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Matana Roberts (live in Mannheim, 2016) © Adonis Malamos

Der langersehnte Auftritt von Matana Roberts bei Enjoy Jazz in der Alten Feuerwache in Mannheim erweist sich als kompromissloses künstlerisches Statement, dem allerdings ein nicht unproblematisches Konzept zugrunde liegt.

Endlich ist sie da. Nach vielen vergeblichen Vesuchen über die letzten Jahre hat Festivalleiter Rainer Kern es nun geschafft, die amerikanische Saxophonistin Matana Roberts zu Enjoy Jazz zu locken.

Ein Hit – nicht nur bei Jazzfans

Matana Roberts gelang mit ihrem Album "Coin Coin Chapter One: Gens de Colour Libres" ein Erfolg, von dem die meisten Jazzmusiker vergeblich träumen: Das Album erwies sich als Hit – und zwar nicht nur bei Jazzfans, sondern auch bei Musikliebhabern, die Jazzplatten ansonsten nur mit Schutzhandschuhen anfassen.

Das war 2011. Seitdem hat Roberts zwei weitere Kapitel ihrer Coin Coin-Saga veröffentlicht, die sich mit der Geschichte der Afro-Amerikaner vor dem Hintergrund ihrer Familiengeschichte beschäftigen. Das letzte Album trägt den Titel "Coin Coin Chapter Three: River Run Thee" und teilt mit dem Konzert in der Alten Feuerwache Titel und Konzept. Die zentralen Themen sind Sklavenhandel, Sklaverei, Rassismus, Religion, Spiritualität und Erinnerung.

Loops und Loops

Das erste Paradox des Konzerts besteht darin, dass Matana Roberts solo auftritt, aber kein wirkliches Solokonzert spielt. Ihr Saxophonspiel besteht aus kurzen Motiven, die vornehmlich als Ausgangsbasis für Loops und Verfremdungen dienen.

Matana Roberts zeigt nie länger als ein paar Sekunden, was sie tatsächlich am Saxophon zu leisten vermag. Am ehesten noch erinnern manche Motive an die Musik von Albert Ayler, der wie sie stark von Spirituals und Gospel beeinflusst war. Matana Roberts spielt keine Soli, sondern verarbeitet ihre musikalischen Beiträge mit einer Unzahl technischer Geräte, die einen dichten Gesamtsound erschaffen, der nur von ihrer Stimme ergänzt wird.

Musik, Stimme und Video

Wer "Coin Coin Chapter One" noch in Erinnerung hat, weiß, wie ausdrucksstark und emotional Matana Roberts ihre Stimme einsetzen kann. Bei ihrem Konzert in Mannheim bleiben davon nur Fragmente, einzelne Sätze, Wörter und Wortfetzen übrig. Im Hintergrund rauschen auf der Videoleinwand schemenhafte Bilder in einem viertelstündlichen Loop vorbei, die vielfach bereits im Artwork der drei Coin-Coin-Platten Verwendung fanden.

Die Aussage ist klar: Matana Roberts beabsichtigt keine Geschichte im traditionellen Sinn zu erzählen, sondern stellt das Fragmentarische ganz in den Mittelpunkt. Jazz ist das nur im entfernten Sinn, es handelt sich eher um ein multimediales Musik- und Video-Projekt.

Brüche im Bild der Künstlerin

Allerdings zeigt sich, dass Matana Roberts die technischen Geräte nicht annähernd so souverän beherrscht wie ihr Saxophon. Beim Bedienen wirkt sie sehr konzentiert und teilweise etwas verkrampft. Mehrfach enden Loops abrupt, ohne dass klar ist, ob das gewollt ist oder ob ihr ein Fehler unterlaufen ist.

Dazu kommt, dass sie die den Text ihres Gesangs oder ihrer Spoken Word-Beiträge teilweise aus einem dicken Notizbuch abliest. Das passt zum einen so gar nicht zur Souveränität, mit der sie ansonsten mit ihrem Material umgeht, und raubt ihr andererseits auch ein wenig ihrer sonst sehr starken Bühnenpräsenz.

Abstrakte Annäherung an ein sehr persönliches Thema

Ein interessantes Konzert ist es dennoch, dafür sorgt schon die künstlerische Vision von Matana Roberts. Die Bilder auf der Videoleinwand bieten einen ebenso rätselhaften wie faszinierenden Einblick in die Geschichte der Afro-Amerikaner und in Matana Roberts eigene Familiengeschichte. Die Kombination aus Saxophonspiel, Stimme und Loops funktioniert durchaus, schafft aber durch ihre Abstraktheit sehr viel Distanz zum Thema, das eigentlich sehr persönlich und sehr politisch ist.

Das alles ist zweifellos Absicht – aber die Frage bleibt, ob diese kompromisslose Darbietungsform das beste Konzept zur Präsentation des fraglos faszinierenden Themas ist. Es ist leicht, sich etwas verloren zu fühlen in den Fragmenten aus Bildern, Musik und Stimme, die wie ein unablässiger Strom vorbeirauschen: "River Run Thee", indeed.

Kompromisslos

Nach einer Stunde ist das Konzert zu Ende. Matana Roberts geht kurz zum Bühnenrand, stellt sich vor, verbeugt sich, bedankt sich und ist verschwunden. Der Beifall fällt spärlich aus, nicht nur wegen des anspruchsvollen Konzepts, sondern auch weil der Abgang nahelegt, dass nichts mehr folgen wird.

Das Ende passt in seiner Kompromisslosigkeit zum übrigen Auftritt. Matana Roberts hat es dem Publikum von Enjoy Jazz nicht leicht gemacht, wie man es von einer so eigenwilligen Künstlerin erwarten kann.

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