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Niedeckens BAP (live in Mannheim 2016) © Rudi Brand

Auf der Zielgeraden seiner großen Niedeckens BAP Jubiläumstour zeigt der "Kölsche Jung" nochmal, was ihn seit 40 Jahren auszeichnet und warum ihm die Sympathien nicht nur wegen neuer "Sing meinen song"-Popularität immer noch zufliegen.

Der Auftakt des Konzerts mit "Frau ich freu mich" und "Ne' schöne Jrooß" gerät so richtig nach dem Geschmack der Altfans, da sie den Sturm & Drang der frühen BAP perfekt widerspiegeln. Doch Wolfgang Niedecken macht sofort unmissverständlich klar, dass er wisse, dass viele Zuschauer gerne genau solche Stücke auf ewig weiterhören möchten.

Hätte er jemals diesem Wunsch nachgegeben, würde er heute "Waschsalon" auf Volksfesten und in Bierzelten spielen. Eine perfekte Bestandsaufnahme des 65-Jährigen, der mittlerweile nach Nahtoderfahrung und mehrfacher Auswechslung der gesamten Band mehr denn je weiß, auf was es ankommt.

"Saint Wolfgang", der Erzähler

Haltung besaß Niedecken schon immer und im Alter kommt eine wunderbare Abgeklärtheit und ironische Selbstdistanz hinzu, die sämtliche Konzerte der Jubiläumstournee zu einem wärmenden Ereignis macht. Alle Geschichten, die Niedecken zu erzählen hat, egal ob Zoten von "Wetten, dass…?"-Auftritten oder die immer wieder gerne gehörten Anekdoten vom Anfang im legendären Chlodwig-Eck in Köln: Sein Publikum lauscht gebannt und freudestrahlend.

Er stellt "flück" die Verbindung zwischen Köln und Worms durch den Rhein her. Er spricht über die Kölner Vororte Bonn und Düsseldorf. Er bringt dem Publikum schelmisch beim Mitsingen bei, dass es im Kölschen kein "G" gibt – und jeder liebt seine wunderbare augenzwinkernde Art seiner Heimat Köln immer wieder ein Denkmal zu setzen.

Glänzend aufgelegte Band

Niedeckens BAP versuchen von jeder Platte der der letzten 40 Jahre mindestens einen Song zu spielen und die Mischung geht auf. Die eingefleischten BAP Fans, ein bunter Mix aus Jung und Alt, freuen sich über späte Hits wie "Dausende vun Liebesleeder" genauso wie über den unverwüstlichen "Zwesche Salzjebäck un Bier"-Kracher "Alexandra, nit nur do", bei dem Neu-Schlagzeuger und Bandantreiber Sönke Reich Raum für ein muskulöses Solo eingeräumt wird.

Überhaupt ist Niedeckens seit 2014 in Teilen neu zusammengestellte Band in prächtiger Spiellaune. In der Rolle des neuen Lead-Gitarristen überzeugt Ulrich Rode auf ganzer Linie und strahlt noch dazu große Sympathie aus. Die Altvorderen Werner Kopal am Bass und Michael Nass an den Tasten komplettieren zusammen mit Anne de Wolff an Violine und diversen Blasinstrumenten Niedeckens BAP im Jubiläumsjahr.

Erdiger Rock'n'Roll-Sound

So kreiert man gemeinsam einen erdigen Rock'n'Roll-Sound ("Anna", "Halv su wild"), klingt nach dem großen Vorbild Bob Dylan zu dessen "Desire"-Phase ("Nix wie bessher", "Stell dir vüür") und begibt sich in ein vier Stücke umfassendes Akustik-Set bei dem Gänsehaut unvermeidlich ist ("Jraaduss", "Du kannst zaubre'").

Niedecken gräbt mit dem anrührenden "Lisa" und dem erhabenen "Fortsetzung folgt" sogar zwei Stücke aus der schwierigen Bandphase der Mittachtziger aus, als die Unbekümmertheit der Anfangstage einem gewissen Schreib- und Erfolgszwang gewichen war.

Die neue Platte "Lebenslänglich"

Niedecken ist es wichtig nicht stehen zu bleiben und so schiebt er einen Block von vier Stücken der Jubiläumsplatte "Lebenslänglich" ein, bei dem er zeigt, dass er immer noch das Gewissen der deutschen Popmusik darstellt.

Schwierige Themen wie Kindersoldaten und Flüchtlinge ("Vision von Europa") thematisiert er genauso wie "postfaktisches Gelaber" und respektlose Langzeitfans im Selfie-Wahn ("Vollkasko Desperado"). Auf "Alles relativ" klingt er mit akustischer Gitarre und Mundharmonika wieder wie sein Idol Bob Dylan in jungen Jahren. Der Kreis schließt sich.

Alle Register beim Finale

Auch eine klassische, dreieinviertelstündige BAP-Show muss ein Ende finden und in das deutsche Kollektivbewusstsein eingebrannte Klassiker wie das leider immer noch aktuelle "Kristallnacht" und "Verdamp lang her" lassen beim Wormser Publikum keine Wünsche offen.

Das ergreifende, frühe "Jupp" und das dräuende, unheilvolle "Amerika" als Zugabe leiten auf die Zielgeraden ein, bei der mit "Rita, mir zwei" Tanzlaune herrscht und mit "Noh all denne Johre" ein würdevoller und großer Abschluss serviert wird. Im Hintergrund sieht man auf den Videoleinwänden einen nachdenklichen Niedecken am Kölner Rhein entlang laufen.

Niedecken verspricht dem Publikum im nahezu ausverkauften Wormser Kulturzentrum  augenzwinkernd auf seine Sollbruchstellen zu achten und eventuell bis zur großen Strandmuscheltournee 2026 einfach mit seiner Band durchzuspielen.

Bis dahin, maach et joot Wolfjang!

Setlist

Frau ich freu mich / Ne' schöne Jrooß / Nix wie bessher / Anna / Fortsetzung folgt / Aff und zo / Dä Herrjott meint et joot mit dir / Vollkaskso Desperado / Alles relativ / Absurdistan / Vision von Europa / Diego Paz wor Nüngzehn / Unger Krahnebäume / Jraaduss / Lisa / Paar Doch früher / Du kanns zaubre' / Kristallnacht / Arsch huh, Zäng ussenander / Verdamp lang her / Dausende vun Liebesleeder / Halv su wild / Alexandra, nit nur do / Amerika / Jupp / Stell dir vüür / Rita, mir zwei / Noh all denne Johre

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