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Niedeckens BAP (live in Mannheim, 2018) © Kosta Jiannis

Die größte BAP-Besetzung aller Zeiten bringt neue Ideen in den ausverkauften Mannheimer Rosengarten und bleibt gleichzeitig der Bandtradition treu. Für den emotionalen Höhepunkt des Abends sorgt ein ganz besonderer Gast.

Neun Leute auf der Bühne, so voll war es bei BAP noch nie! Wolfgang Niedecken hat seine Band 2018 um drei Bläser aufgestockt – und die sind in Mannheim keine Unbekannten: Christoph Moschberger (Trompete), Axel Müller (Saxophon) und Johannes Goltz (Posaune) sind Mitglieder der Mannheimer Gruppe "Grosch’s Eleven", die als Band für die TV-Show "Sing meinen Song" fungiert.

New Orleans-Style

In diesem Rahmen kamen sie auch mit Wolfgang Niedecken zusammen, der 2016 an dem Format mitwirkte. Da man hervorragend miteinander harmonierte, entstand die Idee, die anlässlich der Veröffentlichung von Niedeckens Soloalbum "Reinrassije Stooßekööter" anstehende Tour gemeinsam zu absolvieren.

Da bei diesem in New Orleans produzierten Werk die Bläserarrangements eine wesentliche Rolle spielten, ist das eine sehr stimmige Entscheidung. Um völliges Neuland handelte es sich für BAP nicht: Ur-Mitglied Manfred "Schmal" Boecker bildete bei einigen lange zurückliegenden Tourneen zusammen mit Dauergast Kalau Keul einen kleinen Bläsersatz, aber dieser war nur bei einigen Songs aktiv und in seiner musikalischen Qualität mit den drei aktuellen Musikern nicht zu vergleichen.

Die "Steckdose" Rosengarten

Der Mannheimer Rosengarten ist eine "Steckdose" (wie im Niedecken-Jargon Auftrittsorte heißen), die bei jeder Tour der Band gesetzt ist. Schon häufig kamen besondere Gäste auf diese Bühne, so zum Beispiel Laith Al-Deen oder Xavier Naidoo. Heute ist keine Ausnahme, im Gegenteil: Niedeckens BAP begrüßen ganz zu Ende des Konzerts einen ganz besonderen Gast. Aber dazu später mehr.

Um 19 Uhr geht es los, schließlich ist am folgenden Tag Montag und bekanntlich spielen Niedecken und seine Kollegen regelmäßig über 3 Stunden. Die Bläser setzen mit dem Opener "Drei Wünsch frei" gleich ein fettes Ausrufezeichen, anschließend lässt "Waschsalon" die Hände wedeln.

"Psycho Rodeo" ist dann ein eher selten gespielter Song aus dem "Comics un Pin-ups"-Album von 1999. Die Band klingt superb, der Sound ist top. Die Entscheidung, vor der Bühne Stehplätze zuzulassen, sorgt für eine im Vergleich zu den letzten beiden bestuhlten BAP-Touren sehr viel ausgelassenere Stimmung .

Songs mit Familienbezug

Der Rosengarten ist ausverkauft, 2.200 Zuschauer erleben einen starken Auftakt mit fünf Songs, die alles andere als "höösch" (Kölsch für "entspannt") daher kommen. Dann wird es allerdings sehr höösch mit dem etwas blutleeren Titelsong seines Soloalbums, der in seinen spannendsten Momenten "Noh all dänne Johre" beleiht.

Die Setlist der Tour basiert auf dem aktuellen Album, das bis auf eine Ausnahme ausschließlich Neueinspielungen von Songs mit Familienbezug enthält, die Niedecken im Verlauf seiner Karriere veröffentlicht hat. Ansonsten hat er relativ viele Songs des großen Durchbruchalbums "Für Usszeschnigge" (1981) und dem starken "Zwesche Salzjebäck un Bier" (1984) ins Programm genommen – eine Auswahl, die bei den Fans sehr gut ankommt.

Originale Arrangements

Ebenfalls gelungen, ist die Entscheidung "Bahnhofskino" nicht in dem Arrangement aus New Orleans zu spielen, sondern nah an der Originalfassung. Wie auch schon auf der vergangenen Tournee setzt Niedecken wieder darauf die alten Stücke grundsätzlich so zu spielen, wie sie aufgenommen wurden. Dies hängt auch mit der Umbesetzung an der Leadgitarre von Helmut Krumminga hin zu Ulrich Rode zusammen.

Musste sich Krumminga seinerzeit von Vorgänger Klaus "Major" Heuser abgrenzen, hat Rode diesbezüglich keine Kämpfe auszutragen und kann unter Beweis stellen, dass er sich die alten Vorlagen vom Major souverän zurecht legen und trotzdem eigene Duftmarken setzen kann. Insbesondere "Jupp" ist meisterhaft interpretiert. Nach dem für Gänsehaut sorgenden, von Schlagzeuger Sönke Reich gespielten Stalingrad-Stahlgewitter, legt Rode ein grandioses Solo in bester David Gilmour-Manier hin. 

Eine ungewollte Umbesetzung

Am Bass ist auf dieser Tour jedoch nicht Werner Kopal, sondern Marius Goldhammer. Das ist jedoch keine geplante Umbesetzung, sondern dem Umstand geschuldet, dass Kopal unter einer Krebserkrankung leidet, deren Bekämpfung die Teilnahme an der Tour verhinderte. Obwohl Goldhammer sich perfekt in die Band einfügt, ist zu wünschen, dass das neben Niedecken am längsten dienende Mitglied bald wieder gesund in die Band zurückkehrt.

Zwischendurch gibt Niedecken Anekdoten zum besten, oft korrespondierend mit den projizierten Bildern aus dem Familienalbum oder von seinen jüngsten USA-Reisen. Gegen Ende des regulären Sets kommen mit "Vision vun Europa", "Kristallnaach" und "Arsch huh, Zäng ussenander" auch drei politische Statements, die leider an Aktualität nicht verlieren.

Klassiker in der Zugabe

Die Zugaben beginnen mit einer launigen Version von "Ruut-wieß-blau-querjestriefte Frau" inklusive "Ring of Fire" walk-on-part der drei Bläser. Mutig packt Niedecken eine Exotennummer wie "Jebootsdaachspogo", die auch auf dem Familienalbum enthalten ist, in die Zugabe, bevor dann erstmals in 16 Jahren das ziemlich überspielte "Aff un zo" live Bläser erhält, die sonst immer von Keyboarder Michael Nass simuliert wurden.

"Verdamp lang her" darf, anders als "Ne schöne Jrooss", "Helfe kann dir keiner","Alexandra, nit nur do" oder "Rita, mir zwei", die auf dieser Tour mal Pause haben, natürlich nicht fehlen und auch "Stell dir vüür" und "Jraaduss" sind willkommende Bekannte, die den Abend wunderbar abrunden.

Der ganz besondere Gast

Und dann kommt noch eine große Überraschung: Jürgen Zöller, der 2014 bei BAP ausstieg, um mehr Zeit für die Familie zu haben, kommt während "Jraaduss" auf die Bühne und setzt sich ans Schlagzeug für eine sehr emotionale Reunion mit der Kapelle, für die er 27 Jahre lang getrommelt hat.

Nach knapp 200 Minuten verabschiedet sich die Band zum wirklich allerletzten Mal und wird vom Mannheimer Publikum enthusiastisch gefeiert. Zöller und Niedecken gehen als Letzte zusammen ab. Es gibt nicht viele ehemalige BAP-Mitglieder, mit denen eine solche Aktion vorstellbar wäre, aber die beiden sind Freunde geblieben.

Vor einigen Wochen wurde bereits bekannt gegeben, dass das aktuelle Programm auch im November auf dem Livealbum "Live und deutlich" veröffentlicht wird. Das ist sicherlich eine gute Idee, denn die Arrangements, die auf dieser Tour mit großer Spielfreude aufgeführt werden, haben es verdient dokumentiert zu werden. Hoffen wir, dass die Liveaufnahmen mit dem Mannheimer Konzert mithalten können!

Setlist

Drei Wünsch frei / Waschsalon / Psycho Rodeo / Diss Naach ess alles drin / Deshalv spill' mer he / Reinrassije Strooßekööter / Chippendale Desch / Et ess wie et ess / Bahnhofskino / Jupp / Frau, ich freu' mich / Dausende vun Liebesleeder / Weißte noch? / Wie schön dat wöhr / Anna / Do kanns zaubere / Nemm mich met / Absurdistan / Vision vun Europa / Kristallnaach / Arsch huh, Zäng ussenander // Ruut-wieß-blau-querjestriefte Frau / Nix wie bessher / Jebootsdaachspogo / Aff un zo // Stell dir vüür / Verdamp lang her / Jraaduss

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