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Niedeckens BAP (live in Mannheim 2016) © Rudi Brand

Kein Bruch mit der Vergangenheit, sondern Versöhnung mit ihr. Das scheint das Motto beim Konzert von Niedeckens BAP im Mannheimer Rosengarten zu sein. Da passt es durchaus, dass Xavier Naidoo gleich mehrfach auf der Bühne mitwirken darf.

Der Rosengarten ist ausverkauft! 2.200 Fans sind gekommen, womit das Mannheimer Konzert auf dieser Tour eines der kleineren Gigs ist. Neben der bereits auch sehr erfolgreichen "Zieht den Stecker"-Tour vor zwei Jahren hat sicherlich auch Wolfgang Niedeckens Teilnahme an der "Sing meinen Song"-Fernsehshow dazu geführt, dass der Sänger und seine Kapelle momentan einen gefühlt vierten Frühling erleben.

Wie vor 30 Jahren

Das Tourmotto lautet "Die beliebtesten Lieder" – parallel dazu erschien ein gleichnamiges Greatest Hits-Album. Ansonsten steht auf den Plakaten und Flyern aber "Lebenslänglich" in Korrespondenz zum aktuellen Studioalbum. Dass man im Hause Niedecken ein wenig bemüht ist, wenn es um Tourmottos geht, da man möglichst viele Fans ansprechen will, ist schon seit der Tour zum vorherigen Studioalbum bekannt, die nicht einfach "Half su wild", sondern "Die Klassiker" hieß.

Der Auftritt beginnt mit "Frau, ich freue mich" und alle freuen sich wie blöd, dass die Band das Original-Arrangement spielt und nicht die vor zehn Jahren vorgestellte Neufassung. Nach fünf Sekunden steht das Publikum und klatscht mit wie vor 30 Jahren. Und es geht gleich weiter mit "Ne schöne Jrooß", auch in der Fassung von damals – wenn man von der schon vor Jahrzehnten abgelegten Gummipuppen-Strophe absieht.

Querbeet

Bei "Nix wie bessher" spürt man dann, dass der Song erst zwanzig Jahre alt ist – viele setzen sich hin und scheinen die Nummer, die ja nach dem Intro durchaus abgeht, nicht zu kennen. Es folgen weitere beliebte Lieder und wer hätte gedacht dass ausgerechnet die in den letzten 15 Jahren völlig totgenudelte karibisch angehauchte Klatschmarsch-Nummer "Aff un zo" wieder den ganzen Rosengarten auf die Beine bringt. Näher am Karneval war Niedecken nie.

Nun ja, es wird besser danach mit der Überleitung zum ersten neuen Song, dem feinen Opener des "Lebenslänglich"-Albums "Alles relativ" und danach mit einer gänsehauttreibenden Version von "Absurdistan".

Von Afrika nach Köln

Ein Thema des Abends ist natürlich ist auch Afrika und Niedeckens anerkennenswertes Engagement mit seinem Rebound-Projekt ehemalige Kindersoldaten dabei zu unterstützen, den Weg zurück in die Gesellschaft zu finden und ihre Traumata aufzuarbeiten. Gekoppelt an den Song "Vision von Europa" gelingt es ihm für einen Moment eine bedächtige Stimmung zu erzeugen bis "Diego Paz wohr nüngzehn" das Publikum wieder auf die Beine holt.

"Unger Krahnebäume" und "Dausende von Liebesleeder" huldigen der Heimatstadt Köln und danach wird es ruhig, die Band setzt sich und Niedecken kündigt eine Reihe Liebeslieder an, die, wie der vorgebildete Fan weiß, von drei verschiedenen Frauen handeln. Die Überraschung dabei ist das in ein neues, sehr stimmiges Arrangement überführte "Alles em Lot".

Neuer Versuch mit Xavier

Nachdem "Do kannst Zaubre" dann sogar einige Wunderkerzen im Publikum zum Brennen brachte, kommt es zu einer weiteren Überraschung: "Local Hero" Xavier Naidoo, der eine zweite Chance erhält "Songs sinn Dräume" perfekt zu interpretieren (mit der Version von "Sing meinen Song" war er bekanntlich unzufrieden), die er auch gemeinsam mit Niedecken meistert. Es folgt eine wieder am Original-Arrangement orientierte Fassung von "Kristallnaach".

Videoeinspielungen der Konzerte von 1992 und 2012 begleiteten dann "Arsch huh, Zäng  usseinander" und für manche Momente sieht man dann parallel zur live spielenden 2016er Besetzung die vorherigen Besetzungen – eine Lockerheit im Umgang mit der Bandvergangenheit, die es beim "3x 10-Jahre"-Jubiläum 2006 so nicht gegeben hat.

Fast wie früher

Damals war noch ein gewisser Trotz und das Bemühen spürbar, sich von den Major-Jahren abzugrenzen. Heute sieht man Major und die anderen altbekannten Gesichter auf der einen Seite, während dessen Nachfolger Helmut Krumminga kurz auf der anderen Seite auftaucht und wiederum sein Nachfolger, Ulrich Rode, live auf der Bühne spielt.

Rode, der bereits auf der Unplugged-Tour überzeugen konnte, erweist sich auch an der Stromgitarre der Rolle des BAP-Leadgitarristen gewachsen. Dadurch, dass sein Ton kontrollierter und dynamischer ist, kommt er auch  stilistisch wieder etwas näher an den Sound, den Major seinerzeit geprägt hat und auch seine Fähigkeit zum akustischen Picking erlaubt Songs wie "Jupp" oder "Do kanns zaubre" wieder so zu begleiten, wie es vor 35 Jahren schon war.

Urgewalt am Schlagzeug

Die andere Neubesetzung, Schlagzeuger Sönke Reich, entpuppt sich als ein wahres Powerpaket, das zwar auch wunderbar dezent spielen kann, aber in entscheidenden Momenten mit einer Kraft auf die Trommeln einschlägt, dass den Fans die Augen aufgehen.

Vorgänger Jürgen Zöller war schon als ein lauter Drummer bekannt, aber allein durch den Unterschied in ihrer Physis ist nachvollziehbar, dass der zarte Zöller nicht (mehr?) eine solche Schlagkraft hat. Und es gibt, eingebunden in "Alexandra, nit nur do", sogar ein Schlagzeugsolo, etwas das es in 27 Zöller-Jahren auch nicht gab. Das Publikum nimmt diese Abwechslung jedenfalls begeistert auf.

Der Stimmungshöhepunkt wird erwartungsgemäß mit "Verdamp lang her" erreicht, das nach 140 Minuten das reguläre Set beschließt. Ebenso erwartungsgemäß machen Niedecken und BAP jedoch dann die drei Stunden noch voll und als weitere Überraschung holen sie Naidoo erneut auf die Bühne, um mit ihm eine teils-kölsche Version seines Hits "Was wir allein nicht schaffen" zum Besten zu geben, die ebenfalls sehr gut gelingt.

Mit dem akustisch am Bühnenrand dargebotenen "Et letzte Leed" geht der Abend dann zu Ende, ein Abend, der viele alte BAP-Fans sehr glücklich gemacht hat, weil die Band den Ansatz der Krumminga-Jahre abgelegt hat, nicht mehr so zu klingen wie früher. Souverän halten sie sich an die altbekannten Arrangements und beschränken sich einfach darauf, sie einerseits besser zu spielen als die damalige Besetzung es hergab und aber auch immer wieder überraschende Variationen in die Songs einzubauen, die durchaus für Abwechslung sorgen.  

Setlist

Frau, ich freu' mich / Ne schöne Jrooß / Nix wie bessher / Fortsetzung folgt / Für 'ne Moment / Jupp / Aff un zo / Alles relativ / Absurdistan / Vision von Europa / Diego Paz wohr nüngzehn / Unger Krahnebäume / Dausende von Liebesleeder / Jraaduss / Paar Daach fröher / Alles em Lot / Do kanns zaubere / Songs sinn Dräume (mit Xavier Naidoo) / Kristallnaach / Arsch huh, Zäng ussenander / Verdamp lang her // Halv su wild / Alexandra, nit nur do / Dä Herrjott meint et joot met mir / Amerika / Unendlichkeit / Wat wir allein nit schaffe (mit Xavier Naidoo) / Rita, mir zwei / Et letzte Leed

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