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Ghost (live in Stuttgart, 2019) © Dominic Pencz

Der Auftakt der Deutschlandtour des schwedischen Doppelpacks mit Ghost und Support-Act Candelmass sorgt für einen hochkarätigen Abend der Gegensätze in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyerhalle.

Mysterien verhüllen sich gerne. Das gilt insbesondere für Ghost, die sich in ein bedeutungsschwangeres Gewand aus selbstgeschaffenen Mythen, Illusionen und Satanismus hüllen. Entsprechend theatralisch auch ihre Konzerte, die in Gestalt eines okkult-religiösen Rituals ihre Wirkung nicht verfehlen.

Spezielle Rituale

Musikalisch bieten Ghost eine Melange aus dem Psychedelic Rock der 60er und 70er, frühem Doom à la Pentagram und klassischem 80er-Metal im Stile der New Wave of British Heavy Metal. Dieser Ruf eilt der Band voraus und so finden sich knapp 3500 meist schwarz gewandete Jünger in der Schleyerhalle zum Auftakt von Ghosts "A Pale Tour Named Death" ein.

Nicht nur gibt es an diesem Abend keine Sitzplätze, auch der Innenraum der Halle ist zur Hälfte abgehängt – eine gute Entscheidung, denn dadurch wirkt die Halle gut gefüllt und bestens gerüstet für einen Auftritt der besonderen Art. Begleitet werden Ghost auf der Tour nämlich von den ehrwürdigen Candlemass, die das Genre des Doom-Metals maßgeblich prägten.

Geschichtsstunde für die jüngeren Besucher

Candelmass sind ohne Frage eine der wichtigsten Bands des Doom-Metals. 1986 veröffentlichte die Band um Bassist Leif Edling und Sänger Johan Langquist das Album "Epicus Doomicus Metallicus" – ein Werk, das vor schweren, langsamen Riffs und Traurigkeit nur so strotzt. 

Es wurde zum Meilenstein des Doom und prägte die gesamte Namensgebung des Genres. Ein Jahr später verließ Langquist die Band. Nach diversen Besetzungswechseln und Bandauflösungen treten Candlemass heute quasi wieder in Originalbesetzung (ohne Drummer Ekstrom) auf, denn Langquist ist seit 2018 nach 32 Jahren Abstinenz wieder dabei.

Candlemass zelebrieren Doom in Reinform

Pünktlich um 19 Uhr betreten die alten Herren von Candlemass die Bühne und spielen vor einem sehr schlichten Bühnenbild ein Set, das einen Querschnitt durch ihr musikalisches Werk darstellt. Die Band präsentiert sich dabei in bester Verfassung und arbeitet sich mit großer Spielfreude durch ihr 45-minütiges Programm.

Als einziger Song des neuen Albums "The Door to Doom" findet "Astorolus – The Great Octopus",  dessen Solo wurde in der Albumversion von keinem geringeren als Toni Iommi eingespielt wurde, den Weg in die Setlist.

Langsam und melodiös

Sänger Langquist zeigt sich in Stuttgart stimmlich in hervorragender Form, was den langsamen, aber sehr melodiösen Songs von Candlemass wirklich gut zu Gesicht steht! Dem entgegen steht leider der etwas matschige und für die Schleyerhalle typisch dumpfe Sound.

Das überwiegend junge Publikum scheint nur zu Teilen etwas mit der Band anfangen zu können und so halten sich die Begeisterungsstürme leider spürbar in Grenzen. Schade, denn diese Band ist mehr als nur Support!

"How do you feel? Welcome to tonight’s spectacle"

Bereits während der Umbaupause, die von Einspielungen gregorianischer Choräle begleitet wird, deutet sich an, dass Ghost wesentlich theatralischer zu Werke gehen werden. Pünktlich um 20.15 beginnen Sänger Tobias Forge aka Papa Emeritus aka Cardinal Copia und seine Nameless Ghouls voll verkleidet und maskiert ihre teuflisch eingefärbte Zeremonie. Dafür werden sie vom Publikum frenetisch begrüßt.

Die nach einem Rechtsstreit, der zur Enttarnung der ursprünglich komplett anonymisierten Bandmitglieder führte, komplett neu zusammengesetzte und bestens aufeinander eingestimmte Band spielt in einem für die Schleyerhalle bemerkenswert guten Klangkostüm.

Warum die Akte?

In nahezu perfekter Inszenierung mit Songs ihrer gesamten Schaffensperiode ziehen Ghost während des Konzertes sämtliche Register der modernen Unterhaltungsshow und bieten alles von Pyroelementen, ausgefeiltem Bühnenacting, cleverer Publikumsinteraktion, bis hin zum Duell der beiden Gitarristen (eine Reminiszenz an das Gitarrenduell im Film Crossroads?). Was für ein Konzert!

Klar, dass die Ghostsche Liturgie hierbei nicht zu knapp mit der Verwendung und Verballhornung christlicher Symboliken wie dem Schwenken eines Weihrauchfässchens, Mönchsroben, umgedrehten Kreuzen oder Mitren geizt. Unklar ist lediglich, warum das Konzert in zwei Akte unterteilt ist, ohne dass sich der Charakter des Konzerts ändert. Ein ausgedehnter Zugabenteil hätte dem Konzert besser gestanden.

Die Bühne als Protagonist

Der stille und heimliche Protagonist einer jeden Ghost Show ist ohne Frage die Bühne. Der gigantische Bühnenaufbau bildet quasi den Eingang zu einer Kathedrale nach und passt sich somit perfekt dem mythischen Gesamtbild der Band an. Mehr noch, das Bühnenbild ergänzt das Konzept der Band und macht sie dadurch erst vollständig.

Das Gleiche gilt für die sehr aufwändige Bühnenbeleuchtung inklusive der atmosphärischen Lightshow. Diese Elemente komplettieren Ghost zu einer Art Kunstinstallation und machen das Konzert zu einem spektakulären Gesamtkunstwerk der Superlative. Großartig!

Gegensätze ziehen sich an?

Der Konzertabend ist von deutlichen und spannenden Gegensätzen geprägt. Auf der einen Seite stehen die Altmeister von Candlemass, die nicht so recht zum überwiegenden Teil der anwesenden Gäste passen. Gleichwohl sind Ghost, die Meister der Inszenierung, ohne Szenebereiter wie Candlemass undenkbar.

Während letztere nur die Musik für sich sprechen lassen und quasi ohne Showelemente auskommen, setzen Ghost auf die ganz große Trickkiste und erheben ihr Konzert zu einem Gesamterlebnis. Trotz dieser Gegensätze schließt sich hier musikalisch ein großer Kreis, denn ohne Candlemass sähen Ghost wohl anders aus und umgekehrt erschließt die Popularität von Ghost ihren Wegbereitern von Candlemass sicherlich auch ein neues Publikum.

Ein Punkt der jedoch viele vereinte, war das Tragen von Masken und Verkleidungen. So gesehen erfüllt das Ritual seinen Zweck, denn frei nach dem Philosophen Mikhail Bakhtin ist das Maskieren und Verkleiden ein Sinnbild der Metamorphose und steht somit für das spielerische Element im menschlichen Sein.

Setlist Candlemass

Intro: March Funebre (vom Band) / The Well of Souls / Dark Reflections / Astorolus – The Great Octopus / Mirror Mirror / A Sorcerer’s Pledge / Solitude

Setlist Ghost

Act 1: Klara Stanjör (vom Band) / Misere Mei, Deus (vom Band) / Ashes / Rats / Absolution / Ritual / Con Clavi Con Dio / Per Aspera ad Inferi / Devil Church (mit Gitarrenduell) / Ciric / Miasma / Jigolo Har Megiddo (akustisch) / Pro Memoria / Witch Image / Life Eternal /

Act 2: Masked Ball (vom Band) / Spirit / From the Pinnacle to the Pit / Majesty / Satan Prayer / Faith / Year Zero / Spöksonat (vom Band) / He Is / Mummy Dust / If You Have Ghosts (Roky Erickson Cover) / Dance Macabre / Square Hammer / Monstrance Clock (Encore)

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