Fritz Kalkbrenner

Fritz Kalkbrenner © Eddy Kruse

Fritz Kalkbrenner ist nicht nur der Bruder des bekannten Berliner Produzenten und Elektro-DJs Paul Kalkbrenner - mit dem er den Song "Sky And Sand" produzierte, der zur Hymne des Films "Berlin Calling" avancierte - sondern er ist auch selbst Musiker und Journalist. Vor kurzem veröffentlichte er sein Debütalbum "Here Today Gone Tomorrow". Unser Redakteur Daniel Voigt traf Fritz Kalkbrenner in Berlin und sprach mit ihm über sein Album, die Leidenschaft zum Techno und die Förderung junger Musiker.

{image}regioactive.de: Hattest du als Bruder von Paul Kalkbrenner je das Gefühl, musikalisch in seinem Schatten gelebt zu haben?
Fritz Kalkbrenner: Nein. Durch die ganzen medialen Aufmerksamkeiten heutzutage sind zwar ganz viele neue Geschichten aufgemacht worden, aber innerhalb der Technoszene haben wir uns eigentlich immer auf Augenhöhe befunden. Ich habe mir einfach nur ein bisschen mehr Zeit gelassen, meine Musik auf die Welt loszulassen.
Wie kamst du zu deiner Musik?
Fritz: Das hat sich ganz natürlich entwickelt. Wenn man in Berlin nach dem Mauerfall und dazu noch in einem urbanen Umfeld aufwächst, fällt es vielleicht auch leichter, sein persönliches Faible zu finden. Aber es fand keine zielgerichtete Wahl auf eine bestimmte Leidenschaft statt. Das findet man nicht, das findet einen.

Hast du früher nur Techno gehört oder auch andere Musikrichtungen?

Fritz: Nein, in den 90ern habe ich auch ganz viel Eastcoast-HipHop gehört. Allerdings widerspricht sich das sich nicht mit meiner Leidenschaft für Techno, da für mich beides ein urbaner Ausdruck ist. Beide können gleichwertig nebeneinander koexistieren und sind lediglich unterschiedliche Ausdrucksformen ein und desselben Huts.

Welche Vorbilder hattest du?

{image}Fritz: Hunderttausende. Wir haben wahrscheinlich kaum die Zeit, um die hier alle aufzuzählen. Da muss man mit Demut rangehen. Alle waren sie groß. Nick Drake oder Wu-Tang Clan.

Was hat dich speziell an Techno fasziniert?

Fritz: Wenn es ein selbstverständlicher, dein ureigener Ausdruck ist, dann kannst du nur schwer sagen, warum du etwas toll findest. Das kann man kaum beantworten. Mir zumindest fehlt da das Recht der Deutungshoheit, warum dies oder das so ist. Es hat mich gegriffen und nicht mehr losgelassen.

Du hast anfangs vor allem als Journalist gearbeitet. Wie bist du vom Journalismus zur Musik gekommen und was magst du an diesen beiden Berufen? Welche Unterschiede gibt es bei der Herangehensweise?

Fritz: Die ersten Beats habe ich schon mit 17 Jahren produziert. Und die ersten journalistischen Sachen machte ich mit 19 Jahren. Deswegen hat das beides schon immer koexistiert. Das eine war der Beruf, den ich sehr gern gemacht habe. Das andere war und ist das Hobby und meine ureigenste Leidenschaft. Das ging dann soweit, dass man als Musiker Sachen veröffentlicht hat, aber vom Beruf des Journalisten gelebt hat. In den letzten zwei, drei Jahren hat sich der Journalismus bei mir dann immer mehr hinausgedrängt, sodass ich jetzt nur noch ausschließlich Musik mache. Da fand ein ganz schleichender und natürlicher Wechsel statt. Am Ende gewinnt da natürlich immer die Leidenschaft. Zumindest, wenn man damit Geld verdienen kann.

Wie würdest du deine Musik in journalistischen Worten beschreiben?

Fritz: Von der Abstraktion her ist die Musik tief in der Technoszene verwurzelt. Ob man das jetzt unbedingt Techno nennen muss, das steht auf einem anderen Blatt. Auf jeden Fall ist es mein eigener tief-religiöser Ausdruck, der mit einem Fuß im Club, mit dem anderen Fuß zuhause auf dem Sofa steht. Bei mir schlagen da zwei Herzen in der Brust. Auf der einen Seite steht die Leidenschaft für die reine Clubproduktion, auf der anderen Seite habe ich das Bestreben, meine Emotionen und Gefühle als Songwriter auszudrücken. Ich habe versucht, auf dem Album beides zu versöhnen.

Was für Unterschiede siehst du zwischen der Musik deines Bruders Paul und dir?

Fritz: Pauls Musik ist im guten Sinne elektronisch kälter, während ich versuche, einen organischeren Zugang zur Musik zu finden. So versuche ich zum Beispiel auch klassische Instrumente zum Einsatz zu bringen. Paul ist da ein bisschen zackiger. Wahrscheinlich ist das auch so, weil er früher zum Techno kam, da er eben auch vier Jahre älter ist. Er ist wahrscheinlich noch mehr dem Techno zugewandt, während ich ein bisschen mehr auf House schaue. Und Pop ist bei mir auch dabei.

Dein Debütalbum heißt Here Today Gone Tomorrow. Wie kamst du auf den Albumtitel?

Fritz: Es gibt einen Titel von den Ohio Players, einer Soul-Kombo aus den späten 60er Jahren, die auf ihrem ersten Album aus dem Jahr 1969 einen Song hatten, der Here Today Gone Tommorow hieß und den ich super fand. In ihm geht es um eine Frau, die sich verantwortungslos der Männerliebe bedient und dann plötzlich fort ist. Das hat mit meinem Album zwar jetzt nichts direkt zu tun, aber ich habe die Essenz sehr gut gefunden, weil der auch grundlegende sorgenvolle Gedanken einer Künstlerexistenz oder speziell auch einer Musikerexistenz beschreibt. Ich muss mich diesen Fragen stellen und versuchen sie auszuhalten, wenn ich sie nicht schaffe mir selbst zu beantworten. Heute ist man zwar hier, aber es stellt sich immer die Frage, wo man morgen ist. Denn das Musikbusiness ist ein brüchiges Business und da muss ich mir diese Fragen stellen. Mir geht es zwar im Moment ganz gut, aber man sollte sich diese Seite auch immer vergegenwärtigen. Vergänglichkeit spielt da eine große Rolle.

{image}Gewandelt hat sich da ja auch der Arbeitsprozess. Früher gab es die geregelte 40-Stunden-Woche, heute läuft viel über Projekte und die ständige Suche nach neuen und weiteren Projekten. Was hältst du von den neuen Arbeitsmodellen, in denen man zwar immer neue Herausforderungen annehmen muss, aber nie auf einer sicheren Basis im Hinblick eines sicheren Arbeitsverhältnisses steht?

Fritz: Toll ist das natürlich nicht immer. Ich finde es nicht in der Hinsicht nicht gut, dass ich weiß, dass mir sehr viel abverlangt wird, aber ich habe die nebulöse Vorahnung, dass es anders gar nicht geht und anders gar nicht sein sollte. Es fürchtet uns, dass wir ständig dazu aufgefordert sind, uns zu reiben und neue Herausforderungen zu suchen. Aber wir haben es ja nicht anders gewollt. Und Langeweile kommt so in jedem Fall nicht auf. Denn wo es Sorgen gibt, da gibt es auch keine Langweile.

Hast du Ideen für Verbesserungen dieser Arbeitsprozesse?

Fritz: Natürlich spielt Geld da eine zentrale Rolle. Ansonsten habe ich im täglichen Leben und im Arbeitsprozess eher weniger Ideen als im kreativen Leben. So darf man nie aufhören weiterzudenken. Denn mit der Stagnation ist man schon so gut wie tot. Zum Beispiel habe ich schon auf diesem Album Studiomusiker eingeladen und überlege nun, ob ich beim nächsten Mal vielleicht dazu noch einen richtigen Drummer einladen soll.

Deine Songs sind auf der einen Seite instrumentale Stücke, auf der anderen Seite finden sich aber auch immer wieder Gesangsparts von dir in den Songs. Wie wichtig sind die Gesangparts und was verändern sie an den Songs?

Fritz: Die Gesangsparts machen die Songs zu richtigen Popsongs. Ob ich Gesangsparts verwende entscheide ich aber spontan. Erst gibt es die Produktion im Demostadium und wenn ich da erkenne, dass der Song das hergibt und das möchte, dann schlage ich eine neue Richtung ein. Dann wird er anders in den Gedanken arrangiert, dann denkt man über Vocals nach, Textideen werden ausprobiert, man stellt sich die Frage, was für eine Thematik angesichts des Sounds textlich dazu passen könnte und das geht dann immer weiter, bis sich ein bestimmter Songcharakter herausbildet. Dann geht es weiter mit der Frage, wie und was ich inhaltlich ansprechen möchte, wie wichtig das für mich ist und wie persönlich ich werden will. Denn da drin ist ja nicht nur Jubel, Trubel, Heiterkeit, sondern auch die Schwere des Lebens vorhanden. Das sind schwere Themen des Lebens, die man unbedingt auch einfließen lassen muss. Von der Philosophie bis zur Liebe. Einmal ausgesprochen geht es einem besser.

Könntest du dir vorstellen, den Techno auch einmal sein zu lassen und eine Karriere als Songwriter zu starten?

Fritz: Man soll nichts ausschließen. Es kann auch sein, dass ich mich in 6 Jahren mit einer Gitarre auf eine Insel zurückziehe. Ich will es nicht ausschließen, aber die Prägung ist schon so lange vorhanden und hat mich immer noch nicht losgelassen. Vielleicht wird es irgendwann gediegener. Aber wenn ich den Weg als Songwriter starten sollte, dann bin ich mir sicher, dass irgendwann auch eine Rückkehr stattfinden wird.

In deiner Musik kann man auch Elemente wie Country und Soul wiederfinden. Wie wichtig ist es dir, Techno mit anderen Stilelementen zu verbinden?

Fritz: Wie wichtig oder nicht, diese Frage kann ich mir gar nicht stellen. Ich höre zuhause keine Clubmusik, sondern höre dort alles Mögliche. Und das beeinflusst mich dann, bestimmte Elemente in meine Musik einfließen zu lassen und zu verwenden. Ich finde das ganz wichtig, denn so entdeckt man immer wieder neue Ufer. Wenn du jetzt nur Elektro hörst, drehst du dich einfach irgendwann immer nur noch im Kreis und der Tellerrand wird immer kleiner und kleiner. Und wo sollen die neuen Einflüsse herkommen, wenn nicht von woanders? So weiß ich aber, dass ich diesen Weg mal weitergehen kann. Auch wenn ich natürlich nicht weiß, wo der hingehen wird. Da muss man sich überraschen lassen.

{image}Wo steht deiner Meinung nach heute die Technoszene?

Fritz: In Berlin müssen wir uns keine Sorgen machen. Hier gibt es wahrscheinlich mehr DJs als Taxifahrer. Es gibt genügend Clubs, es gibt genügend Veranstalter und eine gute Szene. Das ist hier ein sicheres Schiff, ein kultureller Bestandteil sowie seit den letzten 15 Jahren auch ein kräftiger Devisenbringer für Berlin. So kommen hier pro Wochenende ca. 5000 Spanier mit Easyjet angeflogen und wollen ihren Spaß haben.

In welchem Club spielst du am liebsten?

Fritz: Wenn ich in Berlin bin, dann spiele ich fast nur im Watergate. Da ist man in guter Gesellschaft und vom Clubbesitzer bis zum Barchef kennt man da jeden und spielt mit guten Kollegen. Da fühlt man sich gut aufgehoben.

Dann möchte ich allgemein noch auf die Kunstszene zu sprechen kommen. Und zwar haben viele Musiker Probleme, allein mit ihrer Musik ihr Leben zu finanzieren. Wie könnte man Künstler fördern, damit diese von ihrer Kunst wieder leben können?

Fritz: Man dürfte ihnen wichtige Einnahmequellen nicht verschließen. Das geht schon bei den ganzen Downloads los. Aber darum wird man wohl leider nicht herum kommen. Ansonsten wissen wir ja heutzutage schon, dass man nicht mehr so viel Geld mit seinen Platten verdient wie noch vor zehn Jahren. Das erledigen heutzutage meistens die Auftritte. Entweder schafft man es als Künstler, seine Fans so gut zu binden, dass keiner deine Musik runterlädt oder man spielt eben dreimal so viele Konzerte wie normal. Jungen Bands würde ich eher empfehlen, das Augenmerk auf das Spielen zu legen und dann sein Leben durch die Abendgage zu finanzieren.

Vielen Dank für dieses Interview!

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