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Antighost (2017) 2 © Daniel Nagel

Antighost sind Christian, Götz und Martin. Gemeinsam produzieren sie in der Werftstraße im Mannheimer Jungbusch geniale Gigposter im Siebdruckverfahren. Wir haben bei ihnen vorbeigeschaut – und ihr könnt das auch.

Beinahe verschluckt durch den dunklen Hofeingang geht der schwach erleuchtete Weg über den Innenhof, dessen Kopfsteinpflaster im schwachen Regen glänzt, und führt auf eine hohe Metalltür zu. Über die Jahre immer fester in ihre Angeln gedrückt, lässt sie sich nur mit einem kräftigen Ruck öffnen. Dann stehen wir direkt im Studio von Antighost.

Kaum größer als eine kleine Werkstatt, an einer Wand stehen Regale mit Sieben für den Druck, Töpfe mit Farbe verteilen sich über mehrere Tische, an der Wand hängen einige experimentelle Ergebnisse – hier ist er wohl, der eigentliche Schaffensraum. Mit einer leichten Kopfdrehung nach links wird der Blick frei auf einen weiteren großen, hellen Raum. Schwarze Foldbackklammern halten die Poster fest, an einem dünnen Drahtseil reihen sie sich eins ums andere die Wand entlang.

Über Geisterbilder

Christian Fernandez, Götz, alias Götzilla und Martin Burkhardt sind bereits da, wie fast jeden Donnerstag. Angefangen hat alles mit einem Kurs zum Siebdruckverfahren des BBK (Betriebsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler e.V.) in der Alten Feuerwache, erzählen sie. Zufällig lernten sie sich dort kennen. Seit 2014 haben sie sich zusammen getan und ihr Lager in der Werftstraße aufgeschlagen. "Gigposter haben wir alle schon gemacht, bevor wir uns trafen. Dann lernten wir uns über den Kurs am BBK kennen. Aber die Möglichkeiten dort reichten bald nicht mehr aus. Also mieteten wir uns hier ein, um was Eigenes zu haben."

Das Studio stand also. Und wie sind sie zu ihrem Namen gekommen? Es wurde viel überlegt, Namen um Namen vorgeschlagen, Ideen hin und her gewälzt und abgewogen. Dann kamen sie auf Antighost. Antighost ist ein ziemlich fieses Mittel, das, man kennt es von Benzin oder Uhu, nicht unbedingt gesund ist, aber doch unnachahmlich gut riecht. Mit dieser Chemikalie können die Farbreste aus dem Sieb entfernt werden, die schemenhaft, wie Geisterbilder, den vorherigen Druck durchscheinen lassen. "Antighost gefiel uns sofort! Komischerweise stand das nie auf einer Liste."

Wir machen’s halt richtig

Wer noch nie ein Gigposter gekauft hat (ich gestehe), den faszinieren zunächst vor allem die Beweggründe: Warum kommen drei Jungs, die alle einen ausfüllenden Job haben, jede Woche zusammen, um mit einem Rakel Farbe auf ein Sieb aufzutragen, zu drucken, das Ganze ausreichend trocknen zu lassen, um dann ein Bild mit einer handvoll Schattierungen und Farbverläufen in der Hand zu halten, und um in einem nächsten Schritt die weiteren Farben aufzutragen? Im Schnitt schafft man so zwei Farben an einem Abend, die meisten Bilder haben vier. Und vor dem Ganzen steht ja noch die Grafik, das Anfertigen der Schablone, Farben auswählen, anrühren, undundund.

Aber dann ist es schon passiert. Im Gespräch mit Antighost fällt der Blick immer wieder auf die Poster. Die Wirkung ist irgendwie anders als bei einem an das Corporate Design angepasste Tourposter. Die Motive sind wilder. Faszinierend. "Für mich ist das Coole an Antighost, dass wir es richtig machen! Wenn man in einer Band spielt, ist es oft so, dass zwei Bock haben und die anderen wollen ein bisschen Musik machen. Das ist hier nicht so. Wir geben alle drei Vollgas. Das merkt man auch."

In honor of the band

Auf der neuen, kürzlich überarbeiteten Website findet man zu vielen Gigpostern über eine kleine Bildergalerie die Entstehungsgeschichte zu jenem Konzertmotiv. Ab und an sind dann auch Christian, Götz oder Martin auf einem der Fotos zu sehen, zusammen mit der Band, für deren Konzert sie das Poster machten. Ein wenig ist ihnen der Stolz anzusehen.

"Es gibt vorher kein Briefing. Wir finden eine Band gut und dann fragen wir bei der Band selbst, dem Veranstaltungsmanagement oder dem Bandmanagement an, ob wir ein Konzertposter herstellen können." Dann beginnt die eigentliche Arbeit, die weit vor dem Siebdruck steht. Vielleicht ein bisschen so wie bei einem guten Wein, der, bis er ins Glas kommt, über eine lange Kette kleiner Arbeitsschritte musste. "Die Grafiken machen wir alle selber. Wir beide mehr am Computer, bei Martin steht meistens eine Zeichnung am Anfang."

Martin kommt dem Genre des Entwerfens von Konzertpostern durch seinen Beruf als Illustrator vermutlich am nächsten. "Er ist eigentlich der einzige von uns, der das richtig kann". Christian hat eine Agentur für Webdesign, Onlineprojekte, ist dort Gründer und Creative Director. Steht etwas an, wie die Umsetzung der neuen Antighostwebsite, erledigt er das. Götz arbeitet seit über fünfzehn Jahren für einen Walldorfer Softwarekonzern und ist viel unterwegs. Martin ist, wie bereits erwähnt, freiberuflicher Illustrator und arbeitet von Zeit zu Zeit als Gerichtszeichner in Mannheim. Dort begleitete er unter anderem den Kachelmannprozess.

Bei ihrem wöchentlichen Treff entstehen Gigposter, die auch bei Festivals verkauft werden. Beim nächsten Maifeld Derby zum Beispiel. Dort werden sie einen Stand haben – "unser Palastzelt". Antighost stellen Konzertposter für Bands der Region her, aber auch für überregionale, große Namen, wie Wanda, Get Well Soon oder Mother Tongue. Ebenfalls geplant ist dieses Jahr ein Abstecher zum berühmten Primavera Sound Festival in Barcelona. Insgesamt handelt es sich aber um eine überschaubare Szene in Deutschland, die auch eigene Festivals wie Colored Gigs in Dresden, Leipzig und München kennt. Mit den Posterkrauts gibt es sogar einen deutschlandweiten Dachverband für Gigposter.

Die Emotion des Augenblicks

Während Konzertposter in den 60ern noch aufwändig gestaltet waren und künstlerischen Anspruch besaßen, verkamen sie in den folgenden Jahrzehnten zu reinen Marketinginstrumenten. Verfolgen Antighost den Anspruch, das Konzerterlebnis als kleines Kunstwerk mit nach Hause nehmen zu können? Geht es darum, die Emotionen zurück zu holen? "Für mich ist es das auf jeden Fall. Die Liebe zum Design ist es für mich nicht. Wenn du wie ich aus der Undergroundszene kommst, da gab es immer liebevoll gestaltete Poster. Ob sie gut oder schlecht gezeichnet waren, hat immer etwas ausgesagt."

Antighost suchen sich die Bands aus, erarbeiten eine Grafik und erstellen dann mit dem Siebdruckverfahren das Gigposter. Dabei steht der Link zur Musik und zur Band immer im Vordergrund. "Es gibt ganz klar einen Zusammenhang in den Gigpostern. Nicht jeder mag ihn sofort erkennen, sogar der Band mag er fremdbleiben, aber er existiert."

Wie viele Gigposter hängen bei euch zu Hause an der Wand?

Viele. Zu viele. Während sie in der Werftstraße mit Studio und Werkraum ihrer Kreativität noch freien Raum lassen können scheint das pädagogische Aufhängen der handgefertigten Gigposter keine Option fürs Büro zu sein. "Die wissen das ja gar nicht zu schätzen", wird schmunzelnd gemutmaßt. Und so bleibt Antighost ein Hobby, eine Möglichkeit, der Leidenschaft für die Musik Ausdruck zu verleihen.

Dabei bedingen sich Job und Hobby gerne mal gegenseitig. Ob man als Vielreisender sagt, den Job könne man so vielleicht gar nicht machen, hätte man nicht den Ausgleich, oder sich durch Antighost neue kreative Räume auftun, vielleicht sogar ein Weg, neben dem Digitalen zu experimentieren. "Wir arbeiten im Büro viel digital. Antighost ist was anderes. Beim Siebdruck spielt der Zufall eine Rolle. Es lässt sich nichts so vorausplanen, wie es beim Computer der Fall ist." Und auch umgekeht fließt viel von der Erfahrung aus ihren 'Haupt'-Berufen in Antighost ein. "Sicherlich profitiert Antighost von dem Skillset, das wir alle aus unseren Jobs mitbringen."

Jedes Werk ein Einzelstück

Der Blick wandert wieder über die Poster: Ein langer Arm mit knallroten Fingernägeln zieht langsam ein schwarzes Deckblatt ab unter dem eine bunte Wand zum Vorschein kommt, eine alte Dampflock prescht aus dem Capitol, Steine aus dem Mauerwerk bersten zur Seite, auf einem anderen Poster sieht man Walter White, alias Heisenberg, aus der erfolgreichen TV-Serie Breaking Bad, mit seinem "I know you might know it, but I don’t care"-Blick.

Die meisten sind Gigposter, aber auch einige Artposter mischen sich unter die Auslage. Jedes Motiv wird von einem der drei Antighostmitgliedern erstellt, jeder hat seine Poster. Alle werden sie einzeln, in Handarbeit und in limitierter Auflage hergestellt. Meist 30 oder 50 Stück. Daher tragen alle Poster eine Nummerierung.

Vorbeischauen erwünscht

Zwischendurch geht die Tür auf. Jemand tritt herein und will ein Poster kaufen. "Die meisten Poster verkaufen wir direkt, die Leute kommen einfach vorbei." Es ist Teil des Konzepts, das, wer sich für die Arbeit und die Leidenschaft interessiert, die hinter jedem Poster steckt, oder wer bereits etwas bestimmtes ins Auge gefasst hat einfach am Donnerstag vorbei kommen kann.

"Es ist schon toll, wenn das, was wir hier machen, beachtet wird. Wie’s weitergeht wissen wir nicht, momentan läuft es gut." Mit der neuen Website gibt es jetzt auch einen Onlineshop, über den die Poster bei Antighost direkt bestellt werden können.

Faible für den Jungbusch

"Der Jungbusch war schon unser Ziel. Wir haben zum Nachtwandel 2013 in diesen Räumen eine Ausstellung angeboten bekommen. Es war dann noch Zufall, dass wir in diese Räumlichkeiten eingezogen sind. Im Jungbusch gibt es viele, die kreativ arbeiten, Man kennt sich, es ergibt sich etwas, dann arbeitet man bei einem Projekt zusammen." In der Kombüse, quasi um die Ecke, hängen für eine Ausstellung Poster von Antighost. Auch mit anderen aus der Nachbarschaft gab es schon den ein oder anderen fruchtbaren Austausch.

Zum Schluss werden noch Postkarten gekauft. Für diejenigen, die wenig Platz haben oder sich noch nicht entscheiden können. Dann hat uns der dunkle Innenhof zurück und spuckt uns direkt auf der Werftstraße wieder aus, die weiterhin von unten dem Nieselregen zuschaut.

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