Wohin sich Selbstständige und Freischaffende wenden können
Hilfe finden: Leitfaden für Musik- und Kulturschaffende in der Coronakrise (aktualisiert)
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Ausfälle dokumentieren
Ver.di rät Musikerinnen und Musikern, die Verluste etwa durch Veranstaltungs- oder Tourabsagen aufgrund des Coronavirus genau zu dokumentieren. Festgehalten werden sollen dabei u.a. Datum, Uhrzeit, Gehaltsangabe, der Namen des Veranstalters sowie seine Organisationsform (privatwirtschaftlich oder teilweise/komplett öffentlich).
Die Gewerkschaft empfiehlt außerdem, die Verluste prozentual zum Monat bzw. zum Jahr zu schätzen. Eine lückenlose Dokumentation erleichtert es Betroffenen, Ansprüche zu stellen, wenn Notfallmaßnahmen beschlossen sind.
So verfahrt ihr bei Veranstaltungsabsagen
Die Deutsche Orchestervereinigung rät von Veranstaltungsabsagen betroffenen Musikerinnen und Musikern, diese in Abstimmung mit den Veranstaltenden möglichst zu verschieben.
Sollte eine Verschiebung nicht möglich sein, können sich Musiker/innen eventuell auf vertraglich vereinbarte Ausfallhonorare berufen. Fehlt solch eine Vereinbarung, können Betroffene versuchen, auf Kulanzbasis eine Einigung mit dem Veranstalter zu treffen. Für bereits erbrachte Teilleistungen (z.B. Proben) besteht auch bei Absage der Veranstaltung ein anteiliger Honoraranspruch.
Die DOV weist auch darauf hin, dass neben formalen Verträgen auch mündliche oder per elektronischer Message (SMS, WhatsApp andere Messenger-Dienste) geschlossene Vereinbarungen wirksam sind.
Ver.di legt den Musikschaffenden weiterhin nahe, im Falle von Veranstaltungsabsagen mögliche Alternativen zu prüfen und beispielsweise Konzerte zu streamen. Auf diese Weise können Fans möglicherweise zur Spende über Crowdfunding-Plattformen oder Online-Bezahldienste angehalten werden.
Quarantäne – was nun?
Selbstständige, die aufgrund einer Covid-19-Infektion unter Quarantäne gestellt wurden, haben nach dem Infektionsschutzgesetz dann einen Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfälle, wenn sie ihre Arbeit aus der Quarantäne heraus nicht fortsetzen können.
Das trifft auch auf Musikerschaffende zu, die wegen der Quarantäne keine Konzerte spielen können oder an Aufnahmesessions im Tonstudio teilnehmen können. Gleichermaßen gilt das für alle diejenigen, die als Selbstständige oder Freiberufler in der Veranstaltungswirtschaft tätig sind.
Für den Fall, das die Betroffenen ihre Existenz durch die Quarantäne gefährdet sehen, können Mehraufwendungen bei den zuständigen Behörden beantragt werden. Selbstständige, die über keine gesetzliche Kranken-, Renten oder Pflegeversicherung verfügen, können sich bereits erbrachte Aufwendungen für soziale Sicherungen erstatten lassen.
Unternehmen, deren Mitarbeiter sich in Quarantäne befinden, können übrigens im Rahmen der Entgeltfortzahlung eine Erstattung der während der Quarantäne ausbezahlten Löhne beantragen.
Was ist bei der Steuer zu beachten?
Die Bundesregierung hat in Anbetracht der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Lage eine Reihe von steuerlichen Erleichterungen angekündigt. Laut dem Verband Kreatives Sachsen reagieren die Finanzämter auf telefonische Nachfragen derzeit sehr verständnisvoll und unbürokratisch.
Selbstständigen und Freiberuflern soll es laut einer Ankündigung des Bundeswirtschafts- und des Finanzministeriums möglich sein, auf Antrag Steuerzahlungen zu stunden und Vorauszahlungen für Einkommens- und Körperschaftssteuer nach unten korrigieren zu lassen. Bis Jahresende können auch angekündigte Vollstreckungen ausgesetzt und Säumniszuschläge erlassen werden.
Unterstützung im sozialen Bereich
Musiker/innen, deren Einnahmen in nächster Zeit vollständig ausfallen, haben die Möglichkeit, Arbeitslosengeld (ALG) II zu beantragen. Ansprechpartner hierfür ist das zuständige Jobcenter. Im Rahmen eines neuen Hilfspaketes hat das Bundesparlament die Hürden für die Inanspruchnahme von ALG II herabgesetzt; u.a. entfällt die vorherige Vermögensprüfung.
Personen, die in den letzten zwei Jahren in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, sind außerdem berechtigt, ALG I zu beantragen. Dazu wenden sie sich an die jeweils zuständige Agentur für Arbeit. Laut dem VUT können von der Coronakrise Geschädigte Selbstständige außerdem Grundsicherung beantragen; weitere Informationen dazu finden sich hier.
Bei der Künstlersozialkasse (KSK) Versicherte sollten jetzt ihre jährlichen Einkommensprognosen aktualisieren, um die monatlichen Beitragszahlungen zu senken. Das geht ganz einfach mit diesem Formular. Laut eigener Aussage will die KSK bei akuten Zahlungsschwierigkeiten außerdem Erleichterungen gewähren.
Auch abgabepflichtige Unternehmen, die voraussichtlich geringere Umsätze mit künstlerischen bzw. publizistischen Leistungen erzielen werden als im Vorjahr haben die Möglichkeit, die monatlichen Vorauszahlungen auf Antrag reduzieren zu lassen. Auch hier sind individuelle Zahlungserleichterungen bei Zahlungsschwierigkeiten möglich.
Zusätzlich hat der Bund angekündigt, ab dem 1. April 2020 den Zugang zum Kinderzuschlag für Eltern mit Verdienstausfällen zu vereinfachen: Ab April muss nur noch das Einkommen des letzten Monats vor der Antragstellung nachgewiesen werden; bisher speiste sich die Berechnungsgrundlage aus dem Durchschnittseinkommen der letzten sechs Monate.
Auch die Möglichkeit der Verlängerung von Lohnfortzahlungen für Eltern, die aufgrund von Schulschließungen ihre Kinder betreuen müssen und dadurch nicht arbeiten können, werden geprüft. Bisher ist diese Regelung auf wenige Tage begrenzt.
Staatliche Hilfen
Das Bundeskabinett hat am Montag, den 23. März 2020 ein Hilfspaket in Milliardenhöhe angekündigt, das den von der Coronakrise geschädigten Unternehmen, aber auch Kleinstunternehmen und Soloselbstständigen unter die Arme greifen soll (PDF).
Solo-Selbständige und Kleinbetriebe mit bis zu 5 Beschäftigten können für die Dauer von drei Monaten einen Betriebsmittelzuschuss von 9.000 Euro beantragen, Betriebe mit bis zu 10 Beschäftigten einen Zuschuss bis zu 15.000 Euro.
Auch die meisten Bundesländer haben inzwischen Hilfsprogramme, darunter auch Soforthilfen, angekündigt. Genauere Informationen zu Soforthilfen in deinem Bundesland findest du in der folgenden Aufstellung:
- Baden-Württemberg: Soforthilfe Corona
- Bayern: Soforthilfeprogramm für Betriebe und Freiberufler
- Berlin: Soforthilfe II
- Brandenburg: Soforthilfeprogramm für kleine und mittlere Unternehmen sowie Freiberufler
- Bremen: Corona-Soforthilfe
- Hamburg: Ein Schutzschirm für Unternehmen und Institutionen ist in Planung
- Mecklenburg-Vorpommern: Liquidititätshilfen für Freiberufler und MKU
- Niedersachsen: Sofort- und Liquiditätshilfen von Land und NBank
- Nordrhein-Westfalen: Soforthilfe für Künstler/innen und Unterstützung für Kleinunternehmer/innen und Solo-Selbstständige
- Saarland: Maßnahmenpaket für kleine und mittlere Unternehmen
- Sachsen: Soforthilfe der Stadt Dresden
- Sachsen-Anhalt: Soforthilfe für Künstler/innen und Schriftsteller/innen
- Schleswig-Holstein: Schutzschirm zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie
- Thüringen: Corona-Soforthilfeprogramm
Die Stadt Hamburg bietet zusätzlich die Möglichkeit der zinslosen Stundung für Mieter/innen städtischer Immobilien.
Neben Soforthilfen bieten der Bund und einige Länder auch die Vergabe von Darlehen zu angepassten Konditionen an; im Fall des Bundes beispielsweise über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Wir haben diese Mittel jedoch außen vor gelassen, da Kredite gerade im Kulturbereich häufig eine zusätzliche, langfristige Belastung darstellen (können).
Mietrecht
Das Hilfspaket des Bundes enthält eine befristete Lockerung des Mietrechtes: Für einen begrenzten Zeitraum dürfen Vermieter/innen ihren Mieterinnen und Mietern nicht aufgrund von Mietrückständen kündigen.
Weiterhin plant die Bundesregierung derzeit eine Regelung, nach der private und gewerbliche Mieter/innen während der nächsten drei Monate ihre Mietzahlungen reduzieren oder sogar einstellen dürfen, ohne dass ihnen dadurch gekündigt werden kann. Voraussetzung ist, dass die Mieterin bzw. der Mieter seine Zahlungsunfähigkeit wegen der Corona-Pandemie glaubhaft nachweisen kann.
Private Notfallhilfen
- Die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) bietet den Personen aus der freien Szene, die einen Warnehmungsvertrag abgeschlossen und an mindestens einer regulären Ausschüttung teilgenommen haben, eine einmalige Soforthilfe in Höhe von 250 Euro, wenn diese durch Veranstaltungsabsagen in Folge des Coronavirus Honorarausfälle erlitten haben.
- Die GEMA hat eine Finanzhilfe für registrierte Komponisten und Textdichter in Höhe von 40 Millionen Euro gestartet. Gleichzeitig hat die Verwertungsgesellschaft Kulanzregelungen und flexible Unterstützung für Kundinnen und Kunden angeboten, etwa im Falle abgesagter Veranstaltungen.
- Die Deutsche Orchestervereinigung bietet bedürftigen Freischaffenden eine Notfallunterstützung. Informationen zu deren Beantragung finden sich hier.
- Die Deutsche Orchester-Stiftung bietet ebenfalls einen Soforthilfefonds; die notwendigen Informationen zur Beantragung finden sich hier.
Hilfe für Unternehmen
Unternehmen, die mindestens eine Mitarbeiterin bzw. einen Mitarbeiter beschäftigen, können Kurzarbeitergeld beantragen, wenn zehn Prozent der Beschäftigten keine Arbeit mehr haben. Das bedeutet, dass die Bundesagentur für Arbeit 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns übernimmt, wenn eine Firma die Beschäftigten in Kurzarbeit schicken muss.
Die Bundesregierung hat weiterhin die Insolvenzantragspflicht für Betriebe ausgesetzt, um trotz der Auswirkungen von Covid-19 deren Handlungsfähigkeit sicherzustellen. Die Aussetzung gilt befristet bis zum 30. September 2020 und kann im Verordnungswege bis zum 31. März 2021 verlängert werden.
Wie steht es mit Fördermitteln?
Bisher steht noch nicht fest, wie mit Projekten umgegangen wird, die mit Fördermitteln umgesetzt wurden und abgesagt wurden. Der Verband Kreatives Sachsen geht davon aus, dass die Förderstellen die Projektträger in Kürze informieren werden.
Zahlreiche Verbände fordern, dass die Corona-Krise sich nicht negativ auf Zuwendungsempfänger auswirken soll. Bereits verwendete Fördergelder sollten trotz Veranstaltungsausfalls nicht von den Förderstellen zurückgefordert werden. Kulturstaatsministerin Monika Grütters deutete eine solche Möglichkeit bereits an.
Ständige Veränderungen
Für viele Musikschaffende ist die aktuelle Lage aufgrund der beispiellosen Einnahmeausfälle dramatisch. Die Bereitstellung staatlicher Hilfsmittel dauert aber, da erst inhaltliche Fragen geklärt und die rechliche Umsetzung erfolgt sein muss.
Dazu wird es in den nächsten Wochen und Monaten zahlreiche Beschlüsse geben, über die wir euch bei Backstage PRO so umfassend wie möglich informieren werden.
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