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Wallis Bird (live in Mannheim 2017) © Mathias Utz

Mit einer eindrucksvollen, von internationalem wie Lokalkolorit geprägten Performance lässt Wallis Bird die Alte Feuerwache beinahe in Flammen stehen. Das begeisterte Mannheimer Publikum zollt ihrer Leistung Tribut, indem es sie in doppeltem Sinne auf einer Welle der Euphorie durch die Halle trägt.

In Mannheim ist Wallis Bird keine ganz und gar Unbekannte. Während des vergangenen Jahrzehnts lebte die farbenfrohe Irin bereits eine Zeitlang in der Neckarmetropole. Als Austauschstudentin verbrachte sie ein Semester an der Popakademie Baden-Württemberg und verdiente sich auch ihre ersten Sporen als "recording artist" in Deutschland. Obwohl die Sängerin von der grünen Insel mittlerweile in Berlin beheimatet ist, bleibt die heimliche Musikhauptstadt der Republik weiterhin ihr zweites Zuhause.

Das zeigt sich auch, als sie im Rahmen der großen Tournee anlässlich ihres neuen Albums "Home", die sie mehrere Monate lang beinahe täglich auf eine Bühne führen wird, in der Alten Feuerwache gastiert. Viele Leute möchten sich das "Homecoming" der Multiinstrumentalistin auf keinen Fall entgehen lassen. Aus diesem Grund ist die in schummrigen Licht gehaltene Halle trotz strömenden Regens vor den Türen schon lange vor ihrem Auftritt gut gefüllt. Die Mannheimer haben Wallis Bird eben in ihr Herz geschlossen.

Extravagantes unbeschriebenes Ahornblatt

Als besondere Unterstützung auf dieser Tour hat die Singer/Songwriterin den Kanadier Sam Vance-Law mitgebracht, der gerade die Vorabsingle "Pretty Boy" seines für dieses Jahr angekündigten Debütalbums "Homotopia" auf Vinyl veröffentlicht hat. Bird selbst zwitschert Lobeshymnen auf ihren derzeitigen Bandkollegen. Wenn William Shakespeare und Gore Vidal Musik geschrieben hätten, hätten sie ihrer Meinung wohl wie Sam Vance-Law geklungen. Ein schöneres Kompliment kann man kaum bekommen.

Leider kann der kanadische Tausendsassa den Vorschusslorbeeren im Laufe seines Support-Sets trotz gelungener Unterstützung durch die weiteren Wallis Bird-Bandmitglieder Emma Greenfield und Aidan Floatinghome nicht ganz gerecht werden. Teils ist dies der kurzen Spielzeit geschuldet, denn Vance-Law hat gerade einmal 20 Minuten Zeit für fünf Songs. Dass die mitunter interessanten Ideen live nicht so richtig zünden wollen, liegt aber unter anderem auch am Fehlen einer echten Rhythmusgruppe.

"Heim ist für mich Mannheim"

Sehr viel besser in Schwung kommt das Publikum, als Wallis Bird schließlich die Bühne der Alten Feuerwache betritt und erst einmal bekanntgibt, was die zweite Silbe von Mannheim für sie bedeutet. Sie erzählt von ihrer früheren Wohnung in der Langen Rötterstraße unweit der Alten Feuerwache, dass sie während ihres aktuellen Aufenthaltes in der Stadt von ihren freundlichen Nachmietern in ihre alte Bleibe eingeladen worden sei und dass – im Gegensatz zu früher – die Klingel inzwischen funktioniere.

Musik darf in ihrem zweiten Zuhause natürlich ebenso wenig fehlen. Ihr Headlinerset startet die zweifache irische Musikpreis-Gewinnerin mit dem folklastigen, von Harmoniegesängen geprägten "Love" von ihrem aktuellen Album "Home", das wenig überraschend auch im Fokus des Abends steht, und legt mit dem minimalistisch-perkussiven wie melancholischen, beinahe schon a capella daherkommenden "The Deep Reveal" und dem sehr viel flotteren "Fantasy" gleich die nächsten Nummern von der Platte nach.

Auf etwas anderen Wegen unterwegs

Die neuen Songs von Wallis Bird sind alles andere als gewöhnlich arrangiert. Beginnt die Irin mit ihrer dreiköpfigen Band mit einem Line-up aus ihr selbst an Leadgesang und Linkshänder-Les Paul, Vance-Law an der Geige sowie Greenfield und Floatinghome an Blechbläsern, so ist der Auftritt des Quartetts dadurch geprägt, dass ein munteres Wechselspiel der Instrumente stattfindet – bis Wallis Bird für den Titelsong ihres aktuellen Albums schließlich mit Mikrofon in der Hand alleine auf der Bühne steht.

Zuhause habe sie ihre neue Platte geschrieben, ganz für sich, so berichtet sie in einem Mischmasch aus Englisch und Monnemerisch dem begeisterten Publikum in ihrer einstigen Wahlheimat. Sie habe es genossen, den ganzen Tag im Schlabberlook herumzusitzen und nichts anderes zu tun, als sich an ein Instrument zu setzen und Ideen auszuarbeiten. Diese Intimität hört man den Stücken an, besonders der Zerbrechlichkeit des von ihr im Alleingang a capella vorgetragenen "Home". Wallis Bird trägt ihr Herz auf der Zunge.

Die Alte Feuerwache brennt

Das soll aber nicht bedeuten, dass der komplette Abend so ruhig gehalten bleibt. Tempo und Intensität ziehen sogleich wieder an, als die Irin mit ihrer Begleitband zu einem fulminanten Dreischlag aus den ersten Nummern ihrer aktuellen Platte, "Change", "Odom" und "Control" mit eingeschobenem "To My Bones" ansetzt. Spätestens jetzt dürfte jedem, dem Wallis Bird bislang noch kein Begriff gewesen ist, klar sein, warum die Irin gerne einmal in einem Atemzug mit Janis Joplin und Eva Cassidy genannt wird.

Die frühere Mannheimerin ist ein echtes Energiebündel. Nicht nur, dass sie ein derart kraftvolles Organ besitzt, dass so manch andere Sängerin vor Neid erblassen dürfte – Wallis Bird hüpft und springt auch noch mit der Kraft und dem nie zu versagen scheinenden Antrieb eines kleines Kindes über die Bühne. Das zeigt sich speziell bei der ausgedehnten Improvisation zwischen "To My Bones" und "Control", bei der die irische Sängerin mit Akustikgitarre in der Hand gleich mehrfach auf und in die Knie geht.

Auf einer Welle der Euphorie schwebend

Als sich der Abend mit einer fulminanten Version von "Hardly Hardly" inklusive eines exquisiten Percussion-Duetts zwischen der Frontfrau und Emma Greenfield langsam dem Ende entgegen neigt, wird Wallis Bird auf einer Welle der Euphorie durch die Alte Feuerwache getragen. Das ist sprich- wie wortwörtlich zu nehmen, gehen doch massenweise Hände nach oben, um die "Homecoming Queen" bei ihrer Stagediving-Einlage quer durch die Halle zu transportieren, bis sie schließlich auf Höhe des Mischpults landet.

Dort wartet bereits der Rest ihrer Band auf sie, um mit einer grandiosen A Capella-Version von "In Dictum", gefolgt von minutenlangen stehenden Ovationen, den Abend zu beschließen. Die Mannheimer honorieren, zu welch einer Künstlerin die Irin mittlerweile herangereift ist. Auch wenn Wallis Bird inzwischen in Berlin residiert, kann kaum jemand dies wohl besser beurteilen als das Publikum aus der Neckarstadt, hat sie doch vor ihren Augen die ersten Stufen dieser Entwicklung gemeistert.

Das der Region bestens bekannte Singvögelchen ist auf seiner Mammuttour durch Europa einmal mehr in Mannheim eingeflogen und hat erneut bewiesen, warum ihr Weg weiter gen Musikhimmel führen dürfte. Die Alte Feuerwache hat während ihres Auftritts vor Euphorie beinahe gebrannt, und sicherlich nicht nur wegen der vielen Bekannten, die Wallis Bird unter den Zuschauern erspäht hat. Denn die Resonanz auf die energiegeladene Leistung der Irin mit dem ganz eigenen Musikstil war klar verdient.

Setlist

Love / The Deep Reveal / Fantasy / The Circle / That Leads The Way / I Can Be Your Man / Home / Change / Odom / To My Bones / Control / Seasons / Hardly Hardly / In Dictum

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