Shackleton

Shackleton © Jetztmusik Festival

Ein Dubstep-Produzent ohne Strom? Elektronische Musik in einem klassischen Ensemble? Shackleton und das Ensemble der Oper des Nationaltheaters Mannheim bemühen sich mit der Aufführung der "primal dawn series" im Rahmen des Jetztmusik Festivals um Klärung dieser dringenden Fragen.

Mit "The primal dawn series" ist dem Jetztmusik Festival eine wohl einmalige Produktion gelungen. Hinter diesem Titel verbirgt sich nicht weniger als eine Koproduktion des notorisch schwer zwischen Ambient, Hauntology und UK Bass zu verortenden Produzenten Shackleton mit dem Ensemble der Oper des NTM. 

Düstere Inspiration

Dem knapp einstündigen Werk liegt ein von Sam Shackleton rein elektronisch programmierter Track zu Grunde, der von Shackleton und dem klassischen Musiker Takumi Motokawa, der auch als Dirigent fungiert, für ein akustisches Ensemble zurückübersetzt wurde.

Diese ungewöhnliche Herangehensweise wurde laut Programmheft inspiriert von Shackletons Lektüre des Buches "Die Möglichkeit einer Insel" von Michel Houllebecq. Der Autor entwirft hier die dystopische Vision einer Gesellschaft, die, 2000 Jahre in der Zukunft, wieder in einen präzivilisatorischen Stand zurückgefallen ist – so, wie eben auch die Musik vom elektronischen ins alte, "archaische" rückverwandelt wird.

Dunkle Ausführung

Der dystopische Einschlag der "primal dawn series" macht sich schon in den ersten paar Tönen des Stückes bemerkbar: Über gestimmte Metallpercussion legen sich hektische Vibraphon-Sequenzen, vornehmlich im Bass-Bereich angesiedelte Blas- und Saiteninstrumente sorgen für ein kontinuierliches, atmosphärisches Dröhen.

Über diesem Sound-Fundament schweben die Stimmen der beiden Sängerinnen Amelie Petrich und Sirin Kilic. Mal mit Text, mal nur mit Geräuschen, mal gegeneinander und mal unisono bieten sie den Gegenpol zur brodelnden Instrumentierung.

Mit abwechselnder Percussion, aber ansonsten gleichbleibender Besetzung spielt das Ensemble sich durch die vier Akte des Stückes. Dient der erste Part vornehmlich dem Stimmungsaufbau, wechseln in Teil 2 und 3 kakophonische mit eher treibenden, rhythmischen Parts, um dann im vierten Teil zu einer Art Konklusion zu kommen.

Winds over Neo-Tokyo

Gerade der perkussive Aufbau des Stückes, die immer wieder alleine im Fokus stehenden Vibraphon-Sequenzen und das archaische Schlagwerk machen viel des dunklen, morbiden Reizes des Stückes aus – Referenzpunkt wäre hier z.B. der Gamelan-inspirierte Soundtrack des Animes Akira. In Verbindung mit dem sehr kreativ ausgeführten Gesang Petrichs und Kilics gibt es Momente, in denen "The primal dawn series" durch kompositorische Tiefe wirklich überzeugen kann.

Doch fehlt dem Stück über die Gesamtdauer eine gewisse Dynamik: Was Shackletons Solo-Werk durch verschiedenste Soundquellen und Samples, durch variantenreiche Produktion schafft, gelingt mit den rein akustischen Mitteln des Ensemble eher weniger. So kann die konstante Lautstärke, die geringe Abwechslung auf der Ebene der Instrumente durchaus ermüdend wirken.

Traurige Töne

Dieses Gefühl der Ermüdung wird verstärkt durch den Sound. Durch die eher ungünstige Positionierung der Zuschauer links und rechts des Ensembles und einen einigermaßen undefiniert abgenommenen Klang können etwaige Details weniger in den Vordergrund treten.

Insgesamt hinterlässt der Auftritt einen eher durchwachsenen Eindruck. "The primal dawn series" punktet über die gesamte Spieldauer mit genügend interessanten Ideen, um nicht langweilig oder beliebig zu wirken und schafft es häufig sehr gut, dystopische Bilder heraufzubeschwören. Um jedoch vollends zu überzeugen, fehlt dem Stück sowohl tontechnische Klarheit als auch eine gewisse übergreifende Dynamik.

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