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Belle & Sebastian (live in Frankfurt 2018) © Torsten Reitz

Mit ihrem ersten Konzert in Frankfurt seit Ewigkeiten sorgen Belle and Sebastian trotz winterlicher Temperaturen für Frühlingsgefühle in der Batschkapp.

Stuart Murdoch hat offensichtlich recherchiert. 21 Jahre sei es her, dass Belle and Sebastian zuletzt in Frankfurt gespielt hätten. Wer dieses Konzert damals besucht hat, war wirklich nahe am Puls der Zeit, denn nur Experten für UK-Indie-Pop kannten damals das Kollektiv aus dem schottischen Glasgow.

Zuschauer aus allen Altersgruppen

Zur Bestätigung zeigen Belle & Sebastian Bilder, die sie an dem sonnigen, aber kalten Samstag in Frankfurt gemacht haben. Ihre lakonischen Kommentare über Straßenbahnen, Hunde und öffentliche Bücherregale werden nur übertroffen von der Frage: "Wo kommt ihr alle her? Offenbach?"

In den vergangenen zwei Dekaden haben Belle and Sebastian bei Musikfans weltweite Bekanntheit erlangt, aber das bedeutet nicht, dass ihre Fans allesamt älteren Jahrgangs sind. Zahlreiche junge, enthusiastische Besucher sind anwesend und sorgen für ein altersmäßig bunt gemischtes Publikum. Belle and Sebastian sind offensichtlich eine Band, die immer noch neue Anhänger gewinnt.

Opulenter Gesamtsound

Das liegt zum einen fraglos an der zeitlosen Klasse ihrer Songs. Schon der Auftakt mit "Nobody's Empire", einem ihrer besten späteren Songs, animiert die Zuschauer zum Tanzen und Mitwippen. So umstritten unter Fans ihre Hinwendung zu beatbetontem Dance-Pop ist, live funktionieren die neuen Stücke dank jeder Menge Energie und Enthusiasmus.

Das bedeutet nicht, dass die introspektiven, melancholischen Lieder aus der Frühzeit völlig fehlen. "Dog On Wheels" vertritt die frühen Singles und "Get Me Away From Here, I'm Dying" ihr Meisterwerk "If You're Feeling Sinister". Insgesamt konzentrieren sich Belle and Sebastian aber auf Werke, welche die opulente Besetzung aus neun Musikern für den Gesamtsound benötigen.

Abwechslung beim Gesang

Für Abwechslung sorgt zudem, dass Stuart Murdoch den Lead-Gesang wiederholt seinen Bandkollegen Sarah Martin und Stevie Jackson überlässt. Beide sind keine überragenden Sänger, aber ihr Gesang besitzt einen gewissen Charme, der über technische Unzulänglichkeiten hinwegsehen lässt.

Martins luftig-leichtes "The Same Star" überzeugt ebenso wie das von Jackson gesungene "The Wrong Girl", eines der besseren Lieder des insgesamt durchwachsenen Albums "Fold Your Hands Child, You Walk Like A Peasant". Allerdings fragt man sich, was die Band an dem ebenfalls von Jackson gesungenen "Perfect Couples" findet, einem ziemlich durchsichtigen Stück, das sich allerdings seit längerem beständig in der Setlist hält.

Die Liebe als zentrales Thema

Viel besser ist es, über die wirklichen Highlights zu reden, beispielsweise das mitreißende "I'm A Cuckoo" von "Dear Catastrophe Waitress", das mit seiner unnachahmlichen Energie Stuart Murdoch zum Auf der Stelle-Laufen auf der Bühne animiert. "If She Wants Me" vom gleichen Album zeigt Stuart Murdochs Gesang von seiner besten Seite und behandelt inhaltlich das zentrale Thema des Werks von Belle and Sebastian: die Möglichkeit und Unmöglichkeit der Liebe.

Wie geschickt Belle and Sebastian dieses Thema angehen, verdeutlicht "Piazza, New York Catcher", das Stuart Murdoch auf der Bühne sitzend singt. Der Songs verbindete eine Liebeserklärung an eine Angebetete mit einer Liebeserklärung an Baseball. Und hat jemand jemals ein schöneres Lied über heimliche Liebe geschrieben als "Get Me Away I'm Dying"? Man kann der Zuschauerin nur dankbar sein, dass sie ihren Wunsch hinausschreit – und die Band ihn erfüllt.

Eine sympathische Band

Stuart Murdoch ist zudem der sympathischste Entertainer, den man sich wünschen kann. Das liegt an seiner humorvollen, offenen Art sowie seiner Fähigkeit, sich Ärger einzuhandeln und sich wieder daraus zu befreien. Als er auf "shy people" (schüchterne Leute) zu sprechen kommt, resümiert er zunächst: "Shy people – what a waste of time", um das sogleich zurückzunehmen. "Belle and Sebastian are a band for shy people". Wie wahr. 

Für das unverwüstliche "The Boy With The Arab Strap" holt die Band schließlich eine Handvoll junge Besucher auf die Bühne, die dort tanzen dürfen. Die Leichtigkeit, mit der die Band performt, ist angesichts der Distanz vieler moderner Pop-Acts bemerkenswert. Belle and Sebastian sind nicht nur eine Band, die auf Tuchfühlung mit den Zuschauern gehen – als Zuschauer nimmt man dieses Angebot auch gerne an.

Zum abschließenden "The Party Line" bahnt sich Stuart Murdoch seinen Weg durch die Zuschauer und singt schließlich von der Treppe, die auf die Empore führt. Das eher simple Lied gewinnt dadurch an Eindringlichkeit und verdeutlicht nochmals, was diese Band so außergewöhnlich macht: Wenn sie nicht echt sind, vermitteln sie doch eine liebevolle Illusion der Authentizität.

Setlist

Nobody's Empire / I'm a Cuckoo / We Were Beautiful / I'll Be Your Pilot / Dog On Wheels / Perfect Couples / If She Wants Me / Piazza, New York Catcher / Little Lou, Ugly Jack, Prophet John /  The Same Star / Stay Loose / The Wrong Girl / Simple Things / The Boy With The Arab Strap / Legal Man // Sleep The Clock Around / Get Me Away From Here, I'm Dying / The Party Line

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