Theresia Bauer stellte der Mannheimer Bevölkerung am 30. August 2013 ihr Konzept zur Zukunft der baden-württembergischen Musikhochschulen vor

Theresia Bauer stellte der Mannheimer Bevölkerung am 30. August 2013 ihr Konzept zur Zukunft der baden-württembergischen Musikhochschulen vor © Screenshot/MuHo

Die Pläne des Wissenschaftsministeriums zur Reform der Musikhochschulen des Landes Baden-Württemberg erregen weiterhin die Gemüter. Am 30. August 2013 stellte sich Ministerin Bauer von den Grünen der Kritik von Professoren, Studenten und Unterstützern der Mannheimer Musikhochschule. Die teilweise hitzige Debatte führte zu keiner Annäherung. Sachliche Argumente scheinen für Ministerin Bauer keine Rolle zu spielen.

Es war eine emotionale Debatte (bei youtube als Video dokumentiert): Professoren, Mitarbeiter, Studenten, Bürger, Musikschaffende und Pressevertreter drängten sich vergangenen Freitag in den viel zu kleinen Kammermusiksaal der Musikhochschule Mannheim. Die Diskussion mit Wissenschaftsministerin Bauer wurde über Lautsprecher in den Vorraum und sogar den Innenhof des Gebäudes übertragen.

Verständlich, dass jeder dabei sein sollte, denn für die Musikhochschulen in Mannheim und Trossingen geht es ums Ganze. Wenn die Pläne des Wissenschaftsministeriums umgesetzt werden sollten, würden sie aufhören, in ihrer jetzigen Form zu existieren. Der Musikhochschule Mannheim droht beispielsweise die vollständige Abschaffung der klassischen Studiengänge mit 540 Studenten und damit die Auslöschung.

Es geht um die Existenz

Daran ändert auch nichts, dass die Popakademie plus die verbliebenen Studienplätze in den Sparten Pop/Jazz und Tanz eine "neue" Musikhochschule bilden sollen. Diese "neue" Musikhochschule hätte mit der jetzt existierenden Institution nur den Namen gemein.

Es ist daher im höchsten Maß verwunderlich, wenn Ministerin Bauer erklärt, die Musikhochschule solle die Pläne, die ihre Abschaffung zur Folge hätte, als Chance verstehen. Welche Chance soll in der Abschaffung liegen?

Keine sachlichen Gründe

In der nachfolgenden Pressekonferenz wurde deutlich, dass keine sachlichen Gründe existieren, um die komplette Abschaffung der Klassikausbildung in Mannheim zu rechtfertigen. Es ist eine rein politische Entscheidung.

Und das ist ein Problem.

Ministerin Bauer hat ihre Bereitschaft erklärt, Gespräche mit Studenten, Politikern und Kulturschaffenden zu führen – an ihrem Konzept hält sie aber nachdrücklich fest.

Warum Mannheim?

Sie verteidigt die Reformpläne als "attraktive Lösung", die dem gesamten Land nützt. Mit einer schärferen Profilbildung sollen die Musikhochschulen des Landes ihre akademische Position verbessern.

Sie werde in den Gesprächen dafür werben, dass auch "gute, liebgewonnene Studiengänge" sowie "andere Dinge", die an einem Standort "nicht weitergeführt werden können, an einem anderen Standort weitergeführt werden."

All das erklärt aber nicht, warum Mannheim und Trossingen das volle Ausmaß der Kürzungen tragen müssen, während die drei anderen Musikhochschulen in Stuttgart, Freiburg und Karlsruhe ungeschoren davonkommen.

Ein abgekartetes Spiel?

Der gesamte Entscheidungsprozeß erscheint nebulös. Man weiß von der Expertengruppe, wobei sich einer – Georg Ruby – bereits durch eine Stellungnahme distanzierte. Ebenso weiß man, dass etliche andere Akteure, nicht zuletzt die Studenten selbst, zu noch keinem Zeitpunkt einbezogen wurden.

Spekulationen, Vermutungen und Verschwörungstheorien können auf diese Art wuchern, was der Debatte insgesamt auch nicht zuträglich ist. Demnach könnte folgendes passiert sein:

Die Verantwortlichen der Musikhochschulen Stuttgart, Freiburg oder Karlsruhe bildeten frühzeitig eine Dreierkoalition und sicherten sich besonderen Zugang zum und Einfluss auf die Entscheidungsfindung des Ministeriums, um die Chance zu wahren, die eigenen Hochschulen beinahe vollständig zu erhalten.

Solche Interpretationen werden durch Informationen aus informierten Kreisen genährt: Die Vertreter der drei Hochschulen Stuttgart, Freiburg und Karlsruhe seien in den bisherigen Gesprächen im Ministerium sehr gelassen aufgetreten.

Träfen diese Spekulationen zu, dann wäre das kein Wunder: Wenn die Rektoren der drei Hochschulen von den Plänen bereits wussten, sie gar mitgeprägt hätten, dann bestand kein Grund zur Nervosität. Ihnen war klar, dass sie von den Kürzungen verschont bleiben würden.

So heißt es in einer Antwort des baden-württembergischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf eine Anfrage der NMZ bezüglich des Akademiekonzepts auch: "Die Grundidee ist im Ministerium im Dialog mit den Musikhochschulen Karlsruhe, Freiburg und Stuttgart entstanden."

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Keine faire Chance für Mannheim

Fest steht: Mannheim und Trossingen standen plötzlich auf der Verliererseite und haben – so der Eindruck, den Frau Bauers Besuch in Mannheim festigte – möglicherweise schon längst keine faire Chance mehr: Alles wirkt so, als seien die wesentlichen Entscheidungen bereits gefallen, noch bevor die offiziellen Verhandlungen überhaupt begannen.

In einer gemeinsamen Erklärung werfen die Musikhochschulen Stuttgart, Freiburg und Karlsruhe nun ihren Kollegen in Mannheim und Trossingen vor, die Spaltung vorangetrieben zu haben. In Wirklichkeit, so kann man durchaus vermuten, war es genau umgekehrt.

Sprechverbot in Karlsruhe und Stuttgart

Selbst wenn dies nicht zutreffen sollte: Kein Entscheidungsträger an den drei begünstigten Standorten sollte sich darüber wundern, dass die Musikhochschulen Mannheim und Trossingen vehement gegen ihre Abschaffung auf die Barrikaden gehen.

An den eigenen Hochschulen ist diese Entscheidung nicht unumstritten, denn die dortigen Professoren sind sich des Risikos bewusst. Daher erließen die Hochschulen Karlsruhe und Stuttgart Sprechverbot für ihre Professoren, in Stuttgart sogar mit Ankündigung disziplinarrechtlicher Konsequenzen, wie Prof. Johannes Michel, Landeskantor der evangelischen Kirche in Nordbaden verriet. Sieht so die von diesen Hochschulen geforderte "sachliche argumentationsreiche Erörterung" aus?

Gegenargumente spielen keine Rolle

Es ist vielmehr zu vermuten, dass Argumente keine Rolle spielen. Musikschaffende, Vertreter der Kirchenmusik, Leiter von Musikschulen, Künstler, Professoren, Studenten, Mannheimer Bürger, Vereinsvertreter haben eine Fülle guter Argumente vorgebracht. 

Doch was nützt das? Die Argumentation des Rechnungshofs wurde ja auch vom Ministerium wie von den drei Hochschulen mit fadenscheinigen Argumenten beiseite gewischt. Man ist sich einig: Mannheim und Trossingen sollen bluten.

Da es für diese Entscheidung keine sachlichen Argumente gibt, erschwert es, sie mit noch so nachvollziehbaren Gegenargumenten zu bekämpfen. Die Pläne können nur politisch verhindert werden.

In dieser Hinsicht gibt es einen Hoffnungsschimmer. Bei einer Pressekonferenz der SPD am vergangenen Donnerstag erklärte der Fraktionsvorsitzende Claus Schmiedel, dass die Reformpläne von Ministerin Bauer in dieser Form keinesfalls umgesetzt würden.

Widerstand der SPD ist ein gutes Zeichen

Bemerkenswert an dieser Veranstaltung waren die deutlich spürbaren Emotionen der anwesenden Politiker. Während Schmiedel sich eher süffisant an den hausgemachten Problemen der Ministerin erfreute, waren bei Stefan Fulst-Blei, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD und Helen Heberer, der Vorsitzenden des Ausschusses für Wissenschaft im Landtag, tiefe Verärgerung zu spüren.

Für die Musikhochschulen Mannheim und Trossingen ist das ein gutes Zeichen. Aber dennoch sollte klar sein, dass der Kampf für den Erhalt dieser Standorte hart und lang wird. Man sollte Ministerin Bauer nicht unterschätzen. In ihren öffentlichen Reden wirkt sie immer leicht verplant, aber im kleinen Kreis ist ein anderes Maß an Autorität und Präsenz spürbar.

Nach der Sommerpause wird der Kampf erst richtig Fahrt aufnehmen.

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