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Warpaint (2016) © Mia Kirby

Nein, neu erfunden hat sich die amerikanische Indie-Band – entgegen eigener Statements – nicht. Trotzdem überzeugen die vier L.A.-Frauen auf ihrem ersten deutschen Tour-Stopp in der Live Music Hall in Köln.

Entsetztes Raunen ging durch Musik-Presse und Fangemeinde, als Warpaint nach langwieriger Überwindung interner Schwierigkeiten ihre neue Platte "Heads Up" ankündigten: Neuartig und "funky" sei das neue Album.

Vorausgeschickt wurde die Single "New Song", die nach spätgezündeter Adoleszenz klingt und banal poppig, im Warpaint-Kontext tatsächlich erst einmal "disco//veryawkward" daher kam. Dabei war die Gruppe doch seit jeher Projektionsfläche für hochtrabende und hilflose Vergleiche; die Band-Biographie eignete sich hervorragend zum Name-Dropping. Und nun das.

Spiel mit den Erwartungen

Ob die kalifornischen Musikerinnen bewusst hinters Licht führen wollten oder nach zermürbenden Streitereien und Auflösungs-Gedankenspielen einfach Bock auf so ein bisschen Gute-Laune-Disco-Pop hatten, muss ein Geheimnis bleiben. Denn abgesehen von der Single vollzog die Band auf dem Album keineswegs den Bruch mit ihrem düster-verhangenen, psychedelisch-wabernden Sound.

Die Platte ist vielmehr die Fortschreibung und Weiterentwicklung eben dieses genuinen Warpaint-Sounds. Lyrics und Melodien sind konkreter, präziser und eingängiger, die Stimmungen greifbarer – aber keineswegs schlechter. Nur: Warum machen sie sich dann nicht auch live deutlich stärker für diese doch geglückte Entwicklung?

Auf Anfang

Aber, zurück auf Anfang. Sonntagabend. Man hat sich von der Couch gequält, das vergangene Wochenende tapfer weggegähnt und Support-Act Aldous RH mit seinem smoothen 70er Synthie-Soul wohlwollend entgegengenickt, als sich vier weibliche Silhouetten im diffusen Bühnenlicht aufbauen, in dem sie vor zwei Jahren schon einmal gestanden hatten. 

Zusammenspiel

Der Opener "Bees" vom vertrackten Erstlingsalbum lässt jedoch Startschwierigkeiten vermuten. Die Musikerinnen, jede für sich eine hervorragende Künstlerin, wollen nicht so recht zueinander finden. Schon zum zweiten Song haben sie sich gefangen.

"Heads Up" besticht vorallem durch das treibende Zusammenspiel von Bassistin Jenny Lee Lindberg und Drummerin Stella Mozgawa; intelligente Tempi-Wechsel geben dem "neuen" Warpaint-Sound eine überraschend kompakte Wendigkeit. Mehr davon! Nein, das Publikum wird erst mal mit alten Songs bespielt, reagiert aber verzückt. Ist ja richtig so, das machen sie ja schon gut.

Von alten Tracks

Der wohlbekannteste Titel "Undertow" gewinnt live vor allem durch eine deutlich stärkere, strukturierende Percussion an Intensität, während sich Emily Kokal und Theresa Wayman in die Herzen ihrer Fans singen.

Allgemein sei an dieser Stelle angemerkt, dass Mozgawa mit Fug und Recht eine der besten Schlagzeugerin dieser Tage genannt werden kann, die es immer wieder schafft, aus dem Hintergrund heraus die Richtung der Songs zu weisen, ohne dabei den Sound der Band zu zerschmettern.

Und neuen Songs

Ob man einen neuen Song hören möchte, fragt Kokal ihr Publikum. Nicht eindeutig zu identifizierendes Murren. Nein, nicht DEN "New Song", sagt sie mit einem gekünstelt amüsiert wie genervten Ton in ihrer Stimme.

"The Stall" und "Whiteout" bleiben zunächst die einzigen Neulings-Präsentationen. Beide Songs greifen die vernebelte Atmosphäre der beiden Vorgänger-Platten auf, mit angezogenen Rhythmen rollen sie aber anschwellend und deutlich fokussierter auf ein Ende zu.

Raumgreifend

Schade also eigentlich, dass dieser neue Drive in ihrer Musik gerade an dieser Stelle etwa durch "No Way Out" gebrochen wird. Der Song ist sehr wohl erstklassig arrangiert, führt die vertrackten, arrhythmischen Klänge zusammen, verschmilzt die Stimmen der Frauen zu einem psychedelischen Chor, nur um dann wieder auseinanderzufallen. Er greift nach Raum und überlagert so doch aber auch alles um ihn herum.

Platz im Set scheinen Warpaint außerdem etwa nicht für den wohl besten Song der neuen Platte "Above Control" oder für den raffinierten Downbeat in "Don’t Wanna" gefunden zu haben.

Tanzbar

"Love Is To Die" macht die sonntags-müden Tanzbeinchen wach, bis er schließlich dran ist: der "New Song". Dem Großteil des Publikums scheint es zu gefallen, obwohl den Damen das neue Disco-Kleidchen einfach nicht so recht passen will. Warpaint ist das aber egal. Der fantastisch-funky Track "Disco//very" vom Vorgänger-Album steht ihnen zum Abschluss allemal hervorragend.

Ins Encore-Set schleicht sich immerhin noch das neue "So Good" mit seinem wabernden Groove, bevor Warpaint das Publikum mit "Krimson", dem ultimativen Gitarren-Stück ihrer ersten EP, entlassen.

Drei Feststellungen

Erstens, Warpaint sind eine großartige Live-Band und wurden für Album Nummer 1 und 2 nicht umsonst gefeiert. Zweitens, man sollte dennoch meinen, wenn man Album Nummer 3 auf Tour promoten will, ja, dann soll man es doch auch ein bisschen promoten. Drittens, man es kann nie allen recht machen.

Setlist

Bees / Heads Up / Undertow / Hi / The Stall / No Way Out / Whiteout / Beetles / Elephants / Love Is To Die / New Song / Disco//very // Intro / Keep It Healthy / So Good / Krimson

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