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Simple Minds (live in Frankfurt am Main, 2017) © Andreas Defren

Eine durch ihre Synthesizertexturen bekannte Band aus den 1980er Jahren geht akustische Wege – kann das funktionieren? Im Falle der Simple Minds gelingt die Neuausrichtung in der Frankfurter Jahrhunderthalle mit weiterer prominenter schottischer Unterstützung durch KT Tunstall vorzüglich.

Den Stecker (aus den Musikinstrumenten) gezogen, haben in den vergangenen Jahrzehnten viele bekannte Künstler, von denen man es vielleicht nicht unbedingt erwartet hätte. Neuerdings gehören zu dieser Kategorie auch die Simple Minds, die in den 1980ern mithilfe elektronischer Elemente erst bekannt geworden sind. Mit einer groß angelegten Akustiktour tingeln sie gerade durch deutsche Hallen wie die Frankfurter Jahrhunderthalle.

Als Vorprogramm haben sich die Schotten für die aktuellen Shows die Dienste einer Landsfrau gesichert. Die bekannte Singer/Songwriterin KT Tunstall darf das Publikum auf die Headliner einstimmen. Zunächst einmal betritt aber Simple Minds-Frontmann Jim Kerr die Bühne und richtet ein paar Worte an die Zuschauer. Er bedankt sich für die Unterstützung der Fans bei diesem Projekt.

Elektrisierendes schottisches Energiebündel

Als Tunstall dann die Bühne betritt, versucht sie sich als erstes an der deutschen Sprache. Dank der Unterstützung eines Zettels macht sie dabei auch gar keine allzu schlechte Figur, während sie mutterseelenallein vor dem Publikum steht. Unterstützung erhält sich nach den ersten paar Songs lediglich durch ihre, wie sie es umschreibt, billige wie zuverlässige, "rein taiwanesische Band". Damit ist ein Loop Sampler gemeint, der ihr wichtigstes Werkzeug darstellt.

Das schottische Energiebündel nimmt mit dem Gerät allerhand perkussive Geräusche auf, während sie sich durch Klassiker wie "Hold On" (mit eingebettetem "Walk Like An Egyptian"-Cover), "Black Horse & The Cherry Tree" oder "Suddenly I See" sowie neue Songs à la "It Took Me So Long To Get Here But Here I Am" arbeitet. Am Ende von etwa 30 inspirierten Minuten in Eigenregie verlässt KT Tunstall die Bühne unter dem Jubel der Fans.

Doch nicht rein akustisch?

Nach abgeschlossener Umbauphase sind dann die Simple Minds an der Reihe und eröffnen das Set gleich fulminant mit dem ersten Klassiker. Das epische "New Gold Dream (81-82-83-84)" präsentiert sich live äußerst druckvoll. Allerdings wirkt es so, als kämen gerade im Intro des Songs doch einige Synthesizer zum Einsatz. Ganz die Finger von ihrem 1980er-Sound lassen können die einstigen New Romantics also anscheinend nicht.

Für den Sound verantwortlich zeichnen sich aber wohl eher die effektbeladenen akustischen Saiteninstrumente der beiden Gitarristen Charlie Burchill und Gordon Guthrie sowie Basser Ged Grimes, die – genau wie Cherisse Oseis massiv krachendes Schlagzeug – mit viel Hall garniert sind. Kristallklar und bombastisch wie zu besten Zeiten klingen die Simple Minds also auch noch, wenn man ihre Soundpalette ein klein wenig einschränkt.

Jung und frisch

Der bestens gelaunte Sänger Jim Kerr begrüßt dann erst einmal den wohl jüngsten Fan des Abends, die sieben- oder achtjährige Zoe, die ja auch ebenso gut auf einem Justin Bieber-Konzert hätte landen können. Humorvoll und charmant entschuldigt er sich mit schottischem Akzent dafür, dass das junge Mädchen stattdessen mit einem Auftritt seiner Band vorlieb nehmen müsse. Die restlichen Zuschauer nehmen es belustigt zur Kenntnis.

Auch wenn es durchaus seltsam gewirkt haben mag, als die Simple Minds ihre Pläne für ein akustisches Projekt angekündigt haben – die Songs funktionieren in ihren neuen Arrangements sehr viel besser als erwartet und machen in dieser Form sogar richtig Spaß. Ein Wohnzimmerkonzert à la der früheren “MTV Unplugged“-Reihe gibt es in der Jahrhunderthalle jedoch nicht, doch das hatten die Schotten nach eigenem Bekunden wohl auch nie vor.

Vielfältiges, stimmungsvolles Arrangement

Nach dem ersten halben Dutzend Songs haben die Simple Minds ihr Publikum bereits derart in ihren Bann gezogen, dass es im Anschluss an "Stand By Love" im bestuhlten Innenraum der Arena zu ersten Standing Ovations kommt. Rein akustisch bleibt es in der Folgezeit allerdings nicht, denn spätestens bei "Someone Somewhere In Summertime" sind ganz klar und deutlich Synthesizertexturen und -effekte herauszuhören.

Das trübt den Höreindruck aber kein Stück, distanzieren sich die Simple Minds mit dem neuen Projekt doch weit genug von ihren Originalversionen, so dass man teilweise schon irgendwie das Gefühl hat, völlig neue Seiten der Songs kennenzulernen. Eine stimmungsvolle Lightshow mit unter der Hallendecke herumtänzelnden Strahlern unterstützt das Ganze atmosphärisch. Auch optisch mangelt es an diesem Abend also an wenig.

Mehr als Kerr

Dann überlässt Kerr seinen Mitstreitern eine Weile lang den Vortritt. Zunächst darf sich Gordon Goudie, der zweite Gitarrist neben Gründungsmitglied Charlie Burchill, am Mikrofon versuchen. Der Simple Minds-Frontmann lobt ihn in den höchsten Tönen und erklärt, warum Goudie so selten mit ihnen unterwegs sei. Er sehe schlicht und ergreifend viel mehr wie ein Rockstar aus als Kerr und Burchill und selbst Prince seien auf seine Figur neidisch gewesen.

Das für den zweiten Saitenmann ausgewählte Stück ist eine Hommage an David Bowie. Stimmlich kommt Goudie zwar nicht ganz an das verstorbene Pop-Chamäleon heran, dafür ist die Version als Ganzes umso lebendiger und kommt beim Publikum mindestens ebenso gut an wie die auf die Backgroundsängerin Sarah Brown zugeschnittene Version des Patti Smith-Klassikers "Dancing Barefoot".

Stimmung in der Bude

Als dann nur wenige Minuten später endlich der langersehnte Megahit "Don’t You (Forget About Me)" ertönt, hält es fast keinen mehr auf seinem Stuhl. Bis hoch auf die obersten Plätze der Tribüne stehen die Zuschauer auf, um mitzusingen und rhythmisch im Takt des Stückes zu klatschen. Die große Simple Minds-Party hat begonnen und bis zum Schluss bleibt ein Großteil des Publikums lieber aufrecht stehen, um die Show zu verfolgen.

Während der Zugaben lässt sich sogar KT Tunstall wieder auf der Bühne blicken. Bei "Promised You A Miracle" und dem legendären Buffalo Springfield-Song "For What It’s Worth" unterstützt sie die Band nach besten Kräften und wird dafür von den Fans erneut gefeiert. "Alive & Kicking" beendet nach knapp 100 Minuten Spielzeit den Abend, der ganz nach dem Geschmack der anwesenden Zuschauer auf den Rängen ist.

Opulentes akustisches Hörvergnügen

Natürlich lässt sich am Ende trefflich darüber streiten, ob es so vieler Coverversionen bedurft hätte oder die Band nicht lieber eigene Hits wie "Belfast Child" oder "All The Things She Said" hätte spielen sollen. Das ist Geschmackssache und soll nicht die Qualität des Auftritts mindern.

Ob man die Simple Minds jetzt in des Kaisers neuen, akustischeren Kleidern oder im althergebrachten, eher synthesizerlastigen Soundgewand bevorzugt, muss ebenso jeder für sich selbst entscheiden. Ein opulentes Konzerterlebnis, an dem es sonst wenig zu bemängeln gibt, sind die aktuellen Shows aber allemal.

Setlist

New Gold Dream (81-82-83-84) / See The Lights / Glittering Prize / Chelsea Girl / Big Sleep / Stand By Love / Someone Somewhere In Summertime / Waterfront / Andy Warhol / Dancing Barefoot / Speed Your Love To Me / Don’t You (Forget About Me) / Sanctify Yourself // Long Black Train / Promised You A Miracle / For What It’s Worth / Alive & Kicking

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