburt | Sunny Bastards Music

{image}Wenn das Wort Deutschrock fällt, haben viele Menschen vermutlich eine klare Vorstellung. Auch die Beschreibungen Metal und Punk "mit deutschem Text" sind meist alle gemeinsam in ein Schema einzuordnen, das man sofort zu erkennen glaubt. Anders jedoch bei Wortmord, die keiner deutschsprachigen harten Rock/Metal-Band ähnlich klingen. Das Gespann um Ex-Sodom-Gitarristen Peppi, auch bekannt als Grave Violator, spielt eine gelungene Mischung aus deutschsprachigem Hardcore- und Streetrock, kombiniert mit Thrash Metal. Die Band verarbeitet ihre eigenen Themen mit direkten und deutlichen Worten in den Texten und klingt dabei auch noch verdammt eigen. Nachdem die älteren Herren gemeinsam etwas Erfahrung gesammelt hatten, premierten sie live beim Chris Witchhunter Memorial Concert im Jahre 2009 (Witchhunter war ehemaliger Sodom-Drummer).

Nun kommt ihr Debütalbum Wortgeburt auf den Markt, mit dem sie zeigen wollen, dass sie noch lange nicht zu alt für Neues oder gar zum Rocken sind. Elf deutschsprachige Tracks, alle wie eine Faust ins Gesicht, durchleuchten gesellschaftliche sowie politische Probleme und lassen auch Privates einfließen. Lieder, die deutlich mit Leidenschaft geschrieben wurden. So schaffen Wortmord es, die Aggressivität mit Harmonie zu verbinden und in Tracks zu fassen; frei von jedem Klischee über deutsprachige Rockprojekte wie die Onkelz oder Rammstein. Allein ein Blick auf die Titel Einfach mal die Fresse halten, Die Feile im Mund oder Zum Leiden geboren lassen den Hörer erahnen, dass hier nicht mit Kissen um sich geworfen wird. Für Die Feile im Mund gab es auch noch einen Gastauftritt vom Kreator-Sänger Mille, welcher mal kräftig ins Mic shouten durfte. Um bei Gastmusikern zu bleiben, sollte man das zwölfte beziehungsweise ebenfalls auch 13. Lied (ein Hidden Track im Bonus Track!) beachten, die beide Coverversion des Sodom-Songs Bloody Corpse sind, letztlich auch das einzige englische Material auf dem Album. Tom Angelripper persönlich gibt sich hier die Ehre, die Vocals zu übernehmen. Einmal mit dem Wortmord-Sänger Uli im Wechsel, einmal solo. Leider muss man sagen, dass gerade dieses englischsprachige Cover am besten die Gehörgänge erobert und der Rest der Scheibe zwar abwechslungsreich und neu ist, jedoch nicht genug überzeugen kann, um das Oldschool-Thrash-Stück zu übertrumpfen. Da helfen leider auch keine hochkarätigen Gastmusiker.

Wertung: +++ (Jan Philipp Brand) 

 

So werten wir:

+

schnell auf ebay damit, bevor es jemand merkt

++

hier mangelt es an so einigen Ecken und Enden

+++

das kann sich wirklich hören lassen

++++

ein TOP-Album

+++++

definitiv ein "must have"