Die Sonne strahlt mit voller Kraft über dem Mannheimer Maimarktgelände, als Megadeth die Show eröffnen. Merkwürdig leise ist die Band, während die Zuschauer in das Zelt strömen; ein Umstand, der jedoch glücklicherweise allmählich während des Auftritts behoben wird.

Obwohl Megadeth das aktuelle Album "Dystopia" am Start haben und die gleichnamige Welttournee derzeit noch nicht abgeschlossen ist, präsentieren Dave Mustaine und Co ein Set, das sich vor allem aus Klassikern zusammensetzt. Mit "Hangar 18", "Dawn Patrol", "Poison Was The Cure", "Tornado of Souls" und "Holy Wars... The Punishment Due" besteht fast die Hälfte ihrer Show aus Songs des legendären 1990er Albums "Rust In Peace".

Bomben-Stimmung

Auf dem animierten Backdrop laufen derweil auf die Songs abgestimmte Videos mit postapokalyptischen Szenarien, die grafisch den Charme von 90er-Jahre-Computerspielen versprühen. Diese wechseln sich ab mit Bildern von offenbar korrupten Machthabern, politischem Aufruhr, Geld und Krieg.

Der geneigte Fan kann sich so während des Konzerts an gefühlt 100 Atombomben-Explosionen erfreuen. Möchte man das Konzert genießen, ist man wohl besser beraten, dabei nicht Mustaines Verschwörungstheorien im Hinterkopf zu haben.

Killer-Grooves und Soundprobleme

Der Blondschopf, der sich ohnehin nie durch herausragenden Gesang auszeichnen konnte, ist leider die gesamte Show über nur schlecht zu hören. Insbesondere bei tieferen Gesangsparts dringt größtenteils nur Gemurmel und gelegentliches Knarzen durch die PA-Boxen.

Die Stimmung im Publikum, das bei Gassenhauern wie "Symphony of Destruction" und "Peace Sells" starke gesangliche Untersützung leistet, ist dennoch ausgezeichnet, denn die Band ist mörderisch tight – und das obwohl Mustaine im letzten Jahr gegenüber der South China Morning Post verkündete, dass er aufgrund eines Nervenschadens nicht mehr übe und an manchen Tagen gar nicht spielen könne.

Megadave kann es noch immer

Mustaine scheint heutzutage daher gelegentlich eine Pause zu brauchen. So läuft bei "Dawn Patrol" die gesprochene Stimme vom Band, während Bassist David Ellefson und Drummer Dirk Verbeuren auf der Bühne vor sich hingrooven.

Manche Solos überlässt er lieber dem relativ neuen Gitarristen Kiko Loureiro, beweist jedoch im Lauf der Show zu genüge, dass er trotz sichtlicher Anstrengung immer noch shredden kann wie ein Weltmeister. Als Megadeth schließlich nach knapp einer Stunde Spielzeit das Set mit "Holy Wars..." beenden, verabschiedet sich Mustaine unter gebührendem Applaus ausgiebig von seinen deutschen Fans.

Die Götter steigen herab

Als Judas Priest schließlich mit dem Titeltrack des neuen Albums die Show eröffnen, macht der tosende Applaus unmissverständlich klar, welcher der beiden Metal-Klassiker an diesem Abend Herr des Hauses ist.

Deutlich lauter als zu Beginn Megadeth dröhnt die Band aus den Boxen. Im Vordergrund thront über allem die Stimme des Rob Halfords, die sich am heutigen Abend in erstaunlich guter Verfassung zeigt, was in den letzten Jahren durchaus nicht immer der Fall war.

Rob Halford, das wandelnde Mysterium

Etwas Mitleid bekommt man mit dem Altmeister zunächst anlässlich seiner Outifts – während die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit im Zelt auf dem Maimarktgelände rasant Züge einer finnischen Sauna annehmen, präsentiert sich Halford an diesem Abend in verschiedenen, selbstverständlich mit Nieten besetzten Jacken.

Doch ein Metal God scheint sich erst bei infernalischen Temperaturen so richtig wohl zu fühlen. Sein Bewegungsradius hält sich jedoch in Grenzen: In gewohnter Pose verharrt Rob Halford die meiste Zeit etwas starr in der Bühnenmitte, den Oberkörper etwas vornübergebeugt, beide Hände am Mikro. Wie er es trotz mangelnder Bewegung schafft, stets starke Bühnenpräsenz auszustrahlen, ist wohl ein weiteres Mysterium dieses Abends.

Gut geölte Kopfstimme

Wie gut Priests neues Material bei den Fans ankommt, lässt sich unmittelbar an deren Reaktionen ablesen: Viele Besucher können den Song bereits auswendig mitsingen, gebührend wird die Band im Anschluss mit lauten "Priest! Priest! Priest!"-Rufen empfangen, die das ganze Konzert über etwa nach jedem zweiten Song angestimmt werden.

Anstatt den Kurs jedoch fortzusetzen und dem Publikum weitere neue Songs um die Ohren zu hauen, folgen mit "Grinder", "Sinner" und "The Ripper" erst einmal absolute Priest-Klassiker im Dreierpack. Nicht immer landen bei Halford alle hohen Töne genau dort, wo sie hingehören, obwohl die Band – wie viele andere etwas in die Jahre gekommenen Acts auch – bereits seit langem alle Instrumente live einen Halbton tiefer stimmt. Dennoch ist es beachtlich, über welche Kraft der 67-jährige noch immer in seiner Kopfstimme verfügt; die spitzen Schreie gehen nach wie vor durch Mark und Bein.

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Sowohl in Anbetracht der Songs als auch des Publikums fühlt man sich zuweilen einige Jahrzehnte in die Vergangenheit zurückversetzt. Auch der Nachwuchs an Priest-Jüngern, an dem es heute Abend sicherlich nicht mangelt, trägt natürlich häufig lange Haare und die obligatorische, mit Patches übersähte Jeans-Kutte auf ansonstem nackten Oberkörper.

Auf der Bühne ergibt sich derweil ein ungewohntes Bild: Andy Sneap, der das neue Album co-produzierte und nun den an Parkinson erkrankten Glenn Tipton auf der Bühne ersetzt, macht seine Arbeit zwar richtig gut – die vereinzelten Dreierposen jedoch mit Rob Halford in der Mitte und Richie Faulkner, der den bereits 2011 in Ruhestand getretenen K. K. Downing ersetzte, auf der linken Seite fühlen sich irgendwie nicht so ganz richtig an. Zudem lenken sie die Aufmerksamkeit auf den Zahn der Zeit, der auch vor Metallegenden keinen Halt macht. Ian Hill immerhin fuchtelt wie eh und je zuweilen mit seinem Bass, als wolle er imaginäre Fliegen vertreiben.

Neue Glanztaten, vergessene Juwelen

"Let me see your Metal flesh! Let me see your Metal power!", fordert Halford das Publikum auf, bevor anschließend mit "Lighting Strike" der zweite Song des neuen Albums folgt. Auffallend ist, wie gut sich die neuen Songs live in das alte Material einfügen. Leidiglich der dritte Song des neuen Albums an diesem Abend, das schleppende "Rising From Ruins" scheint beim Publikum nicht so ganz zu zünden.

Einen ersten Höhepunkt erreicht die Stimmung ausgerechnet beim Song "Turbo Lover", dessen Veröffentlichung 1986 aufgrund der Verwendung von Synthesizer-Gitarren nicht jeden Fan in Begeisterungsstürme versetzte, der heutzutage jedoch vom gesamten Publikum exzessiv gefeiert wird. Nach "Tyrant" vom 1976er Meilenstein "Sad Wings of Destiny" folgt eine echte Live-Rarität: "Night Comes Down" haben Judas Priest vor der aktuellen Tour vor geschlagenen 34 Jahren das letzte Mal live gespielt.

Priest drehen auf

Der Song bietet Fans eine kurze Verschnaufpause, bevor bei "Freewheel Burning" in der Moshpit so richtig die Post abgeht. Endgültig kein Halten mehr gibt es beim Publikum erwartungsgemäß bei "Breaking the Law". Dass der Song weder Zugabe noch letzter Song des regulären Sets ist, ist ein weiteres Zeichen dafür, wieviele absolute Klassiker die Band in ihrem beinahe 50-jährigen Bestehen abgeliefert hat.

Gefolgt wird der Song von lauten Motorengeräuschen, und es kommt, wie es kommen musste: Rob Halford fährt für "Hell Bent For Leather" mit einer Harley auf die Bühne, hält dabei eine Reitpeitsche in der Hand und trägt eine Polizistenkappe aus Leder. Das kann man jetzt doof und nicht mehr altersgemäß finden – ist aber trotzdem geil. Die Hitze fordert derweil ihren Tribut: Richie Faulkner verzieht bei seiner tadellosen Performance zunehmend das Gesicht, während er versucht, sich den Schweiß aus den Augen zu blinzeln.

Metal-Party par excellence

"Painkiller", der abschließende, obligatorische Song des regulären Sets, verlangt Halford schließlich alles ab und kann gesanglich nicht wirklich überzeugen – was jedoch weder am Alter noch an der Hitze liegen dürfte, stößt Halford doch seit jeher bei dem Song live deutlich an seine Grenzen.

Dem Publikum scheint das jedoch wenig auszumachen: Beim Zugabenteil, bestehend aus dem mächtig walzenden "Metal Gods", dem groovenden "You've Got Another Thing Coming" und der Hymne "Living After Midnight" herrscht eine Party-Stimmung, die ihresgleichen sucht. Obwohl der Schweiß in Strömen fließt, wird überall getanzt, lauthals mitgeschrien und Bier verschüttet, verspritzt und gespuckt.

Zeit für die Rente? Mitnichten!

Dass Halford, der mittlerweile äußerst gelöst aber auch etwas abgekämpft wirkt, einige Zeilen herunterhaspelt und ein paar höhere Töne lieber umschifft, juckt zu diesem Zeitpunkt keinen mehr – das Publikum ist mittlerweile ohnehin beinahe genauso laut wie der Metal God selbst.

Die Show dürfte jegliche etwaige Zweifel beseitigt haben, ob es bei Priest nicht langsam Zeit für die Rente wird. "The Priest will be back" verkündet der animierte Backdrop, als sich die Band unter ohrenbetäubendem, lange anhaltendem Jubel verabschiedet – und das ist gut so.

Setlist Megadeth

Hangar 18 / The Threat Is Real / Sweating Bullets / Dawn Patrol / Poison Was The Cure / Tornado Of Souls / Dystopia / Symphony Of Destruction / Mechanix / Peace Sells / Holy Wars

Setlist Judas Priest

Firepower / Grinder / Sinner / The Ripper / Lightning Strike / Bloodstone / Saints In Hell / Turbo Lover / Tyrant / Night Comes Down / Freewheel Burning / Rising From Ruins / Breaking The Law / Hell Bent For Leather / Painkiller // Metal Gods / You've Got Another Thing Coming / Living After Midnight

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