Iron Maiden sind ein wahres Phänomen. Seit der Reunion der Band mit Sänger Bruce Dickinson und Gitarrist Adrian Smith kurz vor der Jahrtausendwende befinden sich die sechs Briten mit ihrem eigenen "Ed Force One"-Jet auf kontinuierlichem Höhenflug, nachdem man sie in den 1990er Jahren bereits zum alten Eisen zählte.

Doch wer nicht rastet, der rostet auch nicht, und so sind die schwermetallischen Jungfrauen mit ihrem aktuellen Hitalbum "The Book Of Souls" bereits seit über einem Jahr immer wieder auf Tour – die sie unter anderem auch zwei Abende lang in die Frankfurter Festhalle führt.

Eine etwas andere Handreichung

Ihre besonderen Gäste für die derzeitigen Shows sind die in den USA schon seit Jahren erfolgreichen Rocker von Shinedown, deren Sänger Brent Smith im Verlauf ihres Sets gleich mehrfach erwähnt, wie geehrt sie sich doch fühlen, mit der englischen Legende zusammen durch die Lande ziehen zu dürfen. Festhallen-typisch ist der Sound beim Quartett aus Florida nicht immer ganz ausgewogen, aber zumindest in den vorderen Reihen scheint sich das Publikum nicht daran zu stören. Im hinteren Teil der Arena und auf den oberen Rängen nimmt man die Band stillschweigender zur Kenntnis.

Das soll aber nicht heißen, dass Shinedown schlecht wären. Im Grunde verbreiten sie mit ihrem modernen Rocksound und teils brachialen, teils eingängigen Songs wie "Second Chance" und "Sound Of Madness" sogar recht viel Live-Energie. Zudem geben sie ihr Bestes, das Publikum nach allen Regeln der Kunst zu animieren. So ruft Frontmann Smith die Fans beinahe schon gottesdienstähnlich dazu auf, ihren jeweiligen Nachbarn die Hand zu reichen, und begibt sich irgendwann selbst unter die Zuschauer. Am Ende ihres doch gelungenen Auftritts ist der Tisch für das eigentliche metallische Festmahl gedeckt.

Epischer Einstieg

Nach einer ausgedehnten Umbaupause kündigt UFOs "Doctor Doctor" vom Band aus die Ankunft der inzwischen nicht mehr ganz so unverbrauchten eisernen Jungfrauen an. Als der Song beendet ist, gehen die Lichter aus. Bedeutungsschwangere Synthesizersounds schweben durch das Rund. Über ihnen thront die markante Stimme von Bruce Dickinson, der nun auch oberhalb des Drumkits von Nicko McBrain zu sehen ist und das von ihm selbst geschriebene, exotische "If Eternity Should Fail" anstimmen darf.

Iron Maiden geben sich auf ihrer aktuellen Tour episch. Begannen sie früher meist mit kürzeren, schnelleren Stücken wie "Aces High", "Moonchild" oder "The Wicker Man", so darf es momentan für den Einstieg in die Konzerte etwas mehr sein. Sobald die Gitarren einsetzen, hält das englische Sextett das Publikum fest in seinem Bann. Live zündet die neue Nummer enorm, obwohl Dickinson selbst bei seiner eigenen Komposition leicht zu straucheln scheint. Das kompensiert er allerdings durch ein umso energischeres Auftreten. Wie ein Orkan fegt der einstige Olympiafechter über die Bühne.

Knackiges und Kolossales

Diese leicht verzeihbare Schwäche in den Anfangsminuten legt sich aber bald, und Iron Maiden arbeiten sich nach dem gewaltigen Opener durch mehrere schnelle Stücke. Die Vorabsingle zum aktuellen Album, "Speed Of Light", gibt dabei eine ausgezeichnete Figur ab und reiht sich nahtlos in den Reigen früherer Live-Kracher wie den darauffolgenden "Wrathchild" und "Children Of The Damned" ein. Mittlerweile hat sich Dickinson auch richtig warmgesungen und darf ganz nebenbei seinen Hang zum Theatralischen ausleben. Bei "Death Or Glory" taucht er im Affenkostüm auf der Bühne auf.

Danach wird es erneut monumental. Mit "The Red & The Black" packen Iron Maiden einen ihrer längsten Songs aus. Dadurch gönnen sie einerseits dem schwer arbeitenden Frontmann eine Verschnaufpause und können gleichzeitig unter Beweis stellen, wie fulminant die neuen Stücke live klingen. 

Klingt gut

"The Book Of Souls" stellt zwar einen Schritt in die richtige Richtung dar, da die vorherigen Alben der Metallegenden streckenweise doch arg zahnlos klangen. Wenn man Iron Maiden live mit ihrer ganzen Energie erlebt, wundert man sich, warum die Metallegenden diese Energie im Studio nicht entsprechend festhalten können. Trotz der generell etwas problematischen Akustik in der Festhalle ertönen Iron Maiden größtenteils transparent und dennoch druckvoll aus den Boxen, egal ob es nun um das Bassintro von Tieftöner und Bandchef Steve Harris bei "The Red & The Black", die Drums von Nicko McBrain oder die gleichzeitig erklingenden Gitarren der Saitenhexer Dave Murray, Janick Gers und Adrian Smith geht.

Letzterer ist dann auch ein gutes Stichwort. Eine hohe Beteiligung von Smith beim Songwriting ist eigentlich generell ein gutes Zeichen. Er zeichnet sich als (Co-)Autor nämlich nicht nur für einige der erfolgreichsten Maiden-Hits wie "2 Minutes To Midnight" oder "Can I Play With Madness" verantwortlich, sondern sorgt mit seinem entspannten Gemüt und seinem Gespür für Melodien auch dafür, ein Gegengewicht zu den vielen Steve Harris-Songs und dem gelegentlich bei seinen akrobatischen Aktionen auf der Bühne leicht die Präzision abgehenden Janick Gers zu schaffen.

 

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Lebendiger (mit) Totenkult

Als Dickinson nach seiner Verschnaufpause wieder richtig in die Action einsteigt, darf er sich gleich mehrfach in Schale werfen. "The Trooper" wäre kaum stilecht, ohne dass er in Soldatenuniform und mit einer großen britischen Fahne bewaffnet über die Bühne eilen würde. Auch bei dem von ihm komponierten "Powerslave" kommt der Frontmann nicht ohne eine ägyptisch angehauchte Maske aus. Iron Maiden mögen sich auf dieser Tour thematisch an die Maya angelehnt haben, deshalb müssen die alten Ägypter aus Dickinsons Opus allerdings nicht gleich komplett außen vor bleiben.

Es ist gut zu hören, dass der Sänger nach seiner Krebserkrankung allem Anschein nach wieder völlig genesen ist. Mit fast 60 Jahren gibt er immer noch eine sehr gute Figur ab und bewegt sich weiterhin in Tonhöhen, die einige seiner jüngeren Kollegen vor Neid erblassen lassen dürften. "The Book Of Souls" mag sich als Album bei vielen seiner Stücke mit dem Thema Sterblichkeit befassen. Nur weil Iron Maiden mit "The Great Unknown" und dem epischen Titelsong zwei weitere Nummern ihres aktuellen Doppelalbums nachlegen, besteht diesbezüglich allerdings keinerlei Gefahr.

Angst vor Dunkelheit – und Folter

Obwohl sie inzwischen den reiferen Semestern angehören, klingen Iron Maiden auf der Bühne immer noch frisch wie eh und je. Von angesetztem Rost spürt man keine Spur. Dickinson kämpft spaßeshalber mit dem überlebensgroßen, mittlerweile als Maya-Mumie über die Bühne taumelnden Maskottchen Eddie, die Saitenmänner sind ebenso ständig in Bewegung wie ihr Frontmann, Drummer Nicko McBrain prügelt mit der gleichen Intensität wie eh und je auf seine geschundenen Felle ein – und die Zuschauer honorieren mit begeistertem Feedback die kraftvolle, passionierte Leistung der Band.

Das seit nunmehr 25 Jahren obligatorische "Fear Of The Dark" sorgt für einen echten Gänsehautmoment. Wie nicht anders zu erwarten, singt das Publikum selbstredend jede Silbe mit, die Bruce Dickinson über die Lippen geht. Live ist das Stück ein echtes Erlebnis, das man miterlebt haben muss, um das Phänomen angemessen würdigen zu können. "Iron Maiden" – der Song, auf dem die gesamte Karriere der Band (zumindest namentlich) aufbaut – wirkt dagegen, aller von ihm ausgehenden Energie zum Trotz, geradezu bieder und langweilig.

Tanzende Teufel und brave Brüder

Besser wird es dafür, als die eigentlich ja gar nicht mehr so taufrischen eisernen Jungfrauen nach tatkräftiger Aufforderung wieder auf die Bühne zurückkehren und einen weiteren echten Klassiker anstimmen. Bei der ersten "The Number Of The Beast" beobachtet ein überdimensionierter Teufel von der linken Seite der Bühne, wie lauthals die Zuschauer bei dem in Musikform umgesetzten Albtraum von Basser Steve Harris mitgehen können. Als der Gummi-Gehörnte verschwunden ist, lassen die Fangesänge beim hymnischen "Blood Brothers" aber kein Stück nach.

Iron Maiden werden auch nach all der langen Zeit weiterhin noch gefeiert, egal wo sie auch auftauchen. "Wasted Years", wie in dem finalen Hit von Adrian Smith thematisiert, hat diese Band nur wenige erlebt, auch wenn es bezeichnend ist, dass kein Song aus der Blaze Bayley-Ära und ebenso gerade einmal ein Stück aus der Reunion-Phase, das nicht von "The Book Of Souls" stammt, in der Setlist zu finden ist. Der Fokus liegt an diesem Abend eindeutig auf der neuen Platte, ergänzt durch fast ausschließlich aus den 1980ern stammende Großtaten der englischen Metalinstitution.

Immer noch großartig

Als Iron Maiden zum Schluss kommen, sind etwa 105 grandiose Minuten wie auf einem der Flüge des auch als Pilot tätigen Bruce Dickinson vergangen. Man mag mit der neuen, progressiveren Einstellung von Iron Maiden vielleicht nicht unbedingt einverstanden sein. Live sind die sechs Briten aber allemal noch ein Erlebnis, deren neue wie alte Songs eine unglaubliche Energie und Intensität ausstrahlen, egal in welcher Couleur Maskottchen Eddie inzwischen Mal auftritt. 

Obwohl "Hallowed Be Thy Name" mittlerweile – wohl auch um Dickinson etwas zu schonen – aus der Setlist gestrichen wurde, haben sich dennoch genug Klassiker unter die aktuellen Songs gemischt, die beim Publikum fast genauso gut ankamen wie die alten. Viele dürften die Halle wunschlos glücklich verlassen haben, auch wenn eine Livepremiere des neuen Großepos "Empire Of The Clouds" oder des immer sträflich ignorierten "Alexander The Great" begrüßenswert gewesen wäre. Man wird ja wohl noch träumen und darauf ein “The Trooper“-Ale öffnen dürfen.

Setlist

If Eternity Should Fail / Speed Of Light / Wrathchild / Children Of The Damned / Death Or Glory / The Red & The Black / The Trooper / Powerslave / The Great Unknown / The Book Of Souls / Fear Of The Dark / Iron Maiden // The Number Of The Beast / Blood Brothers / Wasted Years

 

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