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Jeff Lynne's ELO (live in Mannheim 2018) © Rudi Brand

Die 70-Jährige Musiklegende aus Birmingham Jeff Lynne gastiert mit seinem Electric Light Orchestra in der ausverkauften Mannheimer SAP Arena, zündet ein gigantisches Hitfeuerwerk und holt die Generation 50+ für 90 Minuten zurück in ihre Jugendzeit.

Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, wenn es um den stillen Mann mit Wuschelmähne, Bart und Sonnenbrille geht. Nach der ELO-Trennung im Streit 1986 war es lange still um Jeff Lynne, den Hitlieferanten aus Birmingham. 

Nach unermesslichem Erfolg in den 1970ern war Mitte der Achtziger kein Platz mehr in den Charts für orchestralen Pop, obwohl Jeff Lynne & Co. gerade auf den letzten beiden Platten "Secret Messages" (1983) und "Balance of Power" (1986) dem Zeitgeist nachgaben.

Der lange Weg zurück

Nach langwierigen Streitigkeiten um die Namensrechte mit den Ex-Kollegen, Produzententätigkeiten, einer passablen Solo- und einer weniger gelungenen ELO-Platte stieg das Interesse nach weiteren Liveaktivitäten bei Lynne erst nach einem gigantischen Hyde Park Konzert im Sommer 2014 und mit der Veröffentlichung der neuen Platte "Alone In The Universe" im Jahr 2015.

Seither ist die Marke ELO wieder live in aller Munde und beim letztjährigen Konzert in der Londoner Wembley Arena konnten sich die zahllosen Fans auch auf CD/DVD davon überzeugen, dass hier eine soundtechnisch perfekte ELO-Show geboten wird.

Die Vorfreude steigt

Nachdem das Publikum den sympathischen Support Billy Lockett, eine Art Bastille-Verschnitt mit Beats und Piano, mit wohlgesonnenem Applaus bedachte, ist die Vorfreude in der ausverkauften SAP Arena während der Umbaupause förmlich mit den Händen zu greifen. Die legendäre bunte UFO-Discoscheibe kreist auf der Bühnenleinwand rauf und runter und weckt Erinnerungen an eine goldene Ära.

Nach dem Comeback spielten ELO lediglich 2016 in der König Pilsener Arena in Oberhausen. Umso größer war die Freude der Fans, dass bei der Welttournee 2018 nun vier Deutschlandkonzerte auf dem Plan standen, von denen Mannheim das Finale darstellt.

Auftakt nach Maß

Es ist schon ein besonderer Moment, wenn das Licht in der Riesenhalle ausgeht und die komplette Besetzung des Electric Light Orchestra ihre Position einnimmt, um mit "Standin' In The Rain" vom erfolgreichsten Album "Out Of The Blue" gewaltig tosend in das Konzert einzusteigen. Der frenetisch begrüßte Protagonist steht dabei völlig ruhig vor seiner Band.

Er wird den ganzen Abend über kaum ein Wort sprechen und fast ausschließlich über die Musik kommunizieren. "Evil Woman" folgt direkt im Anschluss und auf dem bestuhlten Parkett stehen nun alle auf und beklatschen einen der schönsten unter den zahllosen schönen Hits aus Lynnes Feder.

Die Band startet durch

Dann folgt "All Over The World", bei dem das komplette Electric Light Orchestra fast abzuheben scheint. Die Streicher brillieren, man hört Lynnes Liebe zu den frühen Beach Boys heraus und die gute alte Talkbox-Stimme grüßt aus einer anderen Zeit.

Lynnes Auftragsarbeit für den Xanadu-Soundtrack mit Olivia Newton-John aus dem Jahr 1980 verfehlt seine Wirkung bei den euphorisierten Zuschauern ebenfalls nicht. Nach den denkwürdigen Schlussakkorden brandet tosender Applaus auf.

Hitmaschine

Das coole "Showdown" geht weit zurück in der Bandhistorie, als noch der legendäre Roy Wood mit Lynne das Orchestra dirigierte. "Do Ya" vom "A New World Record"-Album gleitet entlang eines urtypischen 70er-Rockriffs und Lynne phrasiert wie Bob Dylan, während die zahllosen Backgroundstimmen, begleitet von einem Streicher-Crescendo, das Stück immer unwiderstehlicher in Richtung Hallendecke treiben. Ein einziger Genuss und in dieser Vollendung unerreicht.

Bei "Living Thing" wird der gute alte Disco-Fox ausgelassen aus der Kiste geholt und zu "Rockaria" offeriert Lynne reinsten Chuck Berry Rock'n'Roll, während die Backgroundsängerin die Operndiva gibt. So ging Mitte der 1970er Popmusik und so produzierte Lynne damals laufend Hitsingles, die sogar auf der Leinwand symbolisch eingeblendet werden. Großartige Imagination!

"Neueres Material"

Die einzigen beiden Songs nach 1980 an diesem anachronistischen Abend sind die Lennon-Verneigung "When I was A Boy" vom letzten Studioalbum und der Gassenhauer "Handle With Care" der Travelling Wilburys.

Als Otis bzw. Clayton Wilbury hatte sich Lynne selbst ein Geschenk bereitet und mit seinen Vorbildern George Harrison, Bob Dylan, Tom Petty und Roy Orbison zwischen 1988 und 1990 Musik veröffentlicht. Backgroundsänger Iain Hornal schafft es an diesem Abend sehr nah heran zu kommen an den legendären Lefty Wilbury (Roy Orbison). Vielen Anwesenden läuft eine Gänsehaut über den Rücken.

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ELO 2.0

Lynne gab die Produktion, Besetzungsauswahl und Abläufe in die Hände des musikalischen Direktors Mike Stevens, der als zweiter Gitarrist nie von seiner Seite weicht, die Band dirigiert und die Massen animiert. Auch sonst ist das neue Orchester keine bloße Statistentruppe und jetzt schon einige Jahre in dieser Besetzung beisammen.

Bassist Lee Pomeroy gibt den Clown, hüpft und springt wie ein Jojo am rechten Bühnenrand während Donavan Hepburn gestenreich ordentlich Druck hinter der Schießbude entwickelt. Die Lead-Gitarrenparts übernimmt Milton McDonald virtuos. Die drei attraktiven Damen an der Violine und den Celli sind aber das Salz in der Suppe. Sie veredeln annähernd jeden Song und erzeugen zusammen mit den drei Männern an den Tasteninstrumenten diesen urtypischen ELO Wall of Sound, der in der großen SAP Arena perfekt seine Wirkung entfalten kann.

Das stille Genie

Zwei Backgroundsänger komplettieren die 13-köpfige Truppe, die Jeff Lynne die perfekte Grundlage geben, seine Vision von Rockmusik unter größtmöglichem Einfluss seiner eigenen Helden, den Beatles, nochmal auf die Bühnenbretter dieser Welt zu bringen.

Bei der Vorstellung durch Stevens wirkt Lynne fast schüchtern und zugleich überwältigt, als sich die ganze Halle erhebt, um ihm die Ehre zu erweisen.

Ruhigere Momente

"Can't Get It Out Of My Head" vom frühen Eldorado-Album ist immer noch eine der schönsten Balladen der 70s. Zum Moog-Synthesizer singt das ELO Mastermind anrührend. "Wild West Hero" das Abschlusslied vom 77er "Out Of The Blue" Album, das an diesem Abend die meisten Hits liefert, ist Lynnes zarte Verneigung vor seinen Wildwest Leinwandhelden aus der Jugendzeit.

"Telephone Line" ist im hinteren Drittel des Sets ebenfalls nochmal eine beatleslastige Verschnaufpause, bevor das Konzert in den schwindelerregenden Endspurt übergeht.

Das ELO UFO hebt ab

Die Hitdichte ist an diesem Abend nicht mehr in Worte zu fassen. Das majestätische "10538 Overture" mit seinen drei E-Gitarren und den Progeinflüssen aus den ganz frühen ELO-Tagen macht Platz für das hell strahlende "Shine A Little Love", das reinsten Discorock mit Bee Gees Einflüssen darstellt.

"Don’t Bring Me Down" rockt ebenfalls mit drei E-Gitarren und ausnahmsweise ohne Streicher deutlicher härter als die ursprüngliche Singlefassung von 1979. Die 10.000 ELO Fans in der Halle machen dementsprechend Lärm, während die beiden letzten Stücke nochmals massiv am Wohlfühl-Barometer der Massen drehen.

"Turn To Stone" und "Mr. Blue Sky" waren 1977 unsterblich und sind es immer noch. Bei letzterem hat Jeff Lynne seine ganze Beatles-Sehnsucht mit der für das ELO charakteristischen, unwiderstehlichen Symbiose aus Rock'n'Roll und Klassik verbunden, die sich auch nochmals in der rasanten Zugabe "Roll Over Beethoven" manifestiert.

Finale Furioso

Die Streicher skandieren Beethovens Fünfte und duellieren sich mit Rock'n'Roll-Gitarren. Der Meister selbst ist nach 90 Minuten immer noch erstaunlich gut bei Stimme und greift beim Solo kernig in die Saiten – eine letzte Verneigung vor Urvater Chuck Berry.

Dann ist alles vorbei, das UFO verlässt sinnbildlich auf der Leinwand die Umlaufbahn und man kann kaum glauben, diesem kleinen Wunder beigewohnt zu haben. Es wird einem schwindelig beim Gedanken, was Lynne an Hits noch alles hätte anhängen können. Der Maestro entlässt dann aber alle Angereisten in die frische Septembernacht und jeder ist glücklich diesem Moment unverwüstlicher Rock- und Popmusik beigewohnt zu haben.

Setlist

Standin‘ In The Rain / Evil Woman / All over the World / Showdown / Do Ya / When I was A Boy / Livin’ Thing / Handle With Care / Rockaria! / Can’t Get It Out Of My Head / 10538 Overture / Shine A Little Love / Wild West Hero / Sweet Talkin’ Woman / Telephone Line / Don’t Bring Me Down / Turn To Stone / Mr. Blue Sky / Roll Over Beethoven

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