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Ministry (live in Wiesbaden, 2018) © Johannes Rehorst

Begleitet von zwei großartigen, aber stilistisch unpassenden Vorbands zeigen Ministry im Schlachthof Wiesbaden, dass sie auch nach über 30-jähriger Karriere noch etwas zu sagen haben - obwohl ihre Botschaften manchmal eine gewisse Reife vermissen lassen.

Im glücklicherweise klimatisierten Schlachthof Wiesbaden eröffnen Grave Pleasures (fka Beastmilk) den denkbar heißen Montagabend. Fast würde man sich wünschen, das Post-Punk-Revival der Finnen klänge mehr nach den 70ern, sodass man sich mit schneidenden Gitarren und eisigen Synthies noch ein bisschen runterkühlen könnte.

Doch weit gefehlt: Grave Pleasures haben den Rock im Blut, und preschen mit treibenden Rhythmen, hyper-melodischen Riffs und unverschämt catchigen Refrains nach vorne. Die Musik wird perfekt von der ausdrucksvollen Stimme von Sänger Kvhost getragen. Schade nur, dass viele der Gäste, die wohl hauptsächlich für Ministry erschienen sind, noch vor den Pforten des Schlachthof verweilen.

Vollgas

Auch Converge lassen sich nicht lange bitten: Schon zu den ersten Takten ihres Sets springt Sänger Jacob Bannon wie ein Derwisch über die Bühne und schreit sich die Seele aus dem Leib. Bei der Instrumentalsektion mit ihren vertrackten Rhythmen, sperrigen Gitarren-Melodien und unzähligen Rhyhtmus- und Tempowechseln scheint die Welt am laufenden Band unterzugehen.

Die songwriterische Komplexität der Gruppe mag teilweise überfordernd sein, doch die emotionale gesangliche Leistung Bannons gepaart mit dem so authentischen und sympathischen Auftreten der Gruppe, die sich spätestens seit "Jane Doe" Kultstatus auch über die Metal- und Hardcore-Szene hinaus erarbeitet haben, wirkt ansteckend.

Slow Start

Gegen diese direkte und so unprätentiöse Energie der beiden Vorgruppen sehen Ministry zumindest zu Beginn ihres Auftrittes im wahrsten Sinne des Wortes alt aus: Nach einem überlangen Intro, dessen Cut-up-Samples von Donald Trump recht wenig Stimmung aufkommen lassen, beginnt die Gruppe mit zwei ebenfalls überlangen Songs vom neuen Album "AmeriKKKant".

Auch diese Songs schaffen es mit ihrem mäandernden Mid-Tempo nicht, Atmosphäre zu erzeugen. Im Gegenteil, die eintönigen Riffs, zusammen mit den noch immer unspektakulären Samples, sind mit jeweils gut 8 Minuten Spielzeit einfach nur langweilig. Gleiches gilt auch für die halbgare, in Effekten ertränkte Vocal-Performance von Sänger und Mastermind Al Jourgensen, der mit dem Blick vor allem auf sein Textblatt fixiert ist.

Erwachen

Doch glücklicherweise taut die Band dann urplötztlich auf: Statt Mid-Tempo bieten Songs wie "Punch in the Face", "Rio Grande Blood" oder "LiesLiesLies" genau jene so eintönigen wie wirkungsvollen Thrash-Rhythmen, für die die Band bekannt ist – und die sie, wie sich zeigt, nach wie vor ziemlich gut beherrschen. Obwohl die Hits der Gruppe mehrheitlich von ihren frühen Alben stammen, funktionieren die Up-Tempo-Stücke der jüngsten Veröffentlichungen live erstaunlich gut. 

Auch Jourgensen wird langsam von Leben erfüllt. Zwar ist er stimmlich nun wirklich nicht mehr ganz auf der Höhe, doch zeigt sich mit zunehmender Spielzeit, dass er noch immer ungemeinen Spaß an seiner Musik hat. Die Energie, die er dabei zutage fördert, wirkt ansteckend – so schafft es Uncle Al dann nach einigen Anlaufschwierigkeiten doch, das Publikum auf seine Seite zu ziehen. 

/b/

Der letztendlich guten Stimmung zum Trotz gibt es einen Kritikpunkt: So erfreulich es prinzipiell ist, dass Ministry sich so offen gegen Rassismus und Nationalsozialismus, gegen Trump und weitere gesellschaftliche Übel positionieren, so albern wirkt deren Kritik (leider) stellenweise.

Während die riesigen aufblasbaren Hühner mit güldener Trump-Frisur und durchgestrichenen Hakenkreuzen auf dem Bauch noch irgendwie ulkig wirken und man über die wenig substanzielle Kritik an Trump via (Video-)Sampling tendenziell hinwegsehen kann, stören Songs wie "Antifa" und insbesondere "TV5/4Chan" in Text und Inszenierung doch durchaus. 

Cheepnis

Ministry waren – klanglich wie textlich – nie eine subtile Band, das steht fest. Doch wirkte die Aggression, die Jourgensen auf der "Bush-Trilogie" (2004-2007) dem namensgebenden Präsidenten entgegenbringt, viel fundierter und "echter" als das Trump-Bashing auf Kindergartenniveau, das den jüngsten Output durchzieht.

Auch die gesellschaftspolitischen Kommentare zur Opium-Epidemie in den 90ern kauft man einem zweimaligen (Fast-)Drogentoten wie Jourgensen einfach viel mehr ab als die oberflächliche und nur auf Slogan-Niveau stattfindende Auseinandersetzung etwa mit rassistischen Internetkulturen.

Von Herzen

Doch abseits aller Wünsche nach einer gewissen Reife – wie man sie einer Gruppe, die seit 1981 besteht, durchaus zutrauen könnte – endet das Konzert doch auf einer positiven Note.

Auch, wenn Jourgensen vielleicht nicht mehr ganz am Puls der Zeit ist, merkt man dennoch, dass seine offen linke Positionierung von Herzen kommt, dass er außerdem noch immer mit Leidenschaft hinter "seinem" Projekt Ministry steht. Und das ist wiederum nach einer so lange andauernden Karriere keine Selbstverständlichkeit.

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