Der Unsichtbare Vater
Olaf Schönborn, Fanny Mas, Johannes Gaudet, Philipp Nicklaus

Der Unsichtbare Vater Olaf Schönborn, Fanny Mas, Johannes Gaudet, Philipp Nicklaus © Christian Kleiner

2014 wurde Mannheim der Titel "UNESCO City of Music" verliehen. Diese Ehrung kam nicht von ungefähr, wird im Delta doch schon länger am musikalischen Profil gefeilt. Dieses kommt nicht nur durch den popkulturellen, sondern auch den klassischen Bereich zustande. Stellvertretend dafür steht die Junge Oper Mannheim.

An einem klirrend kalten, aber klaren Sonntag ist viel los im Obergeschoss der Alten Feuerwache in Mannheim. Hier befinden sich die Räumlichkeiten des Schnawwl, dem Kinder- und Jugendtheater des Nationaltheaters Mannheim. An diesem Sonntag findet dort eine Aufführung der Kinderoper "Der unsichtbare Vater" von Juliane Klein statt.

Das Stück handelt von dem jungen Paul, dessen Eltern sich zu Beginn des Stückes trennen. Paul muss zunächst die Trennung bewältigen und sich dann mit Ludwig, dem neuen Freund der Mutter, arrangieren. Währenddessen tut Pauls Vater sein bestes, um die Mutter wieder zurückzugewinnen.

Das Foyer ist gut gefüllt. Kinder laufen herum oder sitzen zusammen mit ihren Eltern an einem der Tische. Es gibt eine kleine Bar mit Getränken, viele Eltern sind im Gespräch, manche scheinen regelmäßige Besucher zu sein. Es herrscht eine offene und freundliche Atmosphäre, man fühlt sich willkommen.

Tradition und Fortschritt

Mit seinen knapp 40 Jahren auf dem Buckel ist der Schnawwl eines der ältesten und damit auch traditionsreichsten Kinder- und Jugendtheater Deutschlands. Die Junge Oper ist mit ihren knapp zehn Jahren dagegen schon wirklich "jung", ist aber aus dem Schnawwl hervorgegangen. Als Gemeinschaftsprojekt von Schnawwl und der Oper Mannheim debütierte das Ensemble in der Saison 2006/07.

Die Prämisse der Jungen Oper entsprach der aktuellen Strömung. Lange Zeit war es üblich, entweder genuine Kinderopern wie "Peter und der Wolf" aufzuführen, oder die großen Opern für Kinder und Jugendliche in so reduzierter Form aufzuführen, bis vom eigentlichen Stoff nur noch wenig übrig blieb. Vor zehn, fünfzehn Jahren trat aber ein Umdenken bei den Verantwortlichen ein.

Neue Richtlinien

"Was interessiert eigentlich die Kinder?" war die neue, augenscheinlich offensichtliche Leitfrage. "Welche Themen treiben Kinder und Jugendliche um? Welche Hörgewohnheiten haben sie?" Es galt, ein die junge Generation ansprechendes, ästhetisches Format zu entwickeln.

Die Junge Oper Mannheim leistete und leistet hier Pionierarbeit. In der Zusammenarbeit des Schnawwl und der Oper entstehen neue Stücke und Konzepte für ein Genre, das vielen fälschlicherweise als altbacken und verstaubt gilt. Dies ist umso wichtiger in einer Zeit, in der man fast rund um die Uhr akustischen Reizen in Form von Werbung, Fernsehen oder Radio ausgesetzt ist, ob man will oder nicht. Der auf diese Weise voranschreitenden Abstumpfung setzt die Junge Oper eine musikalische Sensibilisierung entgegen.

Interaktiv und anspruchsvoll

Im eingangs erwähnten Stück "Der unsichtbare Vater" nehmen die Zuschauer nach einer kurzen Begrüßung auf drei kleinen Tribünen Platz, die kreisförmig um die Bühne, welche nur aus einem runden Tisch und drei Hockern besteht, angeordnet sind. Von Anfang an hat man auf diese Weise nicht das Gefühl einer Frontvorstellung, sondern scheint sich mitten im Geschehen zu befinden.

Bevor das Stück losgeht, wird das Publikum in drei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe geht mit der Mutter, eine mit dem neuen Freund, und eine bleibt mit dem Vater im Vorstellungssaal. Jeder der Gruppen übt dann unabhängig voneinander musikalische Strukturen ein, mit denen sie ihre Figur während der Vorführung unterstützen sollen.

Bedenkt man, dass das Stück für Kinder ab 8 Jahren ausgeschrieben ist, beeindruckt die Komplexität der eingeübten Teilstücke. Auch fortgeschrittene Figuren, wie etwa Triolen und schwierige Intervalle werden auf spielerische Art und Weise eingeübt. Bei den Kindern erweckt dies nicht den Eindruck von langweiligem Unterricht, sondern wird begeistert aufgenommen.

Freiräume schaffen

Diese Methode ist Teil des Umdenkens im Genre. Den Kindern und Jugendlichen wird ein geschützter Musik-Freiraum geboten, in dem sie sich austoben können. Gleichzeitig wird beinahe schon nebenher das musikalische Gehör geschult. Ziel ist es, dem jungen Publikum ein Bewusstsein für Musik zu geben – und nicht etwa sie zu künftigen Opern-Besuchen "abzurichten".

In "Der unsichtbare Vater" etwa kommt die Musik nicht vom Band, die Musiker verbergen sich auch nicht unsichtbar im Hintergrund, sondern sind Teil der Aufführung. Jeder Darsteller hat ein Instrument: der Vater spielt Saxophon, die Mutter Akkordeon, Ludwig, der neue Freund der Mutter, Schlagzeug und Percussion und Paul, der Sohn, nutzt seine Stimme als Instrument. Die Musik dient als Sprache der Handlung, wenn beispielsweise Mutter und Vater in der Eröffnungsszene keine gemeinsame Harmonie finden, und so die Trennung der beiden dargestellt wird.

Ein guter Start

Insgesamt dauern die Aufführung und die vorangegangenen Workshops 70 Minuten, in deren Verlauf jede der Gruppen ihren Einsatz bringen kann und somit Teil der Aufführung wird. Und während man die Alte Feuerwache wieder verlässt, dürfte jedem klar sein: Hier passiert etwas!

Die Junge Oper Mannheim trägt einiges zum Musik-, aber auch zum Bildungsstandort Mannheim bei. Innerhalb der Republik sticht sie heraus, da hier ein etabliertes Kinder- und Jugendtheater auf eine traditionsreiche Oper treffen, deren Zusammenarbeit zahlreiche Früchte trägt. Für viele jungen Besucher dürfte ein Besuch einer der Aufführungen die erste, aber sicherlich nicht die letzte Begegnung mit anspruchsvoller Musik sein.

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