Die färöische Ausnahmemusikerin Eivør

Die färöische Ausnahmemusikerin Eivør © Sigga Ella

Im Reutlinger Theater- und Musikclub franz.K gastieren mit Eivør und Konni Kass zwei Meisterinnen zeitgenössischer, skandinavischer Musik. Gemeinsam lassen sie die Menge wiegen und träumen.

Das alte französische Kino in Reutlingen, das franz.K, hat Besuch aus dem Nordatlantik. Das färöische Trip-Hop/Folk/Rock-Multitalent Eivør Pálsdóttir füllt den kleinen Saal mit zarten Melodien, gewaltigen Rhythmen und einer enorm facettenreichen Stimme.

Gekonnte Einstimmung

Bevor Eivør mit ihren Mannen den Schauplatz betritt, steht Konni Kass mit ihrem Bandkollegen Per Ingvaldur Højgaard Petersen auf die Bühne. Das Duo aus Konni Kass' gleichnamiger Band kommt ebenfalls von den Färöer Inseln und auch der Sound erinnert an einigen Stellen stark an den Hauptact.

Mit englischen und färöischen Texten, weichem Gesang, Saxophon, Keyboard und Drums lässt das Synth/Dream-Pop-Duo melodische Wellen über das Publikum rollen und stimmt es gekonnt ein.

Ebbe und Flut

In einigen Liedern Eivørs spielen Metaphern rund um das Wasser (Meer, Küsten, Nebel, Flüsse) eine zentrale Rolle. Ihre Musik passt dazu. Die Stücke fügen sich auf einer ozeantiefen Klangfläche aus Bässen und melodischer Gischt ineinander wie das Auf und Ab der Wellen.

Die Liedauswahl ist im Wesentlichen eine Werkschau aus den Alben Slør (sowohl der deutschen wie der färöischen Version), Bridges und Room, wobei es schwer fällt ohne Kenntnisse des Färöischen und mit all den Abwandlungen, die Eivør ihren Stücken für den Auftritt beimengt, alle Lieder richtig zu erkennen.

Die Instrumentierung ist mit Gesang, Akustikgitarre/Ukulele, Bassgitarre/Keyboard und Schlagzeug weitgehend im Rock verhaftet. Auch klanglich bringt Eivør in ihre neuen, eher dem Trip-Hop oder Synthpop zuzuordnenden Stücke frischen Wind. Elegische Melodielinien und satte Klangflächen werden gelegentlich für wildere Rock- oder gar Metalpassagen aufgebrochen. Die Menge wiegt hin- und her, lauscht gebannt und tanzt vereinzelt.

Gesamtkunstwerk

Mit massivem Einsatz von Halleffekten malt die Band aus den Klangfarben ein impressionistisches Kunstwerk. Die Töne verschwimmen, verschmelzen, verwehen und verhallen. Die beinahe durchgehend in blau und grün gehaltene Bühnenbeleuchtung trägt mit viel Statik und sanften Schwenks ihren Teil dazu bei.

Auch die Musiker bleiben eher zurückhaltend, haben ihre festen Plätze und sind durchweg konzentriert in ihrem Tun versunken. Allein Eivør wendet sich in Ansprachen an das Publikum, headbangt und versprüht ein euphorisches Lächeln.

Als die Mitmusiker die Bühne verlassen und Eivør ihre Trommel zur Hand nimmt, wissen die Fans bereits Bescheid. Mit Jubel wird ihr Solostück "Trøllabundin" empfangen. Der rhythmisierte, gutturale, geradezu urtümliche Sprechgesang zieht die Hörer in den Bann, lässt sie wilder tanzen und beschwört das Bild einer keltischen Schamanin hervor. Die nordische Songwriterin zieht an diesem Abend alle Register ihrer Folkatronic.

Ritual mit Augenzwinkern

Zu einem modernen Konzert gehören gewisse Rituale: die Animation des Publikums zum gemeinsamen Singen kleiner Passagen, der Dank an das beste Publikum überhaupt und natürlich der Abgang – das Verlassen der Bühne, das Warten auf den Applaus, die Rückkehr auf die Bühne und die Performance weiterer Lieder, die man sowieso spielen wollte.

Die Band bedient diese Klischees, bleibt dabei aber dezent ironisch. So lädt Eivør das Publikum ein, mit ihr die gutturale Passage aus "Í tokunni" zu singen, bei der man erst einmal verstehen müsste, was sie stimmlich genau macht. Mit schnellen Wechseln aus Inhale- und Exhale-(beinahe)-Growls entlockt sie ihrer Kehle gekonnt Laute, die im Klangbett ihrer Band wie eine magische Formel aus einer dunklen Feenwelt wirken.

Auch die Zugabe wird bereits im Vorhinein angekündigt. "Last song, technically", heißt es da vor "True Love". Später gibt sie zu, dass sie froh um den fordernden Applaus sei, da sie noch unter anderem ein Cover ihres Idols aus Teeniezeiten, Leonard Cohen, präsentieren möchte. "Famous Blue Raincoat" klingt mit Eivørs vielgestaltigen Sopran völlig anders und dennoch wie ein schöner, schlichter Song.

Mehr als ein Warm-Up

Auch Konni und Per kommen nicht zu kurz an diesem Abend. Bei mehreren Stücken unterstützen die Tourkollegen Eivørs Band mit Saxophon und weiteren Drums oder Konni singt mit ihrem "Fan" Eivør, wie diese selbst bekundet, ein Duett. Die gegenseitige, künstlerische Wertschätzung ist deutlich und die Musik verschmilzt zu einem synergetischen Arrangement. Damit endet ein schöner Konzertabend in Reutlingen.

Setlist

Mjørkaflókar / Brotin / Verð Mín / Lívsandin (Sneak Listening aus einem kommenden Album) / Salt / Rain (mit Konni Kass) / Bridges (mit Konni Kass) / Surrender / Røttu Skógvarnir / Trøllabundin / Boxes / Tides / Í tokunni / True Love (mit Konni Kass) / Famous Blue Raincoat (Leonard Cohen Cover) / Falling Free (mit Konni Kass)

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