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Wardruna (live in Heidelberg, 2017) © Johannes Rehorst

Mit traditionellen norwegischen Instrumenten und Einflüssen aus der Landes- und Kulturgeschichte schaffen Wardruna eine eigenwillige Atmosphäre, die zunächst so gar nicht in das Ambiente der Heidelberger Stadthalle passen will.

Es ist ein merkwürdiger Kontrast, der sich dem Besucher des Kongresshauses Stadthalle Heidelberg im Rahmen des ausverkauften Konzertes der norwegischen Folk-Band Wardruna bietet.

Das so distinguiert wirkende, von Jugendstil und Renaissance inspirierte Bauwerk öffnet seine breiten Tore für ein zwar bunt gemischtes, jedoch fast einheitlich schwarz gekleidetes Publikum.

Zelebrierter Kontrast

Während die eine Hälfte der Zuschauer auch bei einem Black Metal-Konzert nicht fehl am Platz wäre, würde man die andere eher auf einem Mittelaltermarkt verorten – beides eher seltene Anblicke in diesem Haus, wo ansonsten vor allem Klassik gespielt wird. 

Natürlich ist diese Mischung bei einem zweiten Blick auf Wardruna wenig verwunderlich: So handelt es sich bei Mastermind Einar Selvik und dem Ex-Sänger Gaahl um ehemalige Mitglieder der norwegischen Black Metaller Gorgoroth, die sich zusammen geschlossen haben, um die musikalische und kulturelle Welt ihrer Ahnen zu erkunden.

Geübte Inszenierung

Auch das Intro, das vor allem von martialischen Paukenhieben und den unheischwangere Tönen zweier sogenannter Luren – große, gebogene Hörner aus Metall – getragen wird, weckt noch einmal Assoziationen, die so gar nicht auf die ausladende Bühne des Kongresshauses passen. Eher würde man Wardruna wohl draußen verorten, inmitten dichter norwegischer Wälder oder auf weiter Flur.

Doch schon die stimmungsvolle Ausleuchtung während des ersten Songs, die die Schatten der großen Hörner mittig zentriert auf den groben Stoff-Backdrop wirft, zeigt, dass Wardruna auch im geschlossenen Raum genau wissen, was zu tun ist. Sie schaffen es beinahe mühelos, nur mit ihrer Musik und sparsamen visuellen Elementen eine rituell-düstere, irgendwie vorzeitliche Atmosphäre zu schaffen.

Wider den Kitsch

Glücklicherweise tappt die Band dabei auch nicht in die Kitsch-Falle, verfällt somit z.B. nicht dem Wahn, das unbestreitbare filmische Element ihrer Songs durch überbordende Visuals noch zu verstärken.

Die verschiedenfarbige Beleuchtung, die meist sparsam und bedacht eingesetzt ist, ist zusammen mit dem allgegenwärtigen Nebel das einzige wirkliche Stilmittel – sieht man einmal ab von den traditionellen Instrumenten, die natürlich an sich schon ziemliche Hingucker sind.

Instrumentale Varianz

Nach dem ersten, kurzen Block, der mit seinen monotonen Paukenschlägen und eher sparsamen Arrangements vor allem dazu dient, Stimmung aufzubauen, treten dann zunehmend die vielseitige Instrumentierung und die Stimmen von Selvik und Sängerin Lindy Fay Hella in den Vordergrund.

Während die Rhythmen durch Schichtung verschiedener Perkussions-Instrumente immer dichter werden, bauen Wardruna auch das harmonische Fundament der Lieder langsam aus. So präsentieren sie verschiedene Flöten, eine Maultrommel, gestrichene wie gezupfte Saiteninstrumente, und steigern durch die Verwendung von Field Recordings auch noch einmal die atmosphärische Komponente.

Davor dominiert Selvik, der mit seiner klaren und kraftvollen Stimme Texte in norwegisch, aber auch noch älteren Sprachformen vorträgt, und immer wieder von der beinahe hexenhaften Stimme Hellas ergänzt wird.

Folk-Pop?

Dass die Varianz vor allem von den Instrumenten und weniger von den strukturell doch meist recht gleichförmigen Songs getragen wird, geht über die gut anderthalb Stunden Spielzeit nahezu perfekt auf. Lediglich gegen Ende verschwimmen die wenig abwechslungsreichen Paukenrhythmen langsam ineinander.

Doch wird dieser Entwicklung schnell durch die finalen Songs entgegengewirk, die mit ihren hymnischen Gesangsmelodien, an denen die ganze Band Anteil hat, die Aufmerksamkeit schnell wieder von den Trommeln ablenken – Melodien, die das Publikum zu frenetischem Applaus animieren.

Von Wikingern und Schlangen

Sogar zu einer Zugabe kann Einar Selvik animiert werden. Diese entpuppt sich als bisher unveröffentlichter Song aus der Fernsehserie Vikings und stellt die Gesänge eines Lyrikers dar, der in eine Grube mit Schlangen geworfen wurde und sozusagen um sein Leben singt.

Zwar ist der Einsatz für Selvik, der diesen Song alleine singt, nicht ganz so hoch, doch legt auch er alle Energie in die Performance, und schafft es so auch ganz ohne Band noch einmal, zu begeistern – und beinahe den ganzen Saal für ein paar Minuten zum Schweigen zu bringen.

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