Impressionen Samstag (live bei Rock am Ring 2010, Samstag)

Impressionen Samstag (live bei Rock am Ring 2010, Samstag) © Thomas Galambos

Was haben Metallica, Maiden, Santana und Bob Dylan gemeinsam? Alle lieferten sich bereits ein famoses Stelldichein auf der noch famoseren Rennstrecke in der tiefsten Eifel. Eine Strecke, die seit 1985 nicht nur wegen ihrem horrenden Verschleiß an Motorsportlern, sondern auch dem alljährlichen Wahnsinn rund um RaR bekannt ist. Anlässlich des 25. Jubiläums packte Festival-Godfather Marek Lieberberg noch einen drauf: Neben einem dick geschnürten Line-Up spendierte er noch einen zusätzlichen vierten Festivaltag.

{image}Dass das diesjährige Festival nicht ohne Superlative auskommt, war schon im Vorfeld klar. 85 Bands, drei Bühnen, vier Tage Wahnsinn und über 85.000 verkaufte Tickets, die schon Ende März restlos an den Mann gebracht wurden. Das sich dann auch noch die Wettergötter gnädig zeigten, grenzte knapp an einem Wunder. Entgegen der althergebrachten "Rock am Ring"-Tradition, die sich auf Kälte, Regen und gefühlten Minusgraden besinnt, wurden den Ringrockern dreieinhalb Tage bestes Festivalwetter beschert. Und das zum Leidwesen der Sanis, deren Kochsalzlösungsbedarf dem Bierverbrauch Konkurrenz gemacht haben dürfte. Vielleicht sollte man die (eigentlich ja bewährte) Bier-Prävention gegen Dehydration überdenken. Einzig Sonntagnachmittag zeigte sich die Eifel von ihrer bekannten, menschenverachtenden Seite: Kälte, Regen und Gewitter weckten nostalgische Erinnerungen an frühere Ringbesuche. Wäre ja auch langweilig gewesen, sein Zelt im Trockenen abzubauen.

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{image}Donnerstagabend wurden die heiligen Pforten zu Europas größter Rock-Pilgerstätte geöffnet und jeder Reisende wurde vor Betreten des heiligen Bodens ausgiebig von den Securities umarmt. Pünktlich zur Primetime griffen die Westfalen von H-Blockx in die Saiten und zeigten mit Songs wie Leave Me Alone, Ring Of Fire und Little Girl, was die Herscharen von den verbleibenden drei Tagen noch zu erwarten hatten. Ein erstes Ringfeeling kam nach dem Auftritt der sichtbar ins Alter gekommenen KISS auf, die ihre zahlreich vertretene Anhängerschaft liebevoll mit "Hello KISS-Army" und Gene Simmons überdimensionaler Zuge begrüßten. Neben der eindrucksvollen Bühnenshow (Gene Simmons kann fliegen!) und dem Abbrennen einer Setlist, die einem Greatest-Hits-Album alle Ehre machen würde, sorgte vor allem die Honorierung und Danksagung an die kürzlich verstorbenen Metallegende Ronnie James Dio für Gänsehaut. Ob hautenges Spandex, Strass und jede Menge Schminke für in die Jahre gekommenen Altrocker die richtige Wahl waren ist fraglich (die Frage danach vermutlich Frevel), aber dennoch ein obligatorisches KISS-Utensil.

{image}Der zweite Festivaltag stand ganz im Zeichen von musikalischem Pluralismus. Neben Rocklegenden wie dem Ex-Guns & Roses-Leadgitarrist Slash und den Nachwuchs-AC/DC’lern Airborne, standen unter anderem auch genrefremde Größen wie die HipHop-Koryphäe Jay-Z und Populärmusiker Jan Delay mitsamt Band auf den Stages. Slash, der sich seine Zeit mit Projekten wie Velvet Revolver und der nach ihm benannten Band Slash vertreibt, zeigte neben perfektionistischem Gitarrenspiel, dass er es auch ohne die Hilfe ehemaliger Bandkollegen drauf hat. Velvet Revolver und Guns & Roses wurden mit Songs wie Sucker Train Blues und Paradise City angemessen vertreten. Headliner an diesem Tag waren definitiv die aus der Stadt der Engel stammenden Rage Against The Machine. Kaum standen die drei Jungs um Zack de la Rocha auf der Center Stage, zeigte sich, was passiert, wenn sich die Energie von über 80.000 Menschen entlädt. Anfängliche Lethargie und Müdigkeit waren in windes Eile verflogen, als die Circle-Pits die letzten Winkel der großzügig aufgeteilten Areale vor der Centerstage erschlossen. Die Chemie stimmte, der Funke sprang über und RATM ließen es sich nicht mehr nehmen, sämtliche Tracks runterzuschmettern, für die sie geliebt und vergöttert werden. Stilgerecht mit empor gestreckter rechter Faust wurden Songs wie Bombtrack, Wake Up und die ultimative Antihymne Killing In The Name Of zelebriert. Ladies and Gentlemen, Rock am Ring.

{image}Am dritten Tag des Festivals dürften vor allem die Rock&Roll-Hardliner und Metalheads auf ihre Kosten gekommen sein. Zwar lockte die Center mit stimmgewaltigen korpulenten Frauen in fragwürdigen Outifts und Everybody’s Darlings wie den Schmuserockern von 30 Seconds to Mars sowie den Elektro-Artrockern von Muse. Wer aber laut und dreckig als Gütekriterien für Konzerte sieht, bewegte sich diesen Samstag keinen Zentimeter von der Alternastage weg. Nachdem dann auch noch Wolfmother ausfielen und durch Gentleman vertreten wurden, war die Standortfrage mehr als geklärt. Als auch noch Hellyeah spontan ihren Gig abgesagt hatten, stand mit As I Lay Dying die erste richtige Band mit Kick-Ass-Faktor vor der mehr als gut besuchten Alterna Stage. Kaum zerrissen die ersten Riffs die schwüle Luft, verwandelte sich der gesamte Bereich vor der Bühne in ein riesiges Moshpit, in dem blaue Flecke und blutende Nasen zu Schönheitsidealen wurden. Ähnliche Symptome traten auch bei den nachfolgenden Lamb of God auf, denen man gerne ihr "Rock im Park – Make some Noise" verzeiht. Dummerweise sorgte das tanzwütige Volk für richtiges Westernfeeling mitsamt Wüstenstaub, als man gezwungen war, sich sein nassgeschwitztes Shirt als Staubfänger in Cowboymanier umzubinden. Ein Zustand, der den ganzen Abend begleiten sollte.

{image}Eine weitere Nummer dieses dritten Festivaltags war der Aufritt der nach einem Drink benannten Stone Sour. Ein Nebenprojekt von Slipknot-Frontmann Corey Tailor, der mit seiner vielfältigen, unter die Haut gehenden Stimme schon bei den Maskenmännern für Gänsehaut sorgt. Leider blieben auch Stone Sour nicht vom Schicksal verschont. Der plötzliche Tod des Slipknot-Bassisten Paul Grey mit nur 38 Jahren Ende Mai traf auch indirekt Stone Sour. Der unerwartete Verlust des Bandkollegen wirkte sich eindeutig auf Corey Tailors Gemüt aus. Dies manifestierte sich vor allem durch das Fehlen der sonst so überpräsenten Wucht und tränenerfüllten Blicken in Richtung Himmel. Gerade bei Songs wie Through Glass wurde dies überdeutlich, vielleicht fand deshalb auch Bother keinen Platz auf der Setlist.

{image}Nach einer kurzen Video-Demonstration, in der Marek Lieberberg zeigte, wie man unkonventionell Torte isst, ohne den Einsatz von Händen oder Besteck, traten nach einem ominösen Feuerwerk die Dänen von Volbeat auf die Bildfläche. Ganz nach dem Bandmotto "Metal even your Mum would like" zog Frontmann und designierter Elvisjünger Michael Poulsen die Massen in seinen Ford T-Bird und erweckte spontan das Bedürfnis, sich die Haare zurückzugelen. Neben der tatkräftigen Unterstützung der Gesangsakrobatik in Pool Of Booze Booze Booza durch Lamb of God-Frontman Randy Blythe, übernahm die bildschöne Pernille Rosendahl den weiblichen Part in Mary Ann’s Place. Schnell, laut und dreckig. Wer könnte einen solchen Tag besser zu Ende bringen als die Thrash-Metaller Slayer, die erfrischenden Blutregen besangen.

{image}Alles geht zu Ende, so auch Rock am Ring – jedoch nicht mit Pauken und Trompeten, sondern eher mit Feuer und Raketen. Der letzte Tag dieses Festivalmarathons fiel wenig Bescheiden aus. Wessen Kräfte noch nicht völlig ausgezehrt waren, konnte seine Augen und Ohren auf die Schickeria der Musikszene werfen. Punkrocker konnten sich bei Bad Religion und Rise Against auspogen, die Gothikfraktion durfte Ville Vallo und seinen Kollegen von HIM beim Rauchen zusehen und die HipHoper im Takt zu Cypress Hills Hits From The Bong ihre letzten Tabakwaren verbrennen. Da keine Revolte bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel stattfinden kann, setze pünktlich zum Auftritt von Rise Against der Regen ein. Da die Eifel keine Kompromisse kennt, war es mit "ein bisschen" nass nicht getan. Nein, sinnflutartige Regenfälle ersetzten die bei den meisten Ringrockern fällige Dusche. Ganz Hartgesottene streckten nicht nur die Faust gen Himmel sondern zogen bei der Gelegenheit auch gleich die Shirts aus. Da aus Gründen wie Drones, Prayer of the Refugee und Ready to Fall eine Unterkühlung völlig ausgeschlossen war, blieb die spontane Freizügigkeit völlig unbedenklich.

{image}Vereinzelt ging das Gerücht um, das schlechte Wetter sei Teil der technokratisch-kühlen Bühnenkulisse der Industrial-Metaller von Rammstein. Dies konnte nach dem Fall des Vorhangs nicht völlig dementiert werden, die Farbe des Himmels ging 1:1 in den blechernen Industrie-Trakt über, der Rammstein als Bühne diente. Gegen die aufkommende Kälte und Nässe halfen zwar Songs wie Keine Lust, Ich Will oder Du Hast, effektiver war jedoch der völlig dekadente Einsatz von Pyrotechnik. Kaum ein Song verging, wie in jeder anständigen Fabrik, ohne Stichflamme oder Explosion. Absoluter Höhepunkt war Sänger Till Lindemanns Ritt auf einer riesigen Schaumkanone, die einem männlichem Glied nachempfunden ist. Gratis Duschschaum zur Openair-Massendusche für die ersten Reihen. Nach einer kurzen Zugabe verabschiedeten sich Rammstein mit Verbeugung. Auf ein abschließendes Feuerwerk zum Festivalende konnte getrost verzichtet werden, denn Rammstein konnte in Sachen Pyrotechnik sowieso nicht das Kerosin gereicht werden. Ganz nach dem Motto: "Krass Alter, bist du Braun! Warst du im Urlaub? – Nee, ich stand bei Rammstein in der ersten Reihe!"

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Fotogalerien zu Rock am Ring 2010

► Live-Fotos vom Donnerstag: KISS & H-Blockx bei Rock am Ring 2010

► Die Festivalimpressionen vom "neuen Donnerstag" bei RaR

► Live-Fotos vom Freitag: Editors, Jay-Z, Kate Nash

► Live-Fotos vom Freitag (2): Rage Against The Machine, Slash, Sportfreunde Stiller

► Die Festivalimpressionen vom Rock am Ring-Freitag

► Live-Fotos vom Samstag: Gogol Bordello, Gossip, Dizzee Rascal, Motörhead

► Live-Fotos vom Samstag (2): Muse, Slayer, Alice In Chains

► Festivaleindrücke vom Samstag: Der halsbrecherische Flug mit dem Jägermeister Hochsitz, die verrücktesten Festivalbesucher, die Stimmung beim Camping, 25 Jahre Rock am Ring.

► Live-Fotos vom Sonntag: The Sounds, Bad Religion, The Hives