Wenn man jüngere Menschen fragte, warum das inzwischen umbenannte und verschobene neue Rockfestival am Nürburgring eigentlich Der Ring – Grüne Hölle Rock heißen sollte, erntete man nur ratlose Blicke. So gut wie niemandem war klar, dass sich der Name "Grüne Hölle" auf die legendäre und gefährliche Nordschleife des Nürburgrings bezieht. Kein geringerer als der dreimalige Formel 1-Weltmeister Jackie Stewart verlieh ihr diesen Namen.

Die knapp 21km lange Rennstrecke ist auch heute noch ein gefürchteter Austragungsort zahlreicher Motorsportrennen, die manchmal tödlich enden wie am 28. März 2015, als ein Rennwagen über die Streckenbegrenzung flog und im Zuschauerbereich landete. Eine Frau kam bei diesem Unfall ums Leben. Nach weiteren Unfällen wurden für manche Klassen Fahrverbote für die Nordschleife erlassen.

Namensverwirrung

Der Name Grüne Hölle wäre an sich gar keine schlechte Bezeichnung für ein Festival gewesen, da sich die Rockmusik gerne mit der Aura des Gefährlichen schmückt. Ärgerlich nur, dass in der zentralen Zielgruppe niemand den Namen verstand. Das fiel auch irgendwann der DEAG als Veranstalter auf und so ergänzten sie den Namen zu Der Ring – Grüne Hölle Rock, ein wenig eindeutiger, aber dafür doppelt so ungelenk.

Erfolg oder Scheitern eines Festivals hängen nicht vom Namen ab, aber die Namensfrage verdeutlicht, was bei der Planung des neuen Festivals am Nürburgring alles schief gelaufen ist.

Ein Festival als Kriegserklärung

Die Grüne Hölle war zusammen mit Rockavaria in München und Rock in Vienna als Teil einer europaweiten Festivalinitiative der DEAG geplant, eines börsennotierten Unternehmens, das mit aller Macht in den Markt der deutschen Rockfestivals einsteigen will. Im Erfolgsfall locken hohe Gewinne und ein steigender Aktienkurs – beim Scheitern droht das Gegenteil.

Allerdings beruhte die zugrundeliegende Idee auf zahlreichen, unabsehbaren Risiken, die selbst einem oberflächlichen Betrachter ins Auge springen: Der Ring – Grüne Hölle Rock war von Anfang nicht als neues Festival geplant, sondern als Konkurrenzveranstaltung zu einem bereits bestehenden und überaus erfolgreichen Festival: Rock am Ring.

Damit befand sich das neue Festival von Anfang an in der Defensive: Die Veranstalter der Grünen Hölle konnten zwar auf einen etablierten Veranstaltungsort zurückgreifen, aber sie standen von Beginn an in einem existentiellen Kampf mit einem erfahrenen Konkurrenten, und zwar mit Rock am Ring. 

Es kann nur ein Festival geben

Um erfolgreich zu sein, musste die Veranstalter der Grünen Hölle nicht nur ein neues Festival am hart umkämpften Markt zu etablieren, sondern auch einen Konkurrenten verdrängen, denn jedem Beobachter war klar, dass beide Festivals aufgrund der räumlichen und zeitlichen Nähe nicht nebeneinander überleben können: die Zuschauer gibt es nur einmal.

Es ist unerklärlich, warum die Macher der Grüne Hölle sich freiwillig in diese Situation begaben – zu Beginn planten sie sogar, das Festival am selben Wochenende wie Rock am Ring zu veranstalten!

Die persönliche Komponente

Diese Entscheidung hat vermutlich auch eine persönliche Komponente. Die DEAG erwarb 2013 75% der Anteile an der Konzertagentur Wizard Promotions, um eben auf dem Festivalmarkt in die Offensive gehen zu könne. Managing Director von Wizard Promotions ist Ossy Hoppe, der in den 1990ern Mitarbeiter des Rock am Ring-Veranstalters Marek Lieberberg (MLK) war. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, Hoppe habe versucht, seinen langjährigen Arbeitgeber zu übertrumpfen.

Die Folgen waren beträchtlich, zumal die Grüne Hölle für Außenstehende unzureichend durchdacht und schlecht geplant wirkte. Seltsame Äußerungen verstärkten diesen Eindruck: Was soll man beispielsweise von der Bemerkung von Ossy Hoppe halten, durch die Grüne Hölle erhöhe sich lediglich die Zahl der Festivals. Der Fan werde schon entscheiden, wohin er gehe.

Das stimmt! Aber die Grüne Hölle war nicht irgendein Festival, sondern ein sehr großes und sehr teures Festival. Was würde passieren, wenn sich die Fans gegen die Grüne Hölle entschieden?

Im zweiten Teil: Fehler im Konzept, Zielgruppenprobleme, ein russischer Besitzer mit unklaren Absichten und ein Neuanfang auf Schalke

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Fehler im Konzept

Um möglichst viele Fans an den Nürburgring zu locken, musste die DEAG als Veranstalter viel Geld vorweg investieren, um hochkarätige Bands zu verpflichten. Die im Zuge des Streits mit der Betreibergesellschaft des Nürburgring, der Capricorn Nürburgring GmbH (CNG) bekanntgewordenen Kosten sprechen jedenfalls eine deutliche Sprache. Ausgaben von mehr als 4,7 Millionen Euro für Künstlergagen und sonstigen Kosten standen nur Vorverkaufserlöse von 800.000 Euro gegenüber.

Die Ursache der schwachen Vorverkaufserlöse lag nicht nur in der Konkurrenzsituation zu Rock am Ring begründet, sondern auch in dem falsch zusammengestellten Line-up. Von Beginn an betonten die Veranstalter der Grünen Hölle mit ihrem Festival endlich wieder ein reines Rockfestival bieten zu wollen – im Gegensatz zu Rock am Ring, das sich schon seit Jahren für andere Genre geöffnet hat.

An der Zeit vorbei geplant

Dabei beachteten sie aber nicht, dass die aus früheren Dekaden erbittert geführten Kämpfe zwischen Rockfans auf der einen Seite und Hip-Hoppern oder Pop-Fans auf der anderen weitgehend der Vergangenheit angehören – jedenfalls was die jüngere Generation angeht. Unter jungen Erwachsenen finden sich viele, die Metallica und Marteria hören und Rock und Hip-Hop keineswegs für unvereinbar halten. 

Nun hätte man die fehlende Vielfalt des Line-ups der Grünen Hölle dadurch kompensieren können, dass man erfolgreiche deutsche Rockbands verpflichtet. Diese hielten aber fast ausnahmslos Marek Lieberberg und Rock am Ring die Treue. Über die Gründe kann man nur spekulieren: Waren Marek Lieberbergs Argumente überzeugender? Trauten die deutschen Bands der neuen Grünen-Hölle-Herrlichkeit nicht?

Ein Festival ohne Zielgruppe

Durch die Entscheidung der deutschen Künstler gegen die Grüne Hölle und die Festlegung auf ein "reines" Rockfestival sah die DEAG ihre Line-up-Möglichkeiten stark eingeschränkt. Es gelang ihr zwar Metallica zu verpflichten (gegen ein Heidengeld, wie man hört), ansonsten dominierten mit Kiss oder Judas Priest aber seit Jahrzehnten etablierte Bands aus dem Classic Rock-Bereich, die nicht unbedingt das typische, junge Festivalpublikum anlocken, sondern ältere Musikhörer, die auf Camping in der regnerischen Eifel keine Lust haben.

Die Reaktionen von älteren Musikfans waren daher ganz typisch. "Kiss – cool, die würde ich gerne sehen" – "Gehst du denn hin?" – "Nein!" Allenfalls Muse sind eine aktuelle, hochkarätige Band, aber sie passen nicht so wirklich zum Rest des Line-ups. Rock ist eben nicht gleich Rock. Schwer vorstellbar, dass viele Metallica-Fans mit Muse etwas anfangen können. Leicht vorstellbar hingegen, dass Fans der Foo Fighters auch die Beatsteaks sehen wollen.

Der russische Faktor

Und so nahm das Verhängnis seinen Lauf. "Schleppender Ticketverkauf: Wird "Der Ring" zur Grünen Hölle für die DEAG?" fragten wir im Dezember, als klar war, dass die von der DEAG genannten Vorverkaufszahlen massive Probleme offenbarten.

Nach Aussagen der DEAG weigerte sich der Rennstreckenbetreiber CNG, der inzwischen dem russischen Unternehmer Viktor Charitonin gehört, sich an den Kosten des Festivals zu beteiligen. Der öffentlich ausgetragene Streit offenbarte unüberbrückbare Differenzen.

Neuanfang auf Schalke

Deshalb entschied die DEAG, die Grüne Hölle am Nürburgring abzusagen und das Festival als Rock im Revier in der Veltins-Arena auf Schalke als Rock im Revier durchzuführen. Trotz der organisatorischen Schwierigkeiten und der Problematik einen Monat vor dem Festival nochmal bei null anfangen zu müssen, scheinen sich die Verkaufszahlen positiv zu entwickeln.

Die Veranstaltung hält sich beständig auf Platz 2 der Eventim-Charts. Nach Angaben der DEAG sind bereits 30.000 Karten verkauft, knapp 22.000 Tickets noch erhältlich. Da allerdings nur Tagestickets erhältlich sind, ist nicht klar, wie sich die verkauften Tickets auf die Einzeltage verteilen. DEAG-CEO Peter Schwenkow sieht sich jedenfalls in der Entscheidung bestätigt, vom Nürburgring wegzugehen.

Festival für die Generation Golf?

In der Tat erscheint es möglich, dass die Veltins-Arena mit ihrer exzellenten Verkehrsanbindung viele Musikfans motiviert, Rock im Revier zu besuchen – und anschließend wieder abzureisen, um in ihrem eigenen Bett zu übernachten.

Aber um Entwarnung zu geben, ist es zu früh. Das liegt nicht nur an den Schwierigkeiten, in Hinblick auf die Organisation nochmal bei null anzufangen, sondern an den zwei anderen Festivals: die Vorverkaufszahlen bei Rock in Vienna sind bislang hinter den Erwartungen der DEAG zurückgeblieben, lediglich das Münchner Festival Rockavaria scheint im Plan zu liegen. Ob sich das ambitionierte Festivalkonzept der DEAG retten lässt, werden die nächsten Monate erweisen.

Gleichzeitig erscheint das Verhalten des russischen Investors immer rätselhafter. Warum Viktor Charitonin als Besitzer des Nürburgrings so viele hochkarätige Geschäftspartner wie die DEAG oder die Formel 1 verprellt, ist völlig unklar. Unter diesen Umständen sieht die Zukunft des Nürburgrings nicht gerade rosig aus.

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