Die Karlsruher Metalheads scheinen ein veritables Partyvolk zu sein. Schon am späten Nachmittag ist die ausverkaufte Schwarzwaldhalle beim Knock Out Festival 2018 prall gefüllt mit bestens gelauntem Publikum.

Party am Nachmittag

Darüber freut sich auch Chris Bay, Sänger und Gitarrist von Freedom Call. Die vor zwanzig Jahren in Nürnberg gegründete Band liefert Power Metal bis in die Spitzen der langen Haare.

Extrem auf Eingängigkeit getrimmte Melodien, durchgetretenes Gaspedal, dazu Tenor-  und Kopfstimmengesang – klar, dass die Songs an diesem Abend Titel tragen wie "Warriors" (nicht zu verwechseln mit ihrem Song "Warriors of Light"), "Union Of The Strong" und natürlich "Metal Is For Everyone". Originell? Wohl kaum. Kitschig? Immens.

Gleichzeitig machen Freedom Call jedoch einen Riesenspaß, denn die Band vermag mit ihren Ohrwürmern für grandiose Stimmung zu sorgen. So lassen sich die Fans nicht lange bitten, bei "oooh-oooh"-Gesängen und "hey hey"-Sprechchören mitzumachen.

"Jetzt hamma euch im Sack" stellt Bay zwischendurch fest. Äußerst sympathisch ist auch, dass die Band ihre Metal-Botschaften mit jeder Menge Selbstironie in die Welt trägt. Ein sehr runde Show zu früher Stunde, die lediglich an dem etwas dumpfen und basslastigen Sound in der Halle kränkelt.

Hardrock der alten Schule

"Hat Vince Neil Gesangsunterricht genommen?" könnte man sich zu Beginn der Show von CoreLeoni fragen, doch weit gefehlt. Die Band ist neu, die Musik ist alt: Sie wurde von Gotthard-Gitarrist Leo Leoni 2017 anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des ersten Gotthard-Albums als Projekt gegründet, um den vernachlässigten Songs aus der Frühphase der Band neues Leben einzuhauchen.

Das Vorhaben geht beim Knock Out Festival voll auf, denn mit Rainbow-Sänger Ronnie Romero hat man ein absolutes Ausnahmetalent als Frontmann ins Boot geholt. Mit beeindruckender Stimmgewalt und einer guten Portion Rockstar-Attitüde interpretiert er die Lyrics des 2010 verstorbenen Steve Lee in Songs wie "Higher", "Downtown", und "Firedance".

Irgendwo zwischen "Mountain Mama" und "She Goes Down" wacht dann auch das Publikum wieder vollständig auf, bevor die Band es mit "Ride On" und "Here Comes the Heat" noch mal krachen lässt. Zwar ist auch bei CoreLeoni der Sound nicht optimal, doch gelingt es der Band, das alte Songmaterial old-school, aber nicht verstaubt klingen zu lassen.

Sinner geht immer

Mat Sinner ist offenbar ein gern gesehener Gast auf dem Knock Out Festival: 2011 mit Voodoo Circle, 2014 mit Primal Fear, 2017 mit Sinner und in diesem Jahr wieder mit Primal Fear, seiner kommerziell sicherlich erfolgreichsten Band. Die hauen dem Publikum mit "Final Embrace" und "Chainbreaker" erst einmal zwei Dampfhammer der ersten beiden Alben um die Ohren, bevor mit "Blood, Sweat & Tears" der erste Song des neuen Albums folgt.

Es prügelt, stampft und drückt, was das Zeug hält, dazu gibt es zweistimmige Gitarrensoli – alles was das Metalherz begehrt. Darüber lässt Sänger Ralf Scheepers, der unverändert an Rob Halford von Judas Priest erinnert, seine beeindruckende Kopfstimme kreisen. Sogar seine Haltung mit beiden Händen am Mikro ist der des Metal Gods ähnlich, auch wenn Scheepers offensichtlich mit einem Zigfachen an Muskelmasse zupackt.

Die Tücken des Power Metals

Langsam wird es ernst in der Schwarzwaldhalle und der Sound besser. Bei "Face The Emptiness" sprühen zum ersten Mal hohe Nebelfontänen vor der Bühne empor, während Scheepers langegezogene Schreie zum Besten gibt und Schlagzeuger Francesco Jovino beinahe hinter seinem monströsen Rig verschwindet. Bei "Under Your Spell" beschwört der Frontmann das Publikum mit einer Gestik, die an einen Wunderheiler in Ekstase erinnert.

Doch so stark mancher Song auch sein mag: Während der zweiten Hälfte verliert die Show an Durchschlagskraft. Womöglich ist das Material der Band in seiner Intensität dann doch etwas zu gleichförmig, um den Spannungsbogen konstant hoch zu halten. Am Ende reißen Primal Fear mit "Metal Is Forever" unter lautstarker Publikumsbeteiligung aber noch einmal das Ruder herum.

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Danish Dynamaids

"We Came To Rock" heißt einer der Songs, den die Pretty Maids relativ am Anfang ihrer Show zum Besten geben, und schnell wird klar, dass die Band es nach 37 Jahren im Geschäft noch immer so meint. Herrlich unbeschwert spielen die Dänen auf, beweisen muss man längst niemandem mehr etwas.

Sänger Ronnie Atkins, der im Gegensatz zu vielen Genrekollegen stimmlich eher hinzugewonnen hat anstatt abzubauen, hat keine großen Gesten nötig, sondern kann sich allein auf sein Charisma verlassen, um die Fans in den Griff zu bekommen. Der Frontmann fühlt sich auf der Bühne der Schwarzwaldhalle sichtlich zu Hause – kein Wunder, war die Band doch erst 2014 beim Knock Out Festival zu Gast. Auch Gitarrist Ken Hammer ist die Spielfreude deutlich anzumerken.

Gruß aus den 80ern

Mit Keyboards, jeder Menge Hall und einer Gitarre, die mit massivem Gain auch gerne mal Pinch Harmonics aufheulen lässt, werden die Fans klanglich in die 80er zurückversetzt. Auf die Ohren gibt es eine Mischung aus Klassikern wie natürlich "Future World", "Back To Back" oder auch "Love Games" und neueren Songs der Marke "Bull's Eye" und "Mother Of All Lies". Einziger Wermutstropfen sind die etwas unangenehmen Feedbackprobleme, mit denen die Pretty Maids zu Beginn der Show zu kämpfen haben.

AAAAAH – It's Halloween!

Als der Vorhang schließlich für die Headliner Helloween fällt, dauert es erst mal eine Weile, bis man einen Überblick über das Treiben auf der Bühne erlangt, in deren Mitte sich ein riesiger Kürbis in Form einer Krone befindet. Immerhin tummeln sich in der "Pumpkins United"-Besetzung nunmehr sieben Kürbisköpfe. Los geht es mit "Halloween" vom ersten Keeper-Album. Wenn Andi Deris, der in Karlsruhe geboren ist, und der wieder hinzugestoßene Michael Kiske gemeinsam singen, wirkt die Show ein wenig wie ein Musical, das mitten im Hauptakt beginnt.

Beachtlich, wie sich beide Sänger gegenseitig Raum geben und mitunter fast wie ein Herz und eine Seele wirken. Als "Andi Kiske und Michael Deris" stellen sie sich gar gegenseitig vor. Im direkten Vergleich fällt auf, dass Kiske stimmlich zu Beginn etwas unsicherer wirkt als Deris, der sich auch physisch auf der Bühne präsenter zeigt.

Wie füreinander gemacht

Wie auch beim folgenden "Dr. Stein" von Keeper-Album Nr. 2 zu hören scheint Deris Stimme zudem ein wenig direkter abgemischt zu sein, während Kiske zuweilen etwas mehr im Hintergrund des Mixes liegt. Doch bei der heutigen Performance ist das Meckern auf hohem Niveau. Beeindruckend ist, wie die unterschiedlichen Stimmfarben der beiden Sänger harmonieren und sich gegenseitig ergänzen.

Großen Wert legt die Band offenbar darauf, die Schaffensphasen mit beiden Sängern einigermaßen ausgewogen zu präsentieren. Neben Duetten wie in "A Tale That Wasn't Right" dürfen beide Sänger zwischendurch auch solo ran, Kiske etwa bei "I'm Alive" und Deris – mit Glitzerfrack, Hut und Sonnenbrille – bei "Perfect Gentleman". Auch Gitarrist Kai Hansen, einstiger Mastermind und erster Sänger der Band, darf das Mikro übernehmen, wenn die Band ein Medley aus Songs des ersten Albums "Walls of Jericho" anstimmt.

Karlsruhe gibt noch mal alles

Hansen teilt sich die Soli mit Michael Weikath, als wäre er nie weg gewesen. Die Frage, ob drei Gitarren auf der Bühne einen soundtechnischen Mehrwert bringen, haben etwa Iron Maiden schon 1999 bei ihrer Reunion gestellt – auch Helloween können sie knapp 20 Jahre später nicht wirklich beantworten. Emotionaler Höhepunkt des Abends: Drummer Daniel Loeble liefert sich ein ergreifendes Schlagzeugduell mit einer Videoeinspielung des Gründungsmitglieds Ingo Schwichtenberg, der 1995 Selbstmord beging.

Ihre über dreistündige Monstershow der Headliner-Tour müssen die Kürbisköpfe natürlich für das Festival ein wenig kürzen. Etwas schade ist dabei, dass "Keeper Of The Seven Keys" nur kurz angespielt wird. Nicht fehlen dürfen am Ende natürlich – abermals im Duett – "Future World" und "I Want Out" mit massiver Beteiligung des begeisterten, aber auch merklich erschöpften Publikums, bevor die Band es nach 1:00 Uhr in die kalte Dezembernacht entlässt.

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