Damien Rice (2015)

Damien Rice (2015) © MCT

Der irische Singer/Songwriter Damien Rice umschifft im Hamburger Stadtpark alle Klippen der Jammerlappigkeit und gewinnt seinen hochsentimentalen Songs bei seinem Solo-Auftritt neue Seiten ab.

Es herrscht Schweigen im Hamburger Stadtpark. Die vereinzelten Autos auf der nahen Straße sind zu hören. Das Rauschen der Bäume vor dem sich langsam verdunkelnden Himmel.

Selten ist es stiller gewesen auf der Stadtpark Open Air Stage in Hamburg als in dem Moment, in dem Damien Rice die Bühne betritt und "My Favourite Faded Fantasy" anstimmt. Allein, nur mit einer Akustikgitarre. Es ist der Titelsong seines Albums aus dem Jahr 2014, und Rice ist noch immer auf Tour, um es zu supporten. Durchaus bemerkenswert für einen Mann, der eigentlich nur ein einziges Album aufnehmen wollte.

Das Ein-Mann-Orchester

"My Favourite Faded Fantasy" ist Rices erstes Album nach achtjähriger Pause und erst sein drittes seit 2002. Der irische Singer/Songwriter ist weltweit anerkannter Experte für herzschmerzbeladene akustische Sentimentalitäten. Eine gewisse Jammerlappigkeit ist also durchaus zu erwarten.

Doch Rice weiß um die Pathos-Lastigkeit seines Outputs. Songs wie "Amie" und insbesondere "The Box", das in der Studioversion beinahe in dramatischer Orchesterbegleitung ertrinkt, gewinnen in seiner Solo-Performance deutlich hinzu. Zumal Damien Rice ein Ein-Mann-Orchester ist, der seine Stimme mit Loops verdoppelt und seine Akustische per Pedal unvermittelt in eine Stromgitarre verwandeln kann.

Lieber im Dunkeln spielen

Rice erzählt zwischen Songs mit leiser Stimme, aber sichtlichem Bemühen um entspannte Stimmung im zu zwei Dritteln gefüllten Stadtpark-Rund vom Älterwerden und seiner Kindheit in Irland. Passend dazu spielt er "Trusty and True", das wie ein jahrhundertealtes keltisches Volkslied daherkommt. Dafür wechselt Rice an den linken Bühnenrand, wo sein Akkordeon hübsch angeleuchtet auf alten Holzkisten drapiert ist. Vermutlich enthielten sie einmal irischen Whisky.

Rice mag zwar "Eskimo" auf Zuruf spielen, und doch hat er für den Abend eine sorgfältige Dramaturgie entwickelt, in die auch die zehnminütige Pause eingerechnet ist. Ihm sei es lieber, im Dunkeln zu spielen, sagt Rice, und tatsächlich wirkt die beeindruckende Lightshow, die neben der überdimensionalen LED-Wand im Bühnenhintergrund nur aus Theaterleuchten besteht, nun besonders intensiv.

Gebanntes Zuhören

Pünktlich zu "The Blower's Daughter" setzt Regen ein. Es sein vermutlich bekanntestes Stück, das ihn Ende 2001, nach Jahren des brotlosen Tourens mit seiner ersten Band Juniper, schlagartig bekannt machte. Der Song hat nichts von seinem romantischen Appeal verloren, die Pärchen umschlingen sich ein bisschen enger: es darf geknutscht werden.

Die zahmen Hamburger, die im Laufe der 110 Minuten ein aufmerksames, aber höchst passives Publikum bilden, können sich auch während "Volcano" nur vereinzelt zum Mitsingen durchringen. Aber auch Rice gibt sich wenig Mühe, das Publikum zu animieren, ganz anders als noch bei seiner Sommertour 2015, bei der er unter anderem beim Summer's Tale Festival in Lüneburg auftrat.

Verbeugung vor den Großen

Dafür holt er die sehr gute Vorgruppe um die US-amerikanische Sängerin Hanna Leess mit auf die Bühne – für einen durchaus ekstatischen Abschluss, der sogar einen kurzes Medley von Princes "When Doves Cry" und Led Zeppelins "Babe I'm Gonna Leave You" enthält.

Beinahe zwei Stunden mit hochsentimentalen Songs auf einer großen Bühne alleine zu bestreiten, mit verschiedenen Instrumenten, Mikrofonen und Loops zu experimentieren, und dabei stets gelassen zu bleiben, ist keine geringe Leistung. Damien Rice, der Mann, der nie mehr als ein Album machen wollte, ist schon lange ein bedeutender Singer/Songwriter. Nun ist der Ire auch zu einem wirklichen Performer geworden.

Setlist

Older Chests / Colour Me In/ The Box / Trusty and True / Me, My Yoke and I / Amie / Elephant / 9 Crimes / Eskimo / My Favourite Faded Fantasy / I Remember / The Blower's Daughter / Cold Water / Cannonball / Volcano / When Doves Cry

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