The Rolling Stones

The Rolling Stones © Dave Hogan

Sie kommen schon wieder! Kein halbes Jahr nachdem The Rolling Stones unter Beweis gestellt haben, dass sie es immer noch drauf haben, kommt die Zugabe. Was können wir erwarten von den 2018er Gigs der No Filter-Tour? Und: Wie steht es eigentlich um das Album, an dem die Band schon seit einiger Zeit arbeitet?

Der Matsch aus dem Hamburger Stadtpark klebt noch immer an den Schuhen, die seit September Pause hatten, da findet die No Filter-Tour der Rolling Stones bereits ihre Fortsetzung.

Deutschland ist vorne dabei

Dass Mick Jagger, Keith Richards & Co. 2018 auf den britischen Inseln auftreten würden, wurde von den Fans erwartet. Auf der Tour im letzten Herbst hatten die Stones ihre Heimatgefilde ausgelassen, weil angeblich keine geeigneten Locations in ihrem Tour-Zeitfenster zur Verfügung standen.

Für den Frühsommer sieht das jetzt offensichtlich besser aus. Neben den bislang 7 Gigs in England, Irland, Schottland und Wales haben die Stones zudem 5 Konzerte auf dem Kontinent angekündigt. Dabei kommt Deutschland mit zwei Gigs am besten weg. In Frankreich, Polen und der Tschechischen Republik spielen die Stones jeweils einmal.

Die Erwartungen sind hoch

So kommen die Fans hierzulande in das ungewohnte Vergnügen, in zwei aufeinander folgenden Jahren in den Genuss von Stones-Konzerten zu kommen. Das gab es bereits zweimal – nämlich 1998/99 sowie 2006/07, also in gar nicht allzu ferner Vergangenheit.

Die Sorge, dass die Band die Erwartungen an ein Konzert nicht mehr erfüllen kann, sind nach den fulminanten Shows vor gerade mal ein paar Monaten unbegründet. Eine Show mit 22 Songs und vielen lange nicht mehr gespielten Überraschungen wie in Hamburg wird es in Berlin und Stuttgart in diesem Jahr sicher nicht geben, dafür kann man aber hoffen, dass die Band neben den gesetzten Eckpfeilern die eine oder andere unerwartete Nummer aus dem Hut zaubert.

Die Klassiker und der rote Faden

Zu erwarten sind erfahrungsgemäß ungefähr 14 Klassiker. Dabei handelt es sich um Songs, die nur geringfügig variiert werden und die höchstens durch ihren Platz in der Setlist für eine Überraschung sorgen können. 2017 spielten die Stones beispielsweise "Sympathy For The Devil" erstmals als Opener oder performten "You Can't Always Get What You Want" bereits als achten Song. 

Wollten die Stones in diesem Sinne variieren, könnten sie wieder mit "Brown Sugar" beginnen wie zuletzt vor 15 Jahren auf der Licks-Tour. Was für manche nach übertriebener Aufmerksamkeit zum Detail klingen mag, hat jedoch durchaus Einfluss auf den roten Faden, der sich durch ein Stones-Konzert zieht.

Gegen Ende einer Show zieht die Band das Tempo leicht an, während sie sich zu Beginn an das Tempo halten, das seit über zwanzig Jahren Chuck Leavell einzählt. Nicht etwa Charlie Watts oder gar Keith Richards geben also das Tempo vor, sondern Leavell, der seit 1982 bei allen Stones-Gigs an den Tasten sitzt. Songs wie "Jumpin' Jack Flash" wirken als Opener weitaus besser, schwerer und bedrohlicher, als wenn sie als Zugabe gespielt werden. Ein schönes Beispiel dafür lieferte das 2014er-Konzert in Düsseldorf.

Was Fans gerne hören möchten

Wenn die Stones zwei Jahre in Folge denselben Teil der Welt bereisten, haben sie in der Vergangenheit für das jeweilige Folgejahr Songs ins Set aufgenommen, die sie im Vorjahr nicht gespielt hatten. Zu den Überraschungen 2017 zählte, dass sie keine Chuck Berry-Nummer spielten, während Ray Charles, James Brown und B.B. King in der Vergangenheit eine explizite Würdigung erfahren hatten. Vielleicht waren die Stones der Auffassung, dass sie Berry im Verlauf ihrer Karriere und insbesondere in ihrer Anfangsphase so intensiv gehuldigt haben, dass das jetzt nicht mehr nötig sei.

Ganz oben auf der Liste der Lieder, die Fans gerne wieder hören möchten, stehen "Winter" von Goats Heads Soup (1973) und "Torn And Frayed" von Exile On Main Street (1972). Und falls die Stones doch noch mal "Citadel" (Thier Satanic Majesties Request, 1967) spielen sollten, würden die Fans wohl durchdrehen.

Die Geschichte von "Blue & Lonesome"

Viel mehr als die Frage, welche Songs auf den No Filter-Konzerten zu hören sein werden, interessiert sich die Rockwelt jedoch für die Pläne der Veröffentlichung einer neuen Studioplatte mit eigenem Songmaterial. Im letzten Jahr erschien das großartige Spin-off-Projekt "Blue & Lonesome", das an drei Tagen während der Sessions für ein neues Studio-Album aufgenommen wurde. Damals hatte Keith das Gefühl, die Band brauche einen neuen Katalysator und überzeugte Mick, probeweise den Song "Blue & Lonesome" zu spielen.

Natürlich hatte Keith die anderen Musiker im Vorfeld auf diesen Song gebrieft. Das Ergebnis war ein einziger Take, der dann für das Album verwendet wurde, was dazu führte, dass die Stones einfach weiter Bluessongs spielten, und Produzent Don Was nur die Aufnahme-Taste drücken musste.

Ein neues Album?

Es gab dieser Tage einige interessante Interviews mit Keith Richards, Ron Wood und überraschenderweise auch Charlie Watts, der sonst nicht gerade dafür bekannt ist, gern in den Promotion-Ring zu steigen. Bringt man die Informationen, die in diesen Interviews herausgelassen wurden, zusammen, ergibt sich folgendes Bild: Die Stones haben eine beachtliche Anzahl Songs aufgenommen, allerdings sind sie sich uneinig, ob diese Lieder gut genug sind. Keith hat zudem in Aussicht gestellt, dass Fans noch 2018 mit einer Veröffentlichung rechnen können.

Dieser Tage trafen sich Mick und Keith um das bisherige Material zu sichten und sich über weitere Songideen auszutauschen. Mick äußerte sich nicht, aber Keith ließ angeblich sehr positive Signale über das Treffen an die Außenwelt durchdringen.

Einen aktuellen und sehr lohnenswerten Einblick in die DNA der Stones vermittelt im Übrigen das Videointerview mit Charlie Watts und Ron Wood. Allein Charlies Reaktion auf das Stichwort "Last week on Keith's Instagram he posted a picture…" ist das, was man gemeinhin als "priceless" bezeichnet.

Es mag noch ein Weilchen dauern, bis die Platte veröffentlicht wird. Nach aktuellem Stand tun sich für die nähere Zukunft folgende Optionen auf:

  1. Folgt man Keiths Aussagen, besteht eine Chance, dass die Platte noch zum Ende des Jahres 2018 veröffentlicht wird. Fest steht wohl, dass vor Beginn der Tour keine weiteren Studioaufnahmen der gesamten Band geplant sind, während das sehr wohl eine Option für die zweite Jahreshälfte darstellt. Der Vorteil ist: Die Band wäre gut eingespielt, um an den bisher aufgenommenen Songs weiter zu feilen.
  2. Denkbar wäre auch, dass die Band noch vor der Tour einen oder zwei neue Songs als Single veröffentlicht, die dann auch auf der Tour live vorgestellt werden.
  3. Alternativ oder zusätzlich könnte es auch ein Livedokument der "No Filter"-Tour geben, das ähnlich wie vor zwanzig Jahren "No Security" weniger auf x-fach veröffentlichte Klassiker setzt, sondern stattdessen die Rosinen herauspickt. Das könnten dann Songs sein wie "Play With Fire", "Dancing With Mr. D.", "She's A Rainbow", "Doo Doo Doo Doo Doo (Heartbreaker)", "Get Off Of My Cloud", "Sweet Virginia", "Con Le Mie Lacrime (As Tears Go By)", "She's So Cold" sowie die drei gespielten Songs von "Blue & Lonesome". Hinzu könnten eventuell 2018 kommende Raritäten stoßen. Eine reizvolle Vorstellung!
  4. Angesichts des unerwarteten Erfolgs von "Blue & Lonesome" wäre es auch vorstellbar, dass die Stones ein weiteres Bluesalbum auf die Schnelle einspielen und dieses noch vor dem Album mit eigenen Songs veröffentlichen. Keith wäre wahrscheinlich sofort dabei.

Zukunftspläne

Es ist also einiges möglich um die einzigartige Erfolgsgeschichte der legendären Band fortzuschreiben. Natürlich steht alles unter dem Vorbehalt, dass die Bandmitglieder gesundheitlich noch dazu in der Lage sind bzw. schlicht und einfach noch am Leben sind.

Während Keith Richards nicht müde wird zu erklären, dass die Stones immer noch versuchen ein Quäntchen besser zu werden als zuvor (nice try!) und das einzigartige Experiment ihrer Existenz noch weiter ins Unbekannte zu treiben (schon eher!), äußerte sich Charlie Watts kürzlich erstmals konkret zu einem möglichen Ende der Band: Für ihn sei es jederzeit vorstellbar, sich darauf zu einigen aufzuhören, sagte er. Aber das müsse eine gemeinsam in Harmonie getroffene Entscheidung sein, er wünsche keinen Unfrieden. Solange aber "Peter Pan" (gemeint ist Jagger!) noch fit sei, könnten sie noch etwas weiter machen, gab er lakonisch zum Besten. 

Mick Jagger erklärte in einem Interview mit der "Sunday Post", es sei ihm nie in den Sinn gekommen, dass die Auftritte Teil ihrer letzten Tour sein könnten. Irgendwann würden die Stones aufhören – aus welchen Gründen auch immer – aber im Augenblick denke er daran nicht. Also freuen wir uns erst einmal auf die anstehende Tour und sind gespannt, was dieses Jahr noch so alles aus dem Stonescamp kommt!

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