Creative Factory Jungbusch 2015
Aufführung des Theaterstücks "Stelline" (Premiere 2015)

Creative Factory Jungbusch 2015 Aufführung des Theaterstücks "Stelline" (Premiere 2015) © Creative Factory

Den vierten Teil der Reihe #Unser Jungbusch widmen wir nicht einem Ort, sondern einer Institution, die darauf abzielt, für ein besseres Miteinander und mehr Sicherheit im Mannheimer Stadtteil zu sorgen: dem Impro-Theater "Rollenwechsel".

Das Sicherheitsgefühl im Jungbusch ist ein sehr aktuelles Thema für alle Bewohner und beteiligten städtischen Instanzen. Die Stadt arbeitet daran, mit allen Beteiligten in einen Dialog einzutreten, den Stadtteil sicherer zu gestalten und ein Forum zum gegenseitigen Austausch zu schaffen, um das Sicherheitsgefühl der Bewohner zu erhöhen.

In den letzten Monaten wurden bereits einige Maßnahmen umgesetzt, die darauf abzielen, den Jungbusch sicherer zu machen. Auf einer Pressekonferenz zog Michael Scheuermann, Quartiermanager des Jungbuschs, eine erste Bilanz verschiedener Maßnahmen, zu denen eine verbesserte Straßenbeleuchtung und die Einrichtung eines Notrufsystems in der unterirdischen Straßenbahn-Haltestelle Dalbergstraße zählen. Besonders die erhöhte Polizeipräsenz im Jungbusch soll den Bewohnern ein Signal vermitteln.

Mehr Verständnis zwischen Bewohnern und Polizei

Aber nicht nur mit rechtsstaatlichen oder technischen Mitteln sollen Sicherheitslage und Sicherheitsgefühl verbessert werden. Das Improvisations-Theater "Rollenwechsel" beabsichtigt, mit spielerischen Mitteln Spannungen zwischen Bewohnern und Polizei abzubauen und für gegenseitiges Verständnis zu sorgen. Dazu schlüpfen Bewohner und Polizisten in die Rolle des jeweiligen Gegenübers.

Die Initative kam von Seiten der Bewohner. Lisa Massetti, Theaterpädagogin im Jungbusch, kontaktierte die Polizei auf die Idee von Ilyes Mimouni hin. Ilyes und seine Freunde hatten die Idee, die Beamten direkt ins Theater einzuladen. "Klar, mache' ma'!", entgegnete Joachim Scholl. Er ist Polizeioberrat und Leiter des Reviers Innenstadt.

Ein Netzwerk ganz unterschiedlicher Akteure

Bei der Vorstellung des Projekts herrscht ausgelassene Stimmung. Es ist leicht, sich von der guten Laune anstecken zu lassen. Wer hätte gedacht, dass unorthodoxe polizeiliche Präventionsmaßnahmen Menschen so nah zusammenbringen können? Lisa Massetti und Joachim Scholl traten zu Beginn einander noch förmlich gegenüber, jetzt sind sie fast Freunde.

Die Theaterpädagogin ist eine Art "Mama für die Jugendlichen im Jungbusch", Ilyes bezeichnet sie scherzhaft als "große Schwester". Sie ist sowas wie die örtliche Seelsorge, steht bei Beziehungsproblemen zur Seite und gibt gute Ratschläge. Sowohl Ilyes als auch Lisa haben eine Verbindung zu Joachim Scholl aufgebaut, ein kleines Netzwerk wurde verknüpft.

Rollenspiel-Workshop

Durch den Workshop haben Polizisten neue Kontakte mit den Anwohnern geknüpft. Wenn jemand kontrolliert wird oder die Beamten wegen Ruhestörung auf den Plan treten, finden sie möglicherweise verständnisvolle Betroffene oder dürfen zumindest in angeheizten Situationen auf einen vertrautes Gesicht hoffen.

Es ist sicherlich leichter, Situationen zu klären und einen Dialog zu eröffnen, wenn man Ansprechpartner hat. Je mehr im Vorfeld zwischen Anwohnern und Polizei vermittelt wird, desto größer ist die Chance, dass sich alle ein wenig sicherer fühlen im Jungbusch. Wenn eine Streife vorbeifährt, hören die Beamten vielleicht ein fröhliches "Hallo" statt eines abfälligen Ausrufs. Der Workshop sollte vor allem vermitteln, dass sich unter Uniform und Polizeimütze ein Mensch befindet.

Bedeutungsvoller Perspektivwechsel

Beim ersten der zwei Treffen wurden mit freiwillig teilnehmenden Polizisten, Anwohnern und Teilnehmern der lokalen Theatergruppe um Lisa Massetti Standardsituationen aus dem Alltag eines Polizisten nachgestellt. Dort waren Joachim Scholl und Ilyes Mimouni dabei. Erst spielte sich in diesen Szenarien jeder selbst in seiner Rolle als Polizist und Zivilist, dann wurden Uniform und Alltagsdress getauscht.

Nun kontrollierten die Anwohner die Polizisten, natürlich alles im geschützen Raum und unter der Aufsicht einer Theaterpädagogin. Als einer ausbüchsen wollte, waren die Bewohner etwa gezwungen, aus dem Bauch heraus zu handeln. Danach gab es viele Fragen. Was darf ein Polizist? Was tun sie, wenn es Widerstand gibt? Im kontrollierten Rahmen wurden Kompetenzen ausgetauscht und angewendet. Es wurde klar, von Seiten der Polizei darf nicht aus Willkür gehandelt werden, es gibt immer einen Verhaltenscode.

Beim zweiten Treffen wurden die Teilnehmer durch die örtlichen Polizeiwache geführt und erhielten Einblicke in den Arbeitsalltag der Polizisten. Einen Blick in die aktuelle Auftragslage, der Blick hinter die Kulissen. Schnell wurde den Besuchern auch hier klar, dass der Jungbusch nur ein Teil des Gesamtbildes ist. Man sehe immer nur einen Ausschnitt aus dem Leben eines Polizisten, der eventuell davor eine Todesnachricht überbracht hat oder gerade eine Leiche sichern musste, betont Joachim Scholl. Wieder wurde viel geklärt, geregelt und besprochen. "Das läuft bei uns unter Prävention", erklärt Scholl. Auch ihm ist sichtlich klar, wie wichtig der Austausch für den Jungbusch ist.

Alles brennt

Es gibt also Alternativen zur Konfrontation. Am Wochenende, so Lisa Massetti, brenne im Jungbusch alles. Um Sicherheitsgefühl und Wohngemeinschaft herzustellen, müsse man einen Dialog aller Beteiligten ermöglichen. Die Durchführung weiterer Workshops könnte die Fronten auflockern und für mehr gegenseitigen Kontakt sorgen. Interessierte Bewohner finden sich bereits jetzt unter Teilnehmern des Mädchen- und Frauentreffs im Jungbusch. Auch von Seiten der Polizei ist man zuversichtlich, dass weitere Freiwillige gefunden werden.

Ein Straßentheater ist das nächste Ziel. Das Projekt auszuweiten, bei Proben einen geschützten Raum schaffen und einen Dialog zu ermöglichen, um anschließend an die Öffentlichkeit zu treten, all das strebe man an. Von Seiten der Politik käme noch keine direkte Zusage, aber die Stimmung im Raum spricht für sich. Statt einer Problematisierung des Ist-Zustandes, sprüht der Raum vor Tatendrang und positiver Energie. Die Organisatoren wollen mit kleinen Dingen viel bewegen, mit Theater Menschen zusammenbringen. Im nächsten Jahr wird sich zeigen, ob man örtliche Polizeikräfte auf der Bühne des Straßentheaters sehen kann.