Billy Talent (live in Frankfurt, 2016) © Leonard Kötters
Musikexporte aus Kanada können von ganz unterschiedlicher Qualität sein. Die Spannbreite reicht von mehr oder weniger gut produziertem Pop bis hin zu stadiontauglichem Rock.
Im Gegensatz zum Folterinstrument Nickelback haben die Alternative-Rock-Heroen Billy Talent eine ganze Palette schweißtreibender Songs im Gepäck, die live abgehen wie Schmidts Katze. Dies stellen sie in der Frankfurter Festhalle mit einem 90-minütigen, krachenden Set unter Beweis.
Mehr als 180 Grad geht nicht
Die Stimmung in der Festhalle ist fantastisch, eine gewisse Spannung liegt in der Luft. Der mit drei Wellenbrechern unterteilte Innenraum ist komplett gefüllt. Besonders im vorderen Drittel stehen die Fans dicht an dicht. Die Vorfreude auf wohl eine der besten Live-Rockbands des Planeten steht den Zuschauern ins Gesicht geschrieben.
Natürlich haben es die Supportacts unter diesen Umständen besonders schwer. Die Vorbands des Abends, Dirty Nil und Monster Truck, sorgen nur ansatzweise für Begeisterung. Dirty Nils Punkrock geht zwar ordentlich nach vorne, dennoch hakt es ein wenig am Songwriting. Monster Truck (oder besser gesagt: Mo-ho-ho-ho-ho-nstertruck) spielen zwar kompetenten Bluesrock, der bisweilen aber doch aus zu vielen Mitsingparts besteht.
Es wird kuschelig
Ganz anders der Hauptact: Von der ersten Sekunde an herrscht beim Auftritt von Billy Talent absoluter Ausnahmezustand. Mit dem Opener "Devil In The Midnight Mass" bricht die reinste Ekstase im Publikum aus. Es wird gepogt, was das Zeug hält. Hier zeigt sich, wie wichtig die drei Wellenbrecher sind.
Von der Tribüne aus hat man die zahlreichen Circle Pits bestens im Blick, die fast so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen wie die Band selbst. Vom Sitzpogo bis zum Wall Of Death ist alles dabei. Diese gewaltige Tanzfreude gibt es nur bei Billy Talent-Konzerten.
Rocker mit Herz
Sänger Benjamin Kowalewicz ist sich der Bewegungslust seiner Fans natürlich bewusst und bittet die Männer daher, auf die Frauen in der Menge besonders aufzupassen. Dass die Musiker wirklich sympathisch sind, zeigt sich später auch in einer weiteren Äußerung Kowalewiczs: "Mit Donald Trump als neuen Präsidenten ist der Albtraum wahr geworden. Aber solange wir zusammenstehen, ist alles gut."
Kurz darauf fügt er noch hinzu: "Auf unseren Konzerten ist es egal, welcher Sexualität, Religion oder Nationalität ihr angehört. Ihr seid alle willkommen." Der anschließende, ohrenbetäubende Applaus der gesamten Halle erzeugt Gänsehaut.
Pausen gibt es nicht
Schlag auf Schlag folgt ein Hit auf den nächsten. Im Gesamten besteht die Setlist aus einer gelungenen Mischung aus den Songs des neuen Albums "Afraid Of Heights" und den Klassikern älteren Platten – allen voran natürlich "Surrender" oder "Red Flag". Irgendwie seltsam, wenn die Hits der Teenie-Zeit bereits zu "Klassikern" herangereift sind.
Besonders bei "Red Flag" scheint der Innenraum nur noch aus einem einzigen Pogo zu bestehen. In den Circle Pits werden zahlreiche rote Flaggen hochgehalten. Die unfassbare Energie des Songs ist ungebrochen.
Bis zum nächsten Mal
Mit den drei Power-Songs "Fallen Leaves", "Try Honesty", "Viking Death March" verabschieden sich die Kanadier vom verschwitzten und glückseligen Publikum. "Wir danken euch aus tiefstem Herzen dafür, dass ihr zu unseren Konzerten kommt!", bedankt sich Kowalewicz.
Während die Besucher aus den Hallen strömen, ertönt vom Band "Careless Whisper" von George Michael. Zwei Textzeilen des Lieds könnten das Mega-Konzert von Billy Talent nicht besser zusammenfassen: "I'm never gonna dance again / The way I danced with you."
Setlist
Devil In A Midnight Mass // This Suffering // Big Red Gun // This Is How It Goes // Rusted From The Rain // River Below // Leave Them All Behind // White Sparrows // Surrender // The Crutch // Saint Veronika // Ghost Ship Of Cannibal Rats // Surprise Surprise // Afraid Of Heights // Louder Than The DJ Devil On My Shoulder // Red Flag
Encore: Fallen Leaves // Try Honesty // Viking Death March