The Divine Comedy 2017

The Divine Comedy 2017 © Raphaël Neal

The Divine Comedy gastierten im Rahmen der MERCK-Sommerperlen in der Darmstädter Centralstation und Mastermind Neil Hannon zeigt mit seiner famosen fünfköpfigen Band, dass er live als Sänger, Musiker und Entertainer immer noch in einer eigenen Liga spielt.

Es ist kühl und regnerisch, als sich die Centralstation in Darmstadt stattlich füllt, um einen Überlebenden des 1990er Britpop-Booms zu begrüßen.

Neil Hannon, das nordirische Mastermind von The Divine Comedy, hatte in über 25 aktiven Dienstjahren seinen größten Hit "Something for the weekend“ bereits im Jahr 1996, als britische Bands die europäischen Charts dominierten.

Wie einst Napoleon

Seither hat er in mehr oder minder großen Abständen schöne gedrechselte Popplatten mit viel Streicher-Sentiment und noch mehr Englishness veröffentlicht. Die Musikpresse warf ihm zuletzt behutsame Stagnation bei seinen Studioproduktionen vor, live ist Neil Hannon mit Band jedoch immer noch die "Bank von England".

Komplett in napoleonischer Uniform samt Kopfbegleitung betritt der frankophile Hannon spitzbübisch die Bühne und legt mit mehreren Songs seiner aktuellen Platte "Foreverland" los. Dabei kommt "Napoleon Complex" natürlich visuell bestens über die Bretter, auch die restliche Band ist mehr oder minder in französische Uniformen gekleidet. "Catherine The Great" zeigt, dass Neil Hannon auch heute noch atemberaubende Dreiminüter entwerfen kann, die voller Musikalität und Ideenreichtum stecken.

Ein Könner seines Faches

In den folgenden gut 100 Minuten zeigt Hannon, was ihn von der Masse vieler britischer Popsänger abhebt. Stilsicher und traditionsbewusst bewegt sich der 46-jährige zwischen dem viktorianischen England, den Swinging Sixties und Monty Python. Er besitzt noch dazu die Gabe, zeitlose Popsongs zu schreiben und ist gleichzeitig ein begnadeter Entertainer, der auch über sich selbst lachen kann.

Sein Humor ist auch bei den Ansagen pointiert und trocken. Während "The Frog Princess" implementiert er schelmisch die Marseillaise mit einer Melodica. Mit "Sweden" streut er sarkastisch und gewollt disharmonisch Sand in die perfekte Popmaschinerie.

Nach der Hälfte des Sets erscheint er plötzlich mit Schirm, Anzug und Melone und gibt zynisch den "Complete Banker" seiner vorletzten Platte "Bang Goes The Knighthood", der er an diesem Abend mit 5 Titeln neben "Foreverland" sehr viel Platz einräumt.

Ein sagenhafter Backkatalog

Hannon spielt Lieder aus allen Schaffensphasen. "Bad Amabassador" vom weithin unterschätzten "Regeneration"-Album aus dem Jahr 2001 ist klassischer 1970-Rock, bei dem der starke Gitarrist Tosh Flood alle Register zieht. Mit den erprobten Liveschlachtrößern "Our Mutual Friend" und "A Lady Of A Certain Age" stimmt er gekonnt ruhigere Töne an.

Dazwischen serviert er für sich und seine hervorragend interagierende Band um die langjährigen Bandmitglieder Andrew Skeet an den Tasten und Simon Little am Bass aus einem 1960er-Weltkugel-Servierwagen Getränke. Jedes Detail stimmt!

Ein Feuerwerk an Hits

Hannon lässt sich im letzten Drittel seiner Show nicht zweimal bitten und legt mit dem folkigen und unverwüstlichen "Songs Of Love" den Grundstein für ein Feuerwerk an Hits. "Something For The Weekend" spielt er genauso überzeugend wie vor 20 Jahren, die Gitarre drängt nach vorne. Das Arrangement fällt, wie bei vielen anderen Songs des Abends auch, rockiger aus.

Die vielen Streicher-Arrangements der Platten werden durch ein zweites Keyboard nicht ersetzt, aber geschickt kopiert. "Becoming More Like Alfie" klingt immer noch als ob sich Burt Bacharach in die Neunziger gerettet hätte. Oh Moment, hat er.

Prächtige Livedynamik

"At The Indie Disco" gegen Ende des regulären Sets zählt nochmal alle alten Helden von Morrissey bis zu den Pixies auf und wartet mit einer echten Überraschung auf.

The Divine Comedy covern während des Songs tatsächlich "Blue Monday" von New Order exakt bis zu dem Punkt, als im Original Bernard Sumners Gesang einsetzt – und Hannon zum eigentlichen Lied zurückkehrt. Große Entertainerkunst und Stilbruch von jemandem, der auch großes schauspielerisches Talent besitzt.

Ein euphorischer Abschied

Die Fans danken es mit regelrechten Beifallstürmen und das euphorisierende "National Express", sein letzter Hit aus den Neunzigern, wird noch nach dem Abgang der Band lauthals weitergesungen. Es folgen zwei Zugaben und noch mehr Rotwein für Hannon, der sich sichtlich wohlfühlt und mit dem Glas in der Hand mit dem Publikum feixt.

Nach einem majestätischen "Tonight We Fly" mit dem Sänger hoch oben auf den Monitorboxen ist jedoch Schluss und man muss konstatieren, dass Hannon und seine Band eines der mitreißendsten Konzerte dieses Jahres in der Centralstation abgeliefert haben. Mach‘s gut, "Gin Soaked Boy"!

Setlist

How can you leave me on my own / Napoleon Complex / The frog princess / Bad Ambassador / Catherine the great / To the rescue / Sweden / The certainty of chance / The complete banker / Bang goes the knighthood / Generation Sex/ Our mutual friend / A lady of a certain age / Songs of love / Something for the weekend / Becoming more like Alfie / At the indie disco / I like / National Express / Assume the purpendicular / Tonight we fly

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