Skaten & B Boying (Splash Festival 2010, Gräfenhainichen)

Skaten & B Boying (Splash Festival 2010, Gräfenhainichen) © Hannes Mezger

Tag 2: Augen zu, Augen auf, Augen zu. Augen auf, Augen wirklich auf und immer noch Splash. Ein Glück gibt es den Shuttlebus, da der 20minütige Fußweg sich für den schlaflosen Katerkopf schnell zu einem 2stündigen Immer-wieder-einpennen-Marsch ausdehnen kann.

{image}Der Samstag beginnt am Skatepark, in dem sich die ersten Hals-und Knochenbrecher im Practice auf den Contest einstellen. Nebenan wird fleißig am Angefangenen von gestern weiter gesprüht und vor der Tribüne findet das B-Boy Battle mit Dj Floskel statt. Konzentration. Körperspannung. Breakbeats. Ausgelassenheit am Rande des Circles. Rapper, B-Boys, Writer, männlich wie weiblich, einen sich zu einem geschlossenen Ganzen, in dem jeder Platz hat. Geschlossen, rund und doch (oder gerade deswegen) offen für andere Formen und Körper. Dj Floskel legt gekonnt auf, die Battles sind feurig und alles bleibt fair, wenn auch manche Entscheidungen der Jury in einzelnen Tänzern Unzufriedenheit stiften. Der Splash wacht auf und der Besucher taucht in seinen Traum ein.

Die Orsons bedienen heute als erster Act das Publikum vor der Main Stage und es soll ein fulminanter Auftakt werden. Rap-Urgestein Falk rennt auf die Bühne und covert Ready Or Not von den Fugees. Die Menge kapiert erst nach einigen Sekunden, was gerade vor sich geht. Ist das Falk? Was denn hier los jetzt? Wie gut, Alter! Gelächter, Händeklatschen. Zu allem überraschenden Anfang gibt es noch eine Runde Stagediving von Falk. Die Leute toben und können nach so einem Opening Die Orsons nicht mehr erwarten. "We all live in the Orsons submarine" ertönt es aus einem Chor und die Orsons sprinten an die Ständermikrofone im voller Beatlesmontur. Bobschnitt, Anzug, Originalität, Struktur, ganz groß.

{image}Die Orsons lassen den Fans keine Verschnaufpause und entledigen sich Es fühlt sich gut an ein Orson zu sein singend ihres Outfits. Der Eröffnungsact am zweiten Tag Splash! toppt die Jungs von Snaga & Pillath wegen ihrer tief durchstrukturierten Liveshow. Kaas mimt den Liebesboten, treibt erregende Spielchen mit der Menge, singt sich das Herz aus der Brust, Maeckes und Plan B geben die Backgroundsänger, vereint versuchen sie lauter als der Rest des Festivals zu schreien, was zu einem tosenden Orsons Geschreie der Fans ausartet. "Liebe liegt in der Luft" schmunzelt Kaas mit seinem charmanten Grinsen. Egal was die Orsons auf der Bühne veranstalten, es trifft auf starken Beifall im Publikum. Turn My Swag On. Maeckes an der Gitarre. Seifenblasen in der Luft. Während des Auftritts, schleicht Savas in der Menge umher und schießt Grimassenphotos mit den Zuschauern. Beste Laune bei optimalen Wetterbedingungen. Die Orsons verlassen die Stage nach einem erfolgreichen Gig, der den Leuten noch mehr Lust macht auf den restlichen Tag.

Allerdings gelingt es während des Aufbaus für Brother Ali nicht, die Leute bei Laune zu halten. Das wäre der Job des Hosts. Madness schlendert im Pimp-Outfit über die Bühne und vertreibt, so scheint es, einige Leute mit unbeholfenen Zeilen. Brother Ali rappt dann aber erstklassig und beweist seine Stärke als MC, auch wenn  nicht mehr so viele Menschen versammelt vor ihm stehen und es so aussieht, als würde ein ausgereiftes Handwerk heute niemanden mehr so richtig beeindrucken. Durch das altbewehrte When-I-say-Yes-y'all-say-Yo-Spiel kann er die Aufmerksamkeit der Festivalbesucher jedoch noch einmal zurück gewinnen. Dj Snuggles kommt hinter seinem Pult vor und rückt in das Zentrum der Bühne. Beatbox. Zum ersten Mal dieses Jahr. Und das sogar ziemlich gut. Auf den Beat imitiert er verschiedene Sounds aus Filmen (z.B. Eddie Murpheys Lachen). Dem Publikum gefällt's und Forest Whitaker haut es am Ende nochmal raus.

{image}Zwischenzeitlich soll im Grenada Haus das von der RedBull Academy ins Leben gerufene Forum stattfinden. Im Gespräch: RZA. 10 Minuten warten. In Ordnung. 20 Minuten vergehen. Wo bleibt er denn? 30 Minuten sind vorbei. Abhauen. Schließlich sind zeitgleich andere Konzerte. Der festivalbesucher muss seine Zeit gut einteilen, wenn er möglichst viel wahr- und mitnehmen will. Angekommen an der beeindruckenden Strandlocation spielen Amewu und Chefket gerade mit dem MC von Herr von Grau einen Song, den man sich gerade in aller Kürze anhören kann, bevor das straffe Programm mit den Legenden aus Frankreich auf der Volcano Stage weitergeht. IAM. Eingespielt und aufeinander abgestimmt agieren die Jungs aus Marseille gewohnt stark, obwohl die Mehrheit der Splashbesucher wohl kein einziges Wort Französisch versteht. Aber dafür gibt es ja die Musik. Die Klassiker anno 1997 werden von Akhenaton und Shurikn in bekannter Devise reingehauen und die Leute sind begeistert. IAM kann es. Völlig klar.

Als nächstes kommen die roughen Rapper aus Brooklyn: Boot Camp Clik. Kompromisslos, hart, ehrlich und uglaublich hörenswert. Nacheinander gestaffelt kommen Tek und Steele von Smif'n'Wessum, dann Sean Price und Rock von Heltah Skeltah auf die Bühne und geben alles, was sie haben. Allerdings klingt der Sound nicht mehr so klar und gut abgemischt wie bei den Acts davor. Liegt aber nicht an den Boot Camp MCs. Tek schmeißt sich noch in die Menge, die die Hälfte des Platzes jubelnd füllt. Mehr muss nicht erwähnt werden. Ein 1A-Auftritt – gesagt mit kompromissloser Ehrlichkeit.

{image}Leider bleibt nicht so viel Zeit wie erhofft für ein bisschen Skateboardaction und Getanze auf dem Parkett, denn auf der Aruba Stage wartet ein nicht so geheimer Geheimtip, der unbedingt gesehen werden muss: Fashawn. Der 19-jährige Rapper aus Kalifornien hat jeglichen Respekt verdient, den ein Rapfan ihm erweisen kann. Spätestens nach seinem Album Boy Meets World ist klar, dass die Rapwelt einen neuen Youngster begrüßen kann. Obgleich das Wetter nicht das Sonnenbild abgibt, das man von der Strandarea im Voraus im Kopf hatte, sind die Bodenverhältnisse gut, die meisten Flächen trocken und deswegen der Strand auch gut besucht. Fashawn rappt und rappt und rappt, die Zuhörerschaft staunt und staunt und staunt.

Das Augenreiben der Festivalbesucher kommt nicht etwa davon, dass unter den Besuchern aus Langeweile eine Sandschlacht losgetreten wurde, sonder rührt daher, dass Fashawn alles nur Erdenkliche aus Rap rausholt, was rauszuholen ist, wenn es um das Ultimum an Talent geht. Alleine seine Interpretationen des damals bahnbrechenden Erfolgdebüts Illmatic von Nas sind so gut und ausgereift, dass man kaum glauben kann, dass es sich bei dem Kalifornier tatsächlich um einen U20 Rapper handelt. "It feels so good to be around you" lacht Fashawn ins Mic und jeder weiß, dass das absolut ernst gemeint ist. Das Publikum tobt und verstummt plötzlich, als Fashawn gegen Ende einen Freestyle ankündigt. Unfassbar. Wenn man erkannt hat, dass man nicht erkannt hat, dass er freestylt, ist das ein deutliches Zeichen für einen überdurchschnittlich talentierten Künstler. Fashawn – Ein absolutes Highlight beim diesjährigen Splash!.

{image}Schnell ein Bier auf dem Weg zur Hauptbühne und nicht zu spät kommen, denn die guten Plätze sind begehrt bei dem Headliner am Samstagabend: Wu-Tang-Clan. Ausgelassene Stimmung herrscht sowohl auf, als auch vor der Bühne und die gesamte Splash!-Anhängerschaft schaut den Rappern zu. Vor allem sticht Method Man heraus, der das Komplettpaket eines Rappers darstellt. Ein Sonnenscheinlächeln, das die Wertschätzung des Deutschen Publikums wiederspiegelt, genau das richtige Maß an Gesten und erstklassige Entertainereigenschaften. Während er rappt, steigt er auf die Hände der Zuschauer, badet stehend in der Menge und lässt sich zum Refrain auf die hochgestreckten Hände, die allesamt ein Stück Method Man greifen wollen, fallen.

{image}Die Atmosphäre kocht heiß und die Wu-Tang-Rapper liefern einen soliden Auftritt, wie er von einem Headliner erwartet wird. In dem Fall: Ohne große Schnörkel und in jedem Fall die Reise in den Osten Deutschlands wert. Unter den Fans kommt es zu kleinen Auseinandersetzungen, aber ohne dass die Securities eingreifen müssen. Dieses Jahr steht der Spalsh! unter einem einigermaßen freundlichen Stern. Die Festlichkeiten verteilt sich wie des Nachts zuvor auf die Zelte auf dem Gelände und dem Zeltplatz und überall geht es zu wie auf dem Pausenhof. Gespräche, Geschreie, Geraufe, Geschlechter, Gemeinsamkeiten. Und die Augen wollen und wollen nicht mehr zufallen.

Weiterlesen: Splash!, Tag 3

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