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Cypress Hill (live in der Stadthalle Offenbach, 2017) © Akis Konstantinidis

Eine gute Stunde lang bringen Cypress Hill das Publikum in der Offenbacher Stadthalle mit harten Beats und Sprechgesang im wahrsten Sinne des Wortes zum Qualmen. Dann jedoch erlischt die energiegeladene Show der kalifornischen Hip-Hop-Legenden beinahe so abrupt wie die selbstgedrehten Zigaretten im Innenraum.

In Hip-Hop-Kreisen genießen Cypress Hill wahren Kultstatus. Knapp drei Jahrzehnte sind die beiden MCs B-Real und Sen Dog mittlerweile gemeinsam mit DJ Muggs unterwegs und haben sich auf diesem Weg mit Hits wie “Insane In The Brain“, “Dr. Greenthumb“ und “Rock Superstar“ bei Rap- wie Metalfans geradezu unsterblich gemacht.

In den letzten Jahren wurde es trotz des Einstiegs von Nachzügler Eric Bobo als Percussionisten zumindest in Sachen Veröffentlichungen ruhiger um die Kalifornier. Live waren Cypress Hill aber nie so ganz weg vom Fenster und auch in regelmäßigen Abständen immer mal wieder in Deutschland zugange. Auf ihrer aktuellen Europareise verschlägt es die vier Latinoamerikaner mit “GTA“-Star Julio G als DJ Muggs-Ersatz auch in die Hip-Hop-Hochburg Offenbach.

Schall und Rauch

Als die Hip-Hop-Legenden schließlich die Bühne betreten, ist die Stadthalle bereits prall gefüllt und erbebt fast unter dem von der Band erzeugten Schalldruck. Cypress Hill feuern mit “Shoot ‘Em Up“ gleich von Beginn an aus allen Rohren. Das bestens gelaunte Publikum freut es. Überall im Innenraum gehen Hände und Handys nach oben. Auf die an beiden Seiten der Halle groß angebrachten Rauchverbotsschilder wird dabei an diesem Abend, wie bei einem Konzert der Kalifornier eigentlich nicht anders zu erwarten, nur wenig Rücksicht genommen. Zuschauer wie Sicherheitskräfte sehen nur allzu gerne über die Regelung hinweg.

Spätestens nachdem die Klassiker “Hand On The Pump“ und “How I Could Just Kill A Man“ in energiegeladenen Versionen erklungen sind und sich Cypress Hill – komplett in grün gehalten – unter der Federführung von B-Real und seiner markanten nasalen Stimme dem sogenannten “Weed Medley“ widmen, steigen nicht nur über der Bühne Rauchschwaden auf, sondern in praktisch jedem Bereich des Innenraums und der Tribüne. Die vier US-Amerikaner waren eben schon immer Vorreiter in Sachen Legalisierung von Cannabis, wie ihre im Rahmen des musikalischen Potpourris aufgeführten Stücke wie “I Wanna Get High“ und “Hits From The Bong“ mehr als deutlich demonstrieren.

Mittendrin statt nur dabei

Keine Cypress Hill-Show wäre aber komplett, ohne dass nicht danach das Publikum aktiv mit in die Veranstaltung einbezogen würde. Als die Zuschauer entsprechend auf Betriebstemperatur gekommen sind, knüpfen sich Sen Dog und B-Real jeweils eine Seite der Halle vor und lassen die beiden Hälften der Fans gegeneinander antreten. Zu den Klängen von House Of Pains “Jump Around“ springen die einen wie von der Tarantel gestochen hin und her, während die anderen beim Anfangsriff von Nirvanas “Smells Like Teen Spirit“ wie verrückt ihre Mittelfinger nach oben recken. Die Routine der Cypress Hill-MCs ist nach jahrelanger Übung perfekt aufeinander abgestimmt. Das partyfreudige Publikum als Unterstützung der beiden tut sein Übriges.

Als im Anschluss mit “Insane In The Brain“ einer der Klassiker der Kalifornier ertönt, kennt das durch die Interaktion mit der Band angeheizte Publikum kein Halten mehr. Ausgiebig werden die selbsterklärt verrückten Hispanos von ihren Fans dafür gefeiert, dass sie sich im Rahmen dieser Tour an ihre bekanntesten Stücke halten. Die gute Laune setzt sich auch ununterbrochen fort, als Sen Dog das iberoamerikanisch angehauchte “Latin Thugs“ im Alleingang zum Besten geben darf, während sich B-Real ans Schlagwerk begibt, um seinem Kollegen Eric Bobo dort unter die Arme zu greifen, nur um beim ebenso begeistert empfangenen “Tequila Sunrise“ wieder an vorderster Front zu kämpfen.

Die Mischung macht‘s

Cypress Hill sind in vielerlei Hinsicht schon immer irgendwie Brückenbauer zwischen verschiedenen Welten gewesen – zwischen Nichtrauchern und Tabakgenießern, zwischen Rappern und Rockern und ebenso sehr zwischen der englisch- und der spanischsprachigen Welt. Diese Crossover-Mentalität zeigt sich auch an diesem Abend. Denn das Offenbacher Publikum besteht aus einer bunten Mischung von Liebhabern härterer Gitarrenstücke und Sprechgesangverfechtern, die auf frisch gemähtes Grünzeug von der Wiese abfahren und rein gar nichts auf ihren Hip-Hop kommen lassen. Was auf den ersten Blick wie eine völlig absurde Mixtur wirken mag, funktioniert in diesem Rahmen aber bestens. Alle wollen an diesem Abend nämlich nur eins: mit Cypress Hill zusammen feiern.

Da ist es selbst den eingefleischten Rap-Fans völlig gleich, dass sich die beiden Mikrofonmänner anschließend erst einmal kurz zurückziehen, um Julio G Platz zur Entfaltung zu geben. Der DJ nutzt die Zeit, um sich zunächst mit Eric Bobo einen Schlagabtausch zwischen Plattenspieler und Schlaginstrumenten zu liefern. Als der Percussionist schließlich die Segel streicht, erhält der Mann an den Turntables Unterstützung von seinem Frontmann B-Real, der auch als Vinyldreher gar keine schlechte Figur abgibt. Vielleicht übt sich der umtriebige MC ja neben seiner Tätigkeit als einer der beiden Sänger der neuen All-Star-Truppe Prophets Of Rage bereits insgeheim an einer weiteren Rolle.  

Auf die Tube gedrückt

Danach setzen Cypress Hill bereits zum Schlussspurt des Abends an, obwohl gerade einmal eine knappe Dreiviertelstunde in die Lande gegangen ist. Zwar fahren die Kalifornier mit “Throw Your Set In The Air“, “I Ain’t Goin‘ Out Like That“ und dem brachialen, inzwischen obligatorischen Closer “Rock Superstar” noch etliche weitere Highlights auf. Doch eine an sich über weite Strecken gelungene Show erhält dadurch eine bittere Note, dass die Kalifornier sich nach insgesamt nur knapp 70 Minuten von ihrem Publikum verabschieden, ohne auch überhaupt nur an eine Zugabe zu denken. Ob die mittlerweile auch leicht in die Jahre gekommenen Mitbegründer des West Coast Rap nicht mehr Energie haben?

Auf jeden Fall kann man das jähe Ende mit gutem Willen als eine verpasste Chance betrachten, da Cypress Hill ja über die Jahre hinweg acht Studioalben und eine weitere Platte mit dem Arbeitstitel “Elephants On Acid“ vorweisen können. Letztere befindet sich gerade in der Produktionsphase und soll laut B-Real in nicht allzu langer Zeit erscheinen. Somit hätten Cypress Hill eigentlich genügend brauchbares Material zur Auswahl gehabt. Die aktuell noch letzte Scheibe “Rise Up“ wird auf der aktuellen Tour beispielsweise aus unerfindlichen Gründen komplett ausgeklammert. Auch hätte man guten Gewissens ein paar Stücke der Bandmitglieder außerhalb ihrer Tätigkeit bei Cypress Hill einbauen können. Speziell die Nummern des ebenso bald erscheinenden Prophets Of Rage-Debüts hätten sich dafür geradezu angeboten.

Ende gut, alles gut?

So bleibt am Ende des Abends in der Stadthalle Offenbach ein bitterer Nachgeschmack nach einer für Hip-Hop-Fans zunächst mit zahlreichen Delikatessen gespickten Performance der West Coast-Legenden. Als zahlender Zuschauer muss man sich dann allerdings doch fragen dürfen, was sich Cypress Hill bei dieser knappen Spielzeit wohl gedacht haben mögen. Die meisten Fans scheinen zwar zufriedenen Gesichts die Heimreise anzutreten. Allerdings dürfte der ein oder andere mit Sicherheit nicht ganz ohne Enttäuschung die Arena verlassen haben. Vielleicht besinnen sich die Kalifornier demnächst mit neuem Album im Gepäck in dieser Hinsicht wieder eines Besseren. Weitere Nummern hätte das Offenbacher Publikum an diesem Abend jedenfalls verdient.

Setlist

Shoot ‘Em Up / Step The Fuck Off / Hand On The Pump / When The Shit Goes Down / The Phuncky Feel One / How I Could Just Kill A Man / Weed Medley: Roll It Up, Light It Up, Smoke It Up – I Wanna Get High – Cisco Kid – Dr. Greenthumb – Hits From The Bong / Crowd Interaction: Left Side vs. Right Side (mit Jump Around und Smells Like Teen Spirit) / Insane In The Brain / Latin Thugs / Tequila Sunrise / DJ Solo (inklusive Percussion-DJ-Duell und Turntable-Duett mit B-Real) / Throw Your Set In The Air / Cock The Hammer / Everybody Must Get Stoned / Illusions / I Ain’t Goin’ Out Like That / Rock Superstar

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