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Iceage (2018) © Iceage

Mit ungewöhnlicher Instrumentierung, punkigem Spirit und einem so leidenschaftlichen wie unnahbaren Sänger bringen Iceage einen Hauch von dänischer Kälte in den Heidelberger Karlstorbahnhof.

Schon seit 2008 existiert die dänische Formation Iceage – gegründet, als ihre Mitglieder noch nicht einmal volljährig waren.

Die Gruppe stammt aus dem Umfeld der Kopenhagener "New Way of Danish Fuck You"-Bewegung, einer losen Szene, deren Output sich in einem schwer zu definierenden Spannungsfeld zwischen Black Metal, Punk und Harsh Noise bewegt.

Hype Williams

Iceage stachen schon zu Beginn ihrer Karriere aus diesem Umfeld heraus, da ihre Musik immer ein bisschen zugänglicher war als die abgefahrenen Soundexperimente ihrer Peers.

Anfangs noch deutlich im Hardcore verwurzelt, integrierte die Gruppe ab "Plowing Into The Field Of Love" (2014) eine Vielzahl punk-fremder Einflüsse – und wurde spätestens ab diesem Zeitpunkt zu einer veritablen Hype-Band.

Artsy Fartsy

Dass von den jugendlichen Hardcore-Kids nicht mehr so viel übrig ist, stellt die Band bei ihrem Auftritt im Heidelberger Karlstorbahnhof selbstsicher zur Schau: Statt Jeans-und-Bandshirt bieten Iceage bei ihrem gut besuchten Konzert Anzüge und Gelfrisuren; das typische Rock-Instrumentarium wird um Saxophon und Geige erweitert.

Doch trotz aller Artsyness bleibt der rohe Grundton bestehen, der Iceage seit ihrem Debutalbum definiert hat. Live schafft es die Band, die neu gewonnene Komplexität der Songs perfekt zu transportieren, und gleichzeitig mit einer Energie anzureichern, die auf den letzten beiden Studioalben zu Gunsten des Experiments tendenziell in den Hintergrund gerückt ist.

Schlafwandler

Die Power, die Iceage an den Tag legen, ist zu großen Teilen auf die Leistung der einzelnen Instrumentalisten zurückzuführen. Trotz der zur Schau getragenen Gleichgültigkeit der Mitglieder wird schnell deutlich, dass ein jeder sein Instrument (und die Songs) im Schlaf beherrscht. 

Einen großen Reiz macht dabei die die schlafwandlerische Sicherheit, mit der Iceage zwischen scheinbar nachlässig gespielten Mid-Tempo-Parts (bei denen dennoch jeder Ton sitzt) und gnadenlos tighten Up-Tempo-Passagen hin und her wechseln.

Auch der durch Geige und Saxophon noch einmal deutlich verdichtete Sound wirkt gerade im Live-Setting ungemein druckvoll.

Unnahbar

Das definierende Element der Gruppe ist jedoch wohl fraglos die markante Stimme von Sänger Elias Bender Rønnenfelt. Stets irgendwo zwischen Sprechgesang und brüchigen Melodien verhaftet, ist die stimmliche Sicherheit und der leidenschaftlich-emotionale Ausdruck Rønnenfelts über das Set hinweg wirklich beeindruckend.

Der sovueräne Vortragsstil und die Coolness, mit der er die Bühne dominiert (und sich weigert, mehr als unbedingt nötig mit dem Publikum zu interagieren), tun ihr übriges. 

New Order, Scott Goddard, Judas Priest

Wenn man denn überhaupt Kritik an der Darbietung von Iceage üben wollte, so könnte man höchstens die Setlist anführen.

Diese wird dominiert von Songs des letzten Albums "Beyondless", der Rest der Diskographie wird eher stiefmütterlich behandelt. Das ist in Anbetracht der Hit-Dichte auf jedem dieser Alben durchaus schade, obwohl "Beyondless" fraglos große Qualität besitzt. Mal im bluesigen Mid-Tempo angesiedelt ("Under the Sun"), mal in ungewohnten Cowpunk-Gefilden ("Thieves Like Us"), dann wieder mit triumphalen Bläser-Sektionen ("Pain Killer") bietet die Song-Auswahl des Albums eine gehörige Portion Abwechslung.

Mit "White Rune" steht außerdem, recht unerwartet, der (Beinahe-)Eröffnungstrack des Debutalbums auf der Setlist, der mit seinem wesentlich roheren Grundton ein wenig aus dem Rahmen fällt, aber zumindest bei den Fans der Band für Begeisterung sorgt. 

Everybody's Darling

Bei der sprudelnden Kreativität, die den "New Way of Danish Fuck You" auszeichnet (vgl. War oder Marching Church, beides Nebenprojekte Rønnenfelts, Garrotte, White Void oder Puce Mary), mag es unfair anmuten, dass ausgerechnet Iceage auf so viel Interesse stoßen.

Doch zeigen gerade ihre letzten beiden Alben und ihre kraftvolle Live-Performance, dass der Erfolg keineswegs unberechtigt ist. Denn Iceage haben es geschafft, ihre schroffe, punkige Energie in ein publikumstaugliches Format zu übersetzen, Experiment und Melodie zu verbinden, ohne dabei anbiedernd zu wirken.

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