Kai Schumacher (2018)

Kai Schumacher (2018) © Marvin Böhm

Bei der Space Jazz Night im Mannheimer Planetarium verschafft Pianist Kai Schumacher den Zuhörer ein intensives Erlebnis, das durch Surround-Sound und Videoprojektion noch verstärkt wird.

"Beauty in Simplicity" heißt das neue Programm von Kai Schumacher, das er bei der Space Jazz Night im Mannheimer Planetarium vorstellt. So viel sei vorweg verraten: Simpel ist es nicht.

Die Mischung aus Minimal Music und dem Video Design von Marco Moo gleicht einer körperlichen Grenzerfahrung. Anspannung und Entspannung liegen so dicht nebeneinander, dass man diese Zustände nur noch schwer auseinanderhalten kann. Am Ende bleibt ein Publikum zurück, das sich nur schwer aus diesen Zuständen lösen kann.

Fliegende Assoziationen

Was die Zuschauer an diesem Abend im Mannheimer Planetarium geboten bekommen, ist intensiv. Schumacher begreift die kleinen Klangeinheiten der Musik von Steve Reich, Brian Eno, Moderat, Peter Michael Hamel, Wim Mertens, Lampshade und Erik Satie als musikalische Elemente und transportierte sie visuell in maschinelle Patterns und organische Bildlichkeit.

Das Resultat dieser Verquickung hat eine stark meditative Wirkung, die durch den Surroundsound nur noch weiter potenziert. Computerästhetik und die Vorstellung futuristischer Städte und Weltraum- Phantasien á la Luc Besson und seinem Fünften Element alternieren mit Impressionen von Gras, das sich im Wind neigt oder fließender Seide, die über die Köpfe hinweghuscht.

Alle Facetten des Klaviers

Die hervorragende musikalische Qualität von Kai Schumacher tritt angesichts dieser visuellen Gewalt, die einen gelegentlich fast schwindlig werden lässt, leider etwas in den Hintergrund, ist sie aber doch grundlegend für diese Erfahrung.

Schumacher begreift sein Instrument intensiv, benutzt das Klavier als Ganzes und nicht nur die Tasten, die er meisterlich beherrscht. Die Saiten werden ebenso mit Händen und auch Paukenschlägeln bearbeitet, um dem Instrument neue und überraschende Töne zu entlocken.

Über Satie lässt sich streiten

Das musikalische Programm ist ebenso schlüssig, setzt er die beinahe traditionelle Minimal Music von Steve Reich und anderer in Kontext anspruchsvoller Stücke von Bands aus dem populären Bereich wie beispielsweise Moderat. Damit sorgt er für eine Festigung des Genres und transportiert sie durch Wechselbeziehung mit der populären Musik in die Gegenwart.

Einzig über Satie lässt sich streiten, da die musikhistorische Idee sicherlich einleuchtend ist, das Stück selbst aber fast wie ein Fremdkörper im sonst sehr gelungenen Gesamtkonzept wirkt. Das kann als Zäsur gemeint sein, als Möglichkeit zum Durchatmen, und wirkt auf dem Album fast noch stärker als live, aber dennoch kann man über eben diese Entscheidung des Künstlers stolpern.

Auferstanden aus der Stille

Als der letzte Ton verklingt, herrscht Stille. So leise ist das Konzert zu Ende gegangen, beinahe unscheinbar und doch intensiv. Während des gesamten Konzertabends ist kein Applaus gefallen und auch jetzt, fällt es den Zuschauern schwer die Hände zu heben und diesen Abend zu beschließen.

Kai Schumacher nimmt langsam die Hände vom Klavier, richtet sich auf, entfernt mit Bedacht sein In-Ear-Monitoring und erhebt sich. Erst jetzt kann sich das Publikum aus seiner Starre lösen und applaudiert verhalten. Höchst symphatisch leitet Schumacher zur Zugabe über, seine fantastische Bearbeitung des Prodigy-Klassikers "Out Of Space", der das Publikum aus der Anspannung befreit und ihm die Möglichkeit gibt nun angemessen zu applaudieren.

"Beauty in Simplicity" ist tatsächlich nicht simpel. Nicht in der musikalischen Interpretation, nicht in der visuellen Umsetzung und erst recht nicht in der Erfahrung für das Publikum. Kai Schumacher begreift die Einfachheit musikalischer Strukturen und macht daraus etwas Wunderschönes. Danke dafür!