Bürgersaal (2015)

Bürgersaal (2015) © M:Con

Nach mehrmonatiger Umbauzeit eröffnete Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz im Mai 2014 den neu gestalteten Bürgersaal N1 im Mannheimer Stadthaus. Die ersten Monate der Nutzung liegen hinter den Beteiligten, die ersten Erfahrungen sind gesammelt. Grund genug, den Bürgersaal näher unter die Lupe zu nehmen.

Notwendig geworden war der Umbau des Bürgersaals durch die Spielstätten-Not des Oststadt Theaters. Das etablierte Theater spielte bisher im Kahnweiler-Saal in der Kunsthallte, musste aber aufgrund der dortigen Umbaumaßnahmen weichen.

Die Stadt eilte zur Hilfe und plante die Erneuerung des Bürgersaals im Stadthaus am Paradeplatz als neue Spielstätte für das Oststadt-Theater. Der neu gestaltete Bürgersaal sollte außerdem nach wie vor dem etablierten Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg zur Verfügung stehen.

"Das geht so nicht!"

Eigentlich eine gute Lösung, denn Spielraum für Veranstaltungen mit mehr als 400 Personen ist in Mannheim, wie in vielen mittelgroßen Städten, nur schwer zu finden. Dass ausschließlich das Oststadt-Theater in den Genuss der knapp über 2,4 Millionen Euro teure Baumaßnahme kommen sollte, missfiel einigen Mannheimer Kulturschaffenden, die schon seit längerem nach einer geeigneten Spielstätte suchten.

So erklärte Peter Baltruschat, Vorstand des Kulturnetz Mannheim Rhein-Neckar und als kulturpolitischer Sprecher der SPD bis 2014 Mitglied im Gemeinderat im Juni 2013 im Interview: "Das geht so nicht!" und forderte, die Nutzung des Bürgersaals auch anderen kulturellen Einrichtungen zu ermöglichen.

In der Praxis angekommen

Am 14. Mai des vergangenen Jahres wurde der neue Saal vom Mannheimer OB Peter Kurz, der öffentlich eine Mehrfachnutzung befürwortete, und von Kulturbürgermeister Michael Grötsch, eingeweiht. Der Bürgersaal in N1 bietet Platz für 440 Sitzplätze, wobei weitere 40 Plätze noch integriert werden können. Terminvergabe- und Absprache sowie die Angebotserstellung wird von der Mannheimer Veranstaltungsagentur M:Con übernommen.

Genutzt werden kann der Raum prinzipiell von jedem Kulturschaffenden. Auch "juristische Personen, eingetragene Vereine, Firmen etc.“ können den Raum mieten, wie uns M:Con bestätigte. Für Mannheimer Einrichtungen und Vereine gilt eine Exklusivregel: Hier beträgt die Raummiete 1.000 Euro (zzgl. MwSt.), Techniker werden gestellt, soweit keine Sonderanforderungen vorherrschen.

"Wir sind sehr zufrieden"

So lautet der Tenor des Oststadt Theaters: "Neues Publikum findet den Weg zu uns und die neue Bühne bietet viele neue Möglichkeiten für die Inszenierungen. Das ist ganz toll!", freut sich die Leiterin des Theaters, Carmen P. Linka-Gamil. Vor allem die zentrale Lage am Paradeplatz bietet neue Möglichkeiten.

Dass der neue Saal nicht für alle Genre gleichsam geeignet sei, ist für das Oststadt Theater nicht relevant: "Der Umbau ist hervorragend gelaufen und dadurch, dass hier für viele verschiedene Nutzungen geplant und gebaut wurde musste kann es kein Ideal geben. Aber wir sind gewohnt aus jeder Situation das Beste zu machen und das tun wir gerne." Das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg nutzte die neuen Räumlichkeiten im Herbst 2014.

Im zweiten Teil: Der Teufel steckt im Detail. Die logistischen und organisatorischen Schwierigkeiten des Bürgersaals – und die Chancen, die er bietet.

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Logistische Baustelle, Terminvergabe nicht zufriedenstellend

Ein anderes Licht werfen jene auf die neue Ausrichtung des Bürgersaals, die sich im Jahr 2013 mit insgesamt drei offenen Briefen an den Gemeinderat wendeten und sich dafür einsetzten, dass die Nutzung des Bürgersaals allen kulturellen Akteuren der Quadratestadt offenstünde.

Zu den Initiatoren gehörte auch Peter Baltruschat – als Vorsitzender des KulturNetz Mannheim Rhein-Neckar Fachmann für Veranstaltungen verschiedener Couleur. Er erklärt, der immerhin über 2,4 Millionen Euro Umbau sei gemessen an den Kosten nicht ausreichend durchdacht. Unter anderem biete der einem Kinosaal ähnelnde Sitzreihenbau keinen Handläufer, so dass ältere Besucher oder Gehbehinderte, Schwierigkeiten haben können, ihren Platz zu erreichen. "Ein Unding", so Baltruschat.

Allerdings wurde hier auch schnell reagiert: nach aktuellen Informationen von M:Con soll hier nachgebessert werden. Ein Steckgeländer an beiden Seiten des Ganges ist in Planung.

Der Teufel steckt im Detail

Weiterhin sei der Saal zwar für verschiedene Genres offen, für diese aber nicht so leicht bespielbar. So stellte die Musicalgesellschaft, Mitinitiator der offenen Briefe, fest, dass es an vielen Kleinigkeiten mangele: Vom bereitgestellten Empfangstisch über einen geeigneten, allen Nutzern zugänglichen, Backstage-Raum.

Auch eine Möglichkeit für größere Lastentransporte fehle. Bisher könnten nur die Außentreppen des Mittelturmbaus genutzt werden oder aber die Personenaufzüge. Gerade für aufwendigere Bühnenbilder und vor allem für jene Nutzer, die nur wenige Veranstaltungstage gebucht haben und somit nicht dauerhaft im Saal bleiben, sicherlich eine Herausforderung.

Und nicht zuletzt auch eine Kostenfrage: Lohnt es sich anspruchsvolle, großflächigere Bühnenbilder in den Saal zu transportieren, wenn für alle anderen nur zehn Wochenenden im Jahr übrig bleiben? Oder ist die notwenige Manpower gar nicht abgedeckt, wenn diese zehn Spieltage, die Tage sind, die nach der Bespielung des Oststadt Theaters übrig bleiben.

Terminprobleme

Das eigentliche Problem, so Peter Mendelssohn, Projektleiter und Mitglied der Musicalgesellschaft, liege in der Wahl der freien Termine, die von anderen Institutionen, Vereinen und kulturellen Vereinigungen genutzt werden können. Diese sind die besagten zehn Wochenenden sowie zahlreiche Wochentage. "Alle wirklich attraktiven Spieltage sind bereits durch das Oststadt Theater blockiert", so Mendelssohn.

Diesem Problem sehe man sich gegenüber und nutzt mit dem Musical "Der Watzmann ruft" lieber nur einen Termin, den 11. April 2015. Die Sorge ist groß, dass bei einer Nutzung der Räumlichkeiten an weiteren, weniger idealen Terminen das Publikum ausbliebe und letztendlich mehr Kosten verursacht werden, als eingespielt werden können.

Ende gut, alles ungut?

Sicherlich nicht! Denn es sollte durchaus honoriert werden, dass in kurzer Zeit nicht nur eine Lösung für das Oststadt-Theater gefunden, sondern auch ein Raum neu gebaut wurde, der mit über 400 möglichen Sitzplätzen vielen kulturellen Projekte eine tolle Spielstätte bietet. Bisher haben dort schon zahlreiche Veranstaltungen sowohl kommerzieller als auch gemeinnütziger Art stattgefunden.

In der Praxis zeigt sich, dass der Umbau zwar abgeschlossen ist, das rot-weiße Abrissbändchen aber immer noch zwischen verschiedenen Protagonisten wedelt. Man kann nur hoffen, dass mit Kompromissbereitschaft und Pragmatismus eine Annäherung stattfinden wird. Denn sicherlich ist ein Raum dieser Größe in exponierter Lage für die Mannheimer Kulturszene ein Gewinn.

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