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Palais Schaumburg (live in Frankfurt 2019) © Torsten Reitz

Hinter dem blumigen Namen Palais Schaumburg verbirgt sich nicht nur das ehemalige Bundeskanzleramt, sondern auch eine ähnlich blumige NDW-Gruppe aus Hamburg – die bei einem ihrer rar gesäten Live-Auftritte im Frankfurter Nachtleben im Rahmen des Musikmesse Festivals voll zu überzeugen vermag.

Seit ihrem selbstbetitelten Debütalbum aus dem Jahr 1981 haben es Palais Schaumburg nie über den Geheimtipp-Status hinaus geschafft.

Zu seltsam ist die Mischung aus komplexer Funk-Rhythmik und atonalen No-Wave-Riffs, aus Disco-Appeal und dadaistischer Lyrik – und das in einer Szene, die sich zwischen Trio, DAF oder Der Plan dem Experiment nie verweigert hat.

Es lebe das Revival

Nach nur drei Alben lösten sich Palais Schaumburg um 1984 auf. Seit 2011 stehen sie in Originalbesetzung hin und wieder vereinzelt auf deutschen Bühnen, so auch beim Musikmesse Festival im gut gefüllten Frankfurter Nachtleben.

Neues Material ist angeblich in Arbeit, findet in Ermangelung fertiger Texte jedoch nicht den Weg ins Set. Daher zelebriert die Gruppe ihren schmalen, aber reichhaltigen Backkatalog, erweckt aber glücklicherweise zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, nur einen Aufguss einstiger Ruhmestaten zu bieten – entgegen ihrer selbstironischen Verkündigung einer 80er-Rückschau.

Dissonanz in dub

Dass die Band um Sänger und Gitarrist Holger Hiller auch nach über dreißig Jahren noch immer ungemein frisch wirkt, liegt sicherlich in der unbestreitbaren Qualität des Ausgangsmaterials begründet.

Zudem überzeugen Palais Schaumburg nicht zuletzt durch ihr so souveränes wie kraftvolles Zusammenspiel. Insbesondere die Rhythmusgruppe um Drummer Ralf Hertwig und Bassist Timo Blunck sorgt mit ihrem abwechselnd funkigen und fast mathematisch-komplexen Spiel für ein ebenso tanzbares wie aufregendes Fundament.

Thomas Fehlmann wechselt zwischen dissonanten Keyboard- und Synthesizer-Sounds und stakkatoartiger Funk-Trompete, die häufig durch den Effekteinsatz – insbesondere durch dubbige Delays – erweitert und gebrochen wird. Bluncks unkonventionelles Spiel, gepaart mit den elaborierten Live-Manipulationen, macht viel der schrägen Atmosphäre Palais Schaumburgs aus. 

Braunes Deutschland, grünes Kanu

Nicht zuletzt sind es jedoch Holger Hillers kindlich-dadaistische Lyrics, die für den Appeal der Gruppe sorgen. Live ist es besonders spannend, zu sehen, dass Hillers Textproduktion scheinbar seit Bandgründung nicht stillgestanden hat. Immer wieder werden Textzeilen verändert, verschoben, erweitert oder gekürzt.

Insbesondere "Deutschland kommt gebräunt zurück" wird fast gänzlich umgekrempelt – Hiller zufolge auch deswegen, um dem "schwierigen Thema" gerecht werden zu können. Andere Lieder bleiben unverändert, darunter die eindringliche Single "Kinder der Tod".

Die Freude

Gerade die spontane und lockere Herangehensweise, die Palais Schaumburg an den Tag legen, sorgt dafür, dass die Gruppe die Fallstricke eines nostalgisch-verklärten 80er-Revivals gekonnt umschifft.

Die Hamburger zeigen keine Angst, den Sound, für den sie so bekannt wurden, weiterzuentwickeln und zu verändern. Sie glätten den doch arg chaotischen Sound des Debütalbums und passen ihn an die späteren, besser produzierten Veröffentlichungen an, sodass das Live-Set im Nachtleben wie aus einem Guss wirkt. 

Ende der Fahnenstange

Es überrascht dann auch kaum, dass das zahlreich erschienene Publikum Palais Schaumburg gleich zweimal für Zugaben auf die Bühne holt – ein Wunsch, dem sich die Gruppe gerne beugt.

Bei der zweiten Rückkehr müssen Palais Schaumburg allerdings zugeben, dass sie "Grünes Winkelkanu" nicht geübt haben und daher lieber nochmal "Wir bauen eine neue Stadt" in einer anderen, schnelleren Version spielen. Das erinnert an junge Popstars, die ihren einzigen Hit zweimal spielen und schafft damit eine wunderbar ironischen Kontrast zu Palais Schaumburg, dem immer noch hörenswerten Geheimtipp der NDW.

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