Zum zweiten Mal dauerte der Mannheimer Brückenward im Jahr 2016 zwei Tage und sorgte damit für konzentriertes Festivalfeeling: es gibt gute Musik, gutes Bier und günstiges Essen, dazu großartiges Wetter und Dixieklos.

Die nervigen Aspekte von Festivals (Gummistiefel, fehlende Zahnbürsten, nicht mehr wissen, wo das eigene Zelt ist) fallen komplett weg, und falls das noch nicht überzeugend genug sein sollte, ist das ganze Event auch noch gratis. 

Es ist heiß, Baby

Die Location unter einer Eisenbahnbrücke direkt am Neckar lädt dazu ein, je nach Lust und Laune faul auf der Wiese zu liegen und sich beschallen zu lassen, oder aber direkt vor der Bühne die breit gefächerte Bandauswahl abzufeiern. Dass Lust und Laune allerdings auch stets beeinflusst werden von den Witterungsverhältnissen wird bereits bei Bonobo Riot, der ersten Band des Festivalfreitags, klar.

Mit einer Instrumentalsektion, die aus zwei Bässen und Drums besteht, beschallt die Band die Hörerschaft mit simplen, aber stets kreativen und groovenden Riffs, die mit ihrem druckvollen, leicht dumpfen Sound perfekt zur drückenden Hitze passen. Auch die kräftige Stimme und die von den Temperaturen gänzlich unbeeindruckte, energiereiche Bühnenshow der Sängerin lassen wenig zu wünschen übrig. Doch außer ein paar hartgesottenen Zuschauern, die zaghaft im Schatten tanzen, verhindern die Temperaturen hier leider noch größere Gefühlsausbrüche.

Kopf und Körper

Die Tendenz zur Bewegungsvermeidung setzt sich auch bei Sea Moya fort. Hier ist es jedoch gerade zu Beginn des Auftrittes fraglich, ob das nicht vielleicht ein bisschen am Sound der Band selbst liegt. So sind die Ansätze zwar interessant, eventuell gute Ideen gehen allerdings gerade in der ersten Hälfte des Auftrittes in dem teils chaotisch anmutenden Wechsel verschiedener Song-Teile unter.

Erst mit der Zeit entwickeln die Musiker einen gewissen Drive, und erreichen ihren Höhepunkt in einigen sehr krautrockigen Stücken, in denen die verschiedenen Sound-Ideen sich endlich homogen ineinander fügen. Damit endet die Spielzeit jedoch auch schon, und wenig später beginnen Spirit Crusher, die wie das absolute Gegenbild des eher kopflastigen Songwritings von Sea Moya wirken.

Deren Mischung aus thrashigen Riffs und groovigem Hardcore ist zwar nicht unbedingt innovativ, dafür aber so gut umgesetzt, dass man daran wenig Kritikpunkte findet. Auch die stimmliche Vielfalt des Sängers, sowie seine energiegeladene Performance sind hervorzuheben. Der Bereich vor der Bühne füllt sich zögerlich; vielleicht nimmt das Publikum das manische Hin- und Her des Sängers als Anlass, sich auch einmal zu bewegen, vielleicht tragen auch die langsam sinkenden Temperaturen ihren Teil dazu bei.

Blendender Abschluss

Nach einer etwas längeren Umbaupause geht mit Ef aus Schweden dann bereits der erste Tag des Brückenawards zu Ende. Es hat sich abgekühlt, ein leichter Wind weht, die Leute wagen sich nun endgültig zur Bühne. Ef geben hier, nach einem längeren, atmosphärischen Intro, harte und doch melodische Gitarrenwände zum Besten, die sich in bester Post Rock-Manier immer wieder mit melancholischen Zwischenspielen abwechseln.

In Zusammenspiel mit der intensiven, pulsierenden Lightshow auf der Bühne, dem stimmungsvollen Gesang und den wie immer großartigen Analog-Projektionen von Projektor Pearson auf dem Brückenpfeiler über der Bühne war dies auf jeden Fall ein würdiger Abschluss für einen tollen ersten Tag.

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Nachdem man des Nachts jenseits von Isomatten und furchtbar temperierten Zelten wieder Kräfte sammeln konnte, finden sich bereits um vier Uhr mittags, früher als noch am ersten Tag, die Leute unter der Eisenbahnbrücke ein, um sich die Eröffnungsband The Iron Keys anzuschauen. Diese liefern wuchtigen und gut gespielten Alternative Rock.

Das sehen einige der hartgesotteneren Zuschauer genauso, die, ähnlich wie am ersten Tag bei Bonobo Riot, im Schatten tanzend die Band abfeiern. Bis sich der Platz vor der LKW-Bühne wirklich füllt, dauert es jedoch wie am Vortag bis in die zumindest ein bisschen kühleren Abendstunden.

Die nächste Band an diesem Tag, Psychosoul, ist allerdings auch ideal, um sie sich möglichst bewegungsarm vom schattigen Rand des "Festivalgeländes" zu Gemüte zu führen - und das im besten Sinne: Mit ihren langen, in ihrer Leichtigkeit und Rhodeslastigkeit immer mal wieder an Stereolab erinnernden, wabernden Songs passt die Band perfekt in die drückende Nachmittagshitze

Wüstenrock und wüster Rock

Drückend und irgendwie wüstenartig geht es auch danach weiter. Burnpilot bieten eine abwechslungsreiche Mischung aus Blues, Psychedelic und Stoner, jedoch ohne die stoner-typische Behäbigkeit. Selbst in den längeren, jamlastigen Parts schwingt stets ein punkiger Vibe mit, der der Band einen wirklich eigenen Sound verleiht. Die rauen Vocals des singenden Drummers tun ihr übriges dazu. 

Ganz ohne singenden Drummer, ja ohne Sänger überhaupt, kommt die nächste Band daher. Wie schon Bonobo Riot am ersten Tag sind Octo mit zwei Bassisten und einem Schlagzeuger ausgerüstet, einen Mangel an Abwechslung kann man ihnen jedoch trotz dieser eher unüblichen Instrumentierung nicht nachsagen. Der songschreiberische Fokus liegt hier auf einfachen, aber druckvollen Riffs, dazu gesellen sich sehr harte, groovige Parts und rhythmische Finessen, die an das verschrobene Songwriting von Bands wie den Melvins oder Beehoover denken lassen und in keinem Moment Platz für Langeweile bieten.

Vom Bordstein zum Farbfernseher (zurück)

Auch die darauffolgenden Trottoir bleiben komplett gesangsfrei, und auch hier vermisst man Vocals an keiner Stelle. In ihren ruhigeren, gitarrenlastigen Passagen psychedelisch-spaceig und mit eher fliessendem Jam-Charakter, doch nie ohne wummerndes Bassfundament; in den brachialeren Momenten auf eine postrockige Art und Weise heavy, all das abgerundet durch einen sehr kreativen Schlagzeuger – auch diese Band lässt mit ihrem Set wenig Wünsche offen.

So sind es neben dem Anbruch der nur minimal kühleren Nacht wohl auch diese spielerischen Qualitäten Trottoirs, die dazu führen, dass das Publikum langsam die Liegendecken verlässt und den Platz vor der Bühne füllt. Spätestens bei The History of Colour TV wird es dann schon fast eng.

Die aus Berlin stammende Formation spielt eine Mischung aus Shoegaze, Indie und poppigen (Gesangs-)Melodien, die in den besten Momenten eine sehr eigene verträumte Stimmung unter dem wieder mit fantasievollen Projektionen beleuchteten Brückenpfeiler schaffen. In anderen Momenten wirkt die Band durch ihre unterschiedlichen Einflüsse jedoch, als stammten die verschiedenen Songs auch von verschiedenen Bands, sodass man sich an manchen Stellen ein wenig mehr Kohärenz im Set wünschen würde. Der insgesamt guten Stimmung während des Auftritts tut dies jedoch keinen Abbruch.

Heimspiel

Als Abschluss des 7. Mannheimer Brückenawards spielt Heim auf. Die dreiköpfige Band liefert mit ihrem mal melancholischen, mal wütenden Indie-Sound einen gelungenen Abschluss des Festivals.

Auf und vor der Bühne feiern Band und Publikum energisch das letzte Konzert, das gute Wetter, die Stimmung und wohl auch ein bisschen die Tatsache, dass so etwas wie der Brückenaward existiert. Denn solch eine Plattform für unbekannte Bands, für verschiedene, auch weniger populäre Genres, solch eine Alternative zur Verwertungskette aus Major-Labels, Festivals und aufdringlichem Sponsoring, wie der Brückenaward es ist, ist (zumindest in der Region) sicherlich einmalig.

Es bleibt also zu hoffen, dass sich immer genug Freiwillige und Unterstützer finden, die dafür sorgen, dass auch in Zukunft Bands abseits des Mainstreams in Mannheim eine Bühne geboten wird. Wir freuen uns schon jetzt auf 2017.

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