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Impressionen vom Sonntag beim Heimspiel Knyphausen, 2018 © Peter H. Bauer

Nur wer sich verändert, bleibt sich treu - unter diesem Motto könnte das Heimspiel Knyphausen 2018 stehen. Das Festival kann sich auf gewohnte Stärken verlassen und bietet doch sinnvolle Weiterentwicklungen.

Es ist ganz und gar außergewöhnlich, dass ein Festival ausverkauft ist, ohne einen einzigen Act bestätigt zu haben. So geschah es beim Heimspiel Knyphausen 2018.

Bereits Anfang des Jahres vermeldeten die Veranstalter, dass keine Karten mehr für das dreitägige Festival auf dem Draiser Hof in Eltville erhältlich seien.

Das Beste aus zwei Welten

Die Gründe sind jedem ersichtlich, der das Festival schon einmal besucht hat: Ein Aufenthalt auf dem Heimspiel gleicht einem mediterranen Kurzurlaub: So entspannt sind wenige Festivals. Dennoch hat das Heimspiel außerordentlich viel Substanz zu bieten – im mehrfachen Sinn, davon später mehr.

Vor allem am Freitag meint das Wetter es fast ein wenig zu gut mit den Besuchern. Drückende Hitze lässt die Zuschauer den Schatten suchen und selbst beim abendlichen Auftritt von Kettcar stellt sich keine Kühlung ein. Dafür sind Samstag und Sonntag dank Schauer und zeitigen Beginns weitaus angenehmer.

Große Vielfalt

Das musikalische Programm trifft auch 2018 wieder die richtigen Tasten. Bemerkenswert ist, wie bei kleineren Acts am Nachmittag das Publikum entspannt auf den Picknickdecken sitzt, um dann am Abend bei den Headlinern (überwiegend) aufzustehen, die Decken einzupacken und mitzugehen. All das vollzieht sich ganz ohne Stress oder Streit. 

Wenige Festivals sind familienfreundlicher als das Heimspiel. Zahlreiche Kinder spielen auf dem weitläufigen Gelände, lauschen der Musik oder sitzen am Bühnenrand und schauen und hören den Musikern zu.

Die sind ja immer noch die Hauptsache und sorgen dafür, dass es keine Sekunde langweilig wird: Die Headliner decken mit der Hip-Hop-Wortakrobatik von Käptn Peng über den geradlinigen Deutsch-Rock von Kettcar bis zum umjubelten Abschlusskonzert des Gastgebers Gisbert zu Knyphausen eine große Bandbreite ab. 

Kreativ auf unterschiedliche Weise

Kettcar beeindrucken mit einem nicht nur musikalisch geradlinigen Auftritt. Sänger Marcus Wiebusch macht unter großem Applaus völlig klar, dass grundlegende Werte des menschlichen Zusammenlebens nicht verhandelbar sind. Ihr vielbeachteter Beitrag zur Flüchtlingskrise "Sommer '89 (Er schnitt Löcher in den Zaun)" wird ebenso bejubelt wie die Bandklassiker "Balu", "Ich danke der Academy" und "Landungsbrücken raus".

Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi sind musikalisch natürlich eine ganz andere Baustelle, aber sie schaffen es ebenfalls, die Besucher vollständig mitzureißen. Im Verlauf ihrer zweistündigen Show zieht naturgemäß vor allem Käptn Peng die Aufmerksamkeit mit seiner synapsenverdrehenden Wortakrobatik und seiner sympathischen Bühnenpräsenz auf sich. Die Band lässt sich auch von einer herausgeflogenen Sicherung mit anschließendem kurzen Stromausfall nicht aus der Ruhe bringen. Die Zuschauer feiern sie dafür.

Gäste aus aller Welt

Natürlich sind auch zahlreiche Acts aus Übersee beim Heimspiel vertreten. Unter ihnen ragt Kevin Morby heraus, dessen Auftritt von der ersten Sekunde an klarmacht, dass hier eine kreative Persönlichkeit auf der Bühne steht. Mit lockeren Tanzschritten, ausladenden Instrumentalpassagen und eindringlichem Gesang reißt der Sänger mit seiner exzellenten Band die Zuschauer von den Sitzen bzw. Picknickdecken. 

Ein fast schon bizarrer Zufall besteht darin, dass Kevin Morby ein Riesenfan seines Landsmanns Simon Joyner ist, der am gleichen Tag auftritt. Joyner lebt aus der Tradition der legendären nordamerikanischen Songwriter wie Bob Dylan, Townes Van Zandt, Leonard Cohen und Paul Simon und der dazugehörigen Folktradition, die sich auch in seinen Texten und Songtiteln immer wieder spiegelt.

Dennoch fällt es schwer, sich vollkommen auf Joyners Musik einzulassen. Sein Soloauftritt plätschert zeitweilig so daher, unterbrochen nur von Augenblicken, in denen sein Gesang seltsam schief klingt. Respektabel ist das alle mal, aber auch von Seiten des Publikums ist nicht mehr als Höflichkeitsapplaus drin. 

Grundsätzlich überzeugen aber alle musikalischen Acts, ob Wolfgang Müller mit seinen geistreichen, kreativen Texten oder Ätna mit ihrem gewaltigen Keyboards-Drum-Sound. Wichtiger noch: Die Mischung passt.

Der nicht so heimliche Star

Ein Festival auf einem Weingut – was glauben Sie, was das Getränk der Wahl ist? Trotz Sommerhitze lassen es sich die Besucher nicht nehmen, Wein flaschenweise zu verköstigen. Die stilechten, eigens für das Festival hergestellten Gläser mit dem passenden Aufdruck sorgen für das richtige Ambiente – und schließlich kann man daraus auch Wasser trinken.

Vor allem Kettcar-Bassist Reimer Bustorff zeigt sich weißweinbedingt besonders redselig und gibt unterhaltsame Geschichten aus seinem Leben preis: "Was Weißwein mit dir macht..." kommentiert er zum Gelächter des Publikums. 

Optimierungen

Wie schon in den vergangenen Jahren gibt es auf dem Gelände zahlreiche kleine Weiterentwicklungen, die das Gesamterlebnis verbessern. Die Veranstalter haben die Anordnung der Foodtrucks und sanitären Anlagen optimiert und damit mehr Platz geschaffen.

Wer übrigens die totale Mondfinsternis am Freitagabend beobachten wollte, musste schon sehr genau hinsehen, um den blutroten Mond zu entdecken. Aber immerhin war er auch im lichtverschmutzten Rheingau zu sehen. Am diesjährigen Heimspiel gab es wirklich wenig auszusetzen.

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