Uriah Heep (live in Frankfurt 2020) Fotostrecke starten

Uriah Heep (live in Frankfurt 2020) © Rudi Brand

Das neue "Music & Stories"-Liveformat bringt mit Uriah Heep, Nazareth und Wishbone Ash drei Rockgrößen der 1970er Jahre in der Frankfurter Jahrhunderthalle zusammen. Das Ergebnis sind witzige und interessante Anekdoten aus den jeweiligen Bandgeschichten und über weite Strecken sehr gelungene Performances der "alten Recken".

Man kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass die Musik der 1970er bis heute großen Einfluss auf die Rockgeschichte ausübt. Inzwischen teilen sich die musikalischen Helden von damals in zwei Gruppen auf: Einige verscheiden viel zu früh und oft an schwerer Krankheit, wie jüngst Rush-Meisterdrummer Neil Peart.

Andere wiederum sind immer noch total umtriebig und werden wahrscheinlich so lange weitermachen, bis es nicht mehr geht. Zu letzterer Kategorie zählen die drei britischen Ikonen der allerersten "Music & Stories"-Konzertreihe – Uriah Heep, Nazareth und Wishbone Ash.

Neuartiger Ansatz

Das neue Liveformat hat es sich auf die Fahne geschrieben, Geschichten von Künstlern ans Licht zu bringen, die Geschichte geschrieben haben. So lässt sich der Gesamtansatz wohl am besten zusammenfassen.

Als eine Art "Zeremonienmeister" führt mit The Sweet-Gitarrist Andy Scott eine weitere Rocklegende durch das Programm. Er kündigt die drei Gruppen an und führt auch während der Umbauphasen die Gespräche mit ihnen. Natürlich kommen die zeitlosen Stücke, auf denen der Ruhm der illustren Bands beruht, nicht zu kurz. 

Vorreiterrolle rückwärts

Den Anfang des musikalischen Abendprogramms macht die aktuelle Besetzung der sträflich unterbewerteten wie einflussreichen Wishbone Ash. Eine gute Dreiviertelstunde versetzt sorgt das Quartett um das einzig noch verbliebene Urmitglied Andy Powell mit einer inspirierten Darbietung ihrer ausgedehnten, filigranen Nummern das Publikum zurück in die musikalische Hochphase der Band in den frühen 1970ern.

Lediglich die hin und wieder auftretenden Rückkopplungen trüben den Hörgenuss ein wenig. Bei herausragenden Songs wie "The King Will Come" oder "Phoenix" ist es dennoch kaum verwunderlich, dass sich mittlerweile nicht weniger legendäre Gruppen wie Iron Maiden und Thin Lizzy von den Pionieren des doppelten Leadgitarrensounds anstecken ließen.

Geschichte(n) machen…

Zwischen den Auftritten der drei Bands folgen schließlich die von Andy Scott moderierten "Stories"-Sektionen, die mal mehr, mal weniger informativ, aber jederzeit unterhaltsam ablaufen. So erfahren die Zuschauer in der Frankfurter Jahrhunderthalle von Uriah Heeps Mick Box beispielsweise, dass das pfeifartige Geräusch in "The Wizard" von einem Teekessel stammt, den die Band bei den Aufnahmen zu ihrer "Demons & Wizards"-Platte verfremdete.

Nicht minder spannend ist es, zu hören, dass Andy Powell in den 1970ern die Chance ablehnte, auf John Lennons "Imagine"-Album zu spielen oder es unterließ, den kurz darauf zu den Eagles gewechselten Joe Walsh als dritten Gitarristen in die Band zu holen.

Auch Nazareth-Urbasser Pete Agnew gibt natürlich einige Anekdoten zum Besten, unter anderem von den Erlebnissen seiner Band und von Wishbone Ash bei gemeinsamen Auftritten in Südafrika.

Biblisches von den britischen Inseln

Pete Agnew ist auch gleich ein gutes Stichwort, betritt er doch als letzter verbliebener Nazarener mit dem Rest seiner aktuellen Truppe als zweite Band die Bühne der Jahrhunderthalle. Er und seine Mannen, darunter der stimmgewaltige Carl Sentance, liefern keine schlechte Leistung ab.

Musikalisch fallen die Schotten nach den deutlich virtuoseren Wishbone Ash allerdings ein wenig ab – Klassikern wie "This Flight Tonight", "Hair Of The Dog" oder "Love Hurts" und jeder Menge rauer Energie zum Trotz.

Dem Publikum gefällt es dennoch – gerade, weil sich Nazareth extrem bodenständig gerieren. So lässt sich Frontmann Sentance beispielsweise mitten im Set das Smartphones eines Fans reichen, um sich selbst und die restliche Band für die Anhängerin damit auf der Bühne zu filmen.

Ein purpurroter Touch

Die völlig berechtigten Headliner der ersten "Music & Stories"-Tour sind aber zweifelsohne Uriah Heep, die nach Andy Scotts "sweeter" Fragerunde mit den beiden übrigen Bands das große, etwa 70-minütige Finale des Abends bestreiten.

Allerdings tun die nach einer Charles Dickens-Figur benannten Engländer dies in leicht veränderter Besetzung: Don Airey von Deep Purple nimmt für Stammkeyboarder Phil Lanzon, der erst kürzlich seinen ältesten Sohn verloren hat, hinter den Tasten Platz.

Dass Uriah Heep dadurch etwas anders als üblich klingen, fällt zwar ab und an auf, stört aber nicht weiter. Eine gewisse stilistische Nähe zwischen beiden Bands war aufgrund der Besetzung schon immer ein Stück weit vorhanden – und Airey ist eben auch alles andere als ein schlechter Keyboarder.

Heepster statt Hipster

So rocken sich die inzwischen ergrauten Mick Box und Bernie Shaw sowie ihre Mitstreiter durch ein ausgewogenes, aber natürlich primär aus Klassikern bestehendes Set. Die zu diesem Zeitpunkt deutlich opulenter gehaltene Bühnenbeleuchtung leistet ihr Übriges, um dem druckvollen Auftritt von Uriah Heep mit Nummern wie "Gypsy" und "Look At Yourself" die passende visuelle Note zu liefern.

Bei der Hymne "Lady In Black" stimmt das Publikum erwartungsgemäß minutenlang den einsilbigen, aber markanten Refrain an, bevor Uriah Heep die Zuschauer nach etwas mehr als vier Stunden Gesamtprogramm schließlich mit dem Hit "Easy Livin‘" in die Januarnacht entlassen werden.

Erfolgreiche Premiere

Trotz kleinerer Malheure (wie dem Feedback bei Wishbone Ash) ist die Premiere der "Music & Stories"-Reihe in Frankfurt ein Erfolg. Das liegt auch daran, dass man den Beteiligten anmerkt, wie viel Spaß ihnen dieses neue Veranstaltungsformat bereitet.

Dabei fällt neben der musikalischen Qualität vor allen Dingen eine Sache ins Auge: Uriah Heep, Nazareth und Wishbone Ash – oder zumindest das, was von ihren großen Besetzungen der 1970er Jahre noch übrig ist – verfügen neben ihren Klassikern auch über einen breiten Fundus an interessanten Anekdoten aus ihrer langen Geschichte, die es sich ebenso zu hören lohnt wie die Stücke.

Irgendwann werden die drei Bands dann doch einmal abdanken müssen. Nach solchen Abenden wie dem in der Jahrhunderthalle dürfte eins klar sein: Sie werden fehlen.

Setlists

Wishbone Ash: The King Will Come / Warrior / Throw Down The Sword / We Stand As One / Jail Bait / Phoenix / Blowin’ Free

Nazareth: Miss Misery / Razamanaz / This Flight Tonight / Dream On / Change / Beggars Day / Changin' Times / Hair Of The Dog / Tattooed On My Brain / Love Hurts / Morning Dew

Uriah Heep: Grazed By Heaven / Too Scared To Run / Take Away My Soul / Rainbow Demon / Gypsy / Look At Yourself / July Morning / Lady In Black // Sunrise / Easy Livin’

Alles zu den Themen:

uriah heep nazareth wishbone ash the sweet