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Max Giesinger (live auf dem Zeltfestival Rhein-Neckar in Mannheim, 2017) © Akis Konstantinidis

Max Giesinger feiert auf dem Zeltfestival Rhein-Neckar in Mannheim eine Art Heimspiel und präsentiert ein Konzert ohne Überraschungen. Fans des neuen deutschen Poppoeten kommen aber ganz auf ihre Kosten.

Max Giesinger fand sich in letzter Zeit heftiger Kritik seitens Jan Böhmermann und seinem Alter Ego Jim Pandzko ausgesetzt. Dass das komplett von ihm abgeperlt ist, ist eigentlich wenig überraschend, hat er doch so viele Ecken und Kanten wie ein Milchbrötchen. 

Auch auf dem Zeltfestival Rhein-Neckar präsentiert er sich als glatter Entertainer, das bunt durchmischte Publikum feiert das aber, sind sie doch genau dafür gekommen.

Nicht erfrischend

An dieser Stelle könnte man eine Phrase à la "Max Giesinger bringt das Zelt zum Kochen" einfügen, denn im Zelt wird es nach einiger Zeit so heiß, dass sogar Sunnyboy Max nicht umhin kann in Strömen zu schwitzen. Während die Masse ausgelassen mittanzt, mitsingt, mitklatscht, mitschunkelt und alle Mitmachaktionen – ähem – mitmacht, halte ich mich dezent im Hintergrund und halte die Performance für wenig erfrischend.

Insbesondere seine weiblichen Fans kommen aber ganz auf ihre Kosten. Zu Beginn der Show steht Max mitten in der Menge und startet sein Set mit "Der Junge, der rennt". Ganz auf dem Boden geblieben und publikumsnah eben. Der Großteil der Lieder stammt von seiner zweiten Platte - der, mit der er gerade so viele Erfolge verbucht und sich endlich in viele Herzen spielen konnte. 

"Barfuß und allein", "Wenn sie tanzt", "Für dich, für mich", "Die guten Tage strahlen", "In Balance", "Roulette" und "Nicht so schnell" dürfen selbstverständlich nicht fehlen. Für eine Überraschung sorgt er zwischendurch tatsächlich. Den Song "Kalifornien" vom ersten Album präsentiert er als natürlichen Nachfolger von Daft Punks "Get Lucky", wobei das Cover nahtlos in seinen Song übergeht. Kann man machen, muss man aber nicht.

80 Millionen Klischees 

Überhaupt bedient der Junge, der rennt, nachdem er ja bereits laufen gelernt hat, an diesem Abend alle Klischees. Max Giesinger fragt: "Seid ihr auch alle gut drauf?", animiert zu lautem Mitklatschen und Mitsingen, geht in der Strophe in die Knie und springt zum Refrain auf, fragt zwei zufällige Fans nach ihrem Namen und bedankt sich bei ihnen.

Aber ich sollte nicht so zynisch sein. Dass Giesinger singen kann, hat er schon oft genug bewiesen. Performen kann er wohl auch. Das mag nicht jedermanns Sache sein, dennoch kann man ihm nicht absprechen, dass er seine Sache gut macht. Mit seiner Musik spricht er eine breite Masse an und liefert ihnen genau das, was sie wollen. Musik, bei der man nicht nachdenken muss, die unpolitisch und unkompliziert ist, die bei jedem Lied spätestens ab der Zweiminutenmarke Gänsehaut liefert.

Es wird noch ein Song für alle Mannheimer gespielt, "Melancholiker", den er nur in der Quadratestadt spielt, weil es die Band ohne Mannheim so nicht geben würde. "80 Millionen" darf auch nicht fehlen, die Menge rastet aus, dann folgt noch eine Zugabe und das war es.

Music for the masses

Hier bin ich also und gebe der deutschen, für die breite Masse geschneiderten Musik noch eine Chance. Überraschen oder gar überzeugen kann sie letztendlich nicht. Was mit Sicherheit den Großteil der Besucher begeistert und berührt, bleibt zum Schluss doch genau der zu erwartende Einheitsbrei. Der Versuch, jedes "Menschen, Leben, Tanzen, Welt" zu zählen, ist auch gescheitert. So weit kann ich nicht zählen, hab ja auch nur zwei Hände.

Der Menge gefällt es aber, und das ist doch letztlich alles was zählt. Tickets verkaufen, den Fans genau das geben was sie wollen und sich anschließend im Echo-Ruhm sonnen. Für Max Giesinger könnte der Abend wohl nicht perfekter sein. Ausgelassene Stimmung, gutes Wetter. Und wo er sonst der Opener war, ist er jetzt der Mainact. Der Sänger ist dort, wo er hin wollte und das können nicht viele von sich behaupten. Jan Böhmermann aber schon.