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Martin Kohlstedt (live in Mannheim, 2017) © Johannes Rehorst

Spätestens seit dem Maifeld Derby 2016 ist Martin Kohlstedt Musikliebhabern in der Quadratestadt ein Begriff. In der Alten Feuerwache in Mannheim zeigt er nun wieder seine Genialität und beschert den Besuchern ein Konzerterlebnis der Meisterklasse.

Wer jemals Martin Kohlstedts Musik gehört hat, weiß, welche wunderschöne Kompositionen der Virtuose am Klavier erschaffen kann. Zweifler fragen sich aber vielleicht, ob seine Musik live funktioniert, oder ob das Konzerterlebnis nicht vielleicht etwas langatmig ist.

Die Besucher der gut besuchten Alten Feuerwache in Mannheim können aber eindeutig und vehement klarstellen, dass seine Musik sehr wohl live funktioniert, und mehr als das – dass sie absolut mitreißend ist.

Kontrastreich

Der Abend ist geprägt von Kontrasten. Da ist Kohlstedt, der mit seiner Musik in immer weitere Höhen entschwebt, laut und elektronisch wird, mit vollem Körpereinsatz in seine Performance eintaucht, nur um dann in sich selbst zusammenzusacken und wieder die leisesten und zartesten Melodien aufzugreifen.

Oder das Licht, das genau so minimalistisch wie eindrucksvoll einen stetigen Farbkontrast bildet. Mal sind es nur die kleinsten Lichter auf der Bühne, die sich mit ihrem sanften Schein von der Dunkelheit abheben, mal sind es die Scheinwerfer, die warmes Licht auf den Künstler werfen und kaltes auf sein Equipment. Hier trifft eins auf das andere. Hell auf dunkel, warm auf kalt, Tag auf Nacht. Das verbindende Element ist, wie sollte es auch anders sein, natürlich der Künstler.

Der bildet einen nicht minder beeindruckenden Kontrast. So elegant, expressiv und meisterhaft er in seiner Musik und seiner Performance ist, so unbeholfen, in sich gekehrt und zerstreut wirkt er, wenn er sich dem Publikum zuwendet. Die Art, wie er mit den Zuschauern redet und Geschichten erzählt erinnert fast schon an eine Stand-Up-Routine. Aber Genie und Wahnsinn sollen ja nahe zusammen liegen, da überrascht es nicht, dass dieser Meister am Klavier abseits seines Instruments etwas verpeilt wirkt.

Die magische Drei

Ein fixes Set scheint Kohlstedt übrigens auch nicht zu haben. Nachdem er zu Beginn ein Stück spielt, das er den Zuschauern nur so um die Ohren haut, dreht er sich schüchtern zum Publikum, begrüßt es und wundert sich, warum er gerade so angefangen hat. Es ist eben einfach passiert, die Musik hat ihn dazu getrieben.

Überhaupt, so erklärt er, seien seine Stücke nie fertig. Deswegen verwendet er dreistelligen Titel, die für kleine eigenstehende Module stehen, die man mit anderen Kompositionen verbinden und stetig weiterentwickeln kann – und die einen eben dort hintragen, wo sie wollen.

Mit der Drei hat übrigens auch alles angefangen. Als Kind habe er immer nur drei Töne in verschiedenen Variationen gespielt, weil das auf ihn beruhigend gewirkt habe. Das habe er so lange wiederholt, bis es schon fast langweilig war. Irgendwann hatte er dann die Erleuchtung und wiederholte die Töne, getrieben von der magischen Drei, bis in die Unendlichkeit und die Musik strömte wie von alleine aus ihm heraus. Das zeigt sich auch heute noch in seinen Stücken, die einen gekonnten Minimalismus als Basis haben.

Atmosphärisch

Kohlstedt schafft es an diesem Abend die Zuschauer komplett abzuholen. Während er in seine Musik eintaucht, versetzt er das Publikum in immer schönere musikalische Sphären. Auch die Atmosphäre der Feuerwache unterstreicht das noch. Das Licht auf der Bühne ist perfekt abgestimmt, die großen Säulen im Saal liefern einen passenden Rahmen, das Publikum ist gebannt von der Performance.

Es ist wenig überraschend, dass die Zuschauer davon nicht genug bekommen können. Da kann der Musiker auch mal ein paar "Faxen", wie er selbst sagt, am Klavier machen, wir haben es ja nicht anders gewollt. Und selbst das klingt noch absolut großartig.

Ein Konzert der Extraklasse

Mit "JIN" spielt er dann sein letztes Stück, die Zuschauer feiern Kohlstedt aber weiter und verlangen noch eine Zugabe. Die kommt aber nicht. Der Künstler betritt ein letztes Mal die Bühne, bedankt sich, erklärt aber, dass nach "JIN", dem letzten Stück seines aktuellen Albums "Strom", eben nichts mehr gehe. Danach könne er einfach nichts mehr spielen.

Und so geht der Abend an dieser Stelle zu Ende und hinterlässt den Konzertgängern ein musikalisches Erlebnis der Extraklasse. Ein brillanter Künstler, ein großartiger Abend, eben einfach ein perfektes Konzert.

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